Rabatt-Blacklist der Großhändler Alexander Müller, 23.01.2017 10:40 Uhr
Klappern gehört zum Handwerk: Die Großhändler klagen seit Jahren über eine ruinöse Rabattschlacht, die Apotheker über immer schlechtere Konditionen. Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte, sondern im Einzelfall. Im Vorfeld der nun vielerorts anstehenden Verhandlungen kündigen die Großhändler seit Wochen Kürzungen an. Ein neuer Hebel sind die Kontingentartikel, bei denen die Großhändler es argumentativ leicht haben. Die ersten Listen machen die Runde.
Lieferdefekte sind in den Apotheken mittlerweile ein erhebliches und weiter wachsendes Problem. Ursächlich sind nicht immer die Hersteller, die mit der Produktion nicht nachkommen, sondern zum Teil das Preisgefälle innerhalb der EU: Weil die Arzneimittel im Ausland teurer verkauft werden können, wird Ware exportiert. Zahllose Zwischenhändler sind in dem Markt aktiv, regelmäßig werden auch Apotheker mit entsprechenden Angeboten in Versuchung geführt.
Auch wenn die Apotheker in der Versorgung auf Alternativen ausweichen können, bleibt als Ärgernis die Gefahr von Retaxationen. Denn die Hersteller sind nicht bereit, einen Engpass zu bestätigen, wenn sie den Bedarf in den Markt geliefert haben. Und bei Defektbelegen der Großhändler stellen sich einige Kassen quer. Eine Sonder-PZN zur Nichtverfügbarkeit rettet die Apotheker in diesen Fällen nicht.
Während an einer politischen Lösung der Belege noch gearbeitet wird, reagieren die Großhändler auf ihre Art auf das Problem: mit Konditionenkürzungen bei Kontingentartikeln. Das sind Arzneimittel, die von den Herstellern nur in kontrollierten Mengen in den Markt gegeben werden. Zum Teil erhalten die Großhändler nur ein Zehntel der georderten Ware, was den Ansturm auf diese Packungen und das Bestellverhalten zusätzlich befeuert.
Offiziell im Sinne der eigenen Lieferfähigkeit hatte der Großhändler Gehe bereits vor Weihnachten gegenüber Apotheken angekündigt, hier im Januar den Rotstift anzusetzen: „Um für eine bestmögliche Versorgung der Vor-Ort-Apotheken auch weiterhin sorgen zu können, werden wir Ihre Bestellungen von Kontigentartikeln ab dem 1. Januar 2017 zum AEP annehmen und berechnen.“
Beim Branchenprimus Phoenix klingt das sehr ähnlich: Die Sicherstellung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung habe „höchste Priorität“ und werde permanent optimiert. Vor allem die Kontingentartikel stellten eine besondere Herausforderung dar, um eine bestmögliche Verfügbarkeit sicherzustellen: „Um dies auch zukünftig gewährleisten zu können, werden wir am dem 1. Februar 2017 diese Artikel für Sie zum AEP bereithalten und berechnen.“
Da die Rabattausschlüsse auf der Sammelrechnung in der Regel nicht auftauchen, befürchtet ein Insider große Nachteile für die Apotheker: „Hier wird dem Betrug Tür und Tor geöffnet.“ Er vermutet allerdings, dass die Aktion nach hinten losgehen könnte und dass die Industrie die Rabattkürzung für eigene Konditionsmaßnahmen gegenüber den Großhändlern nutzen könnte.
Welche Arzneimittel auf diese Weise von der Rabattvereinbarung ausgeschlossen werden, können Kunden immerhin online beim Großhändler einsehen. Auf der Phoenix-Liste etwa stehen aktuell rund 120 PZN. Betroffen sind etwa Antidiabetika wie Janumet/Januvia (MSD), Jardiance (Boehringer) und Victoza (Novo Nordisk).
GlaxoSmithKline ist mit seinen Atemwegstherapeutika Atmadisc, Flutide, Serevent und Viani sowie weiteren Präparaten wie Anoro, Avamys, Avodart, Bexsero, Duodart, Elontril, Imigran inject, Incruse, Lamictal, Relvar Ellipta und Requip Modutab vertreten.
Mylan ist mit ehemaligen Abbott-Produkten wie Kreon und Bifiteral dabei, Servier mit Präparaten wie Bipreterax, Coversum Arginin, Diamicron Uno, Procorolan und Preterax. Auf der Liste finden sich außerdem Hersteller wie Astellas (Vesikur) und Allergan (Panzytrat).
Bei Hochpreisern wie Stribild (Gilead) und Tecfidera (Biogen) dürfte der Wegfall der Konditionen besonders weh tun. Doch die Liste zeigt, wohin die Reise gehen könnte. Denn auch für Schnelldreher wie Metohexal (Hexal) oder Laif (Bayer), die in den vergangenen Monaten immer wieder defekt waren, ist ein Rabattausschluss vorgesehen. Generikahersteller sind keineswegs ausgenommen: Hexal steht außerdem mit ACC long, Estramon comp und Metamizol auf der Liste.
Der Bundesverband Deutscher Großhandelsapotheker (BDGHA) kritisierte bereits vor Weihnachten das Vorgehen der Großhändler: Wenn Lieferengpässe als Schlüssel für mehr Ertrag genutzt würden, stelle sich die Frage, ob Solidaritätsbekenntnisse zur deutschen Apotheke allenfalls als Lippenbekenntnis zu deuten seien, schrieb der Verband als Reaktion auf die Ankündigung von Gehe. Dazu bleibe die Frage, wer über die Definition von Kontingentware entscheide. „Werden demnächst auch alle Impfstoffe, die schwer verfügbar sind, grundsätzlich nicht mehr rabattiert?“, fragen sich die Großhandelsapotheker.
Es habe mittlerweile Tradition, dass die Großhändler eigene Herausforderungen auf die Apotheken abwälzten. „Egal ob Dieselpauschale, Touren-, Notdienst- oder Btm-Gebühren, Kosten bei der Warenretoure oder das nebulöse Feld der Minderspannenware, letztlich dient die Apotheke dem Großhandel immer mehr als finanzielle Pufferzone“, so der BDGHA. Die Apotheker sollten dieser Entwicklung energisch entgegentreten, empfiehlt der Verband.
Unabhängig von dem Rabattausschluss bei den Kontingentartikeln kündigt Phoenix gegenüber Apothekern Kürzungen der Konditionen an: Die aktuellen Marktentwicklungen machten es erforderlich, „das derzeitige Vergütungsniveau deutlich zu reduzieren“, heißt es in den Schreiben. Details sollen wie immer mit dem jeweiligen Außendienstkontakt besprochen werden.
Auch der Sanacorp-Außendienst schwört die Apotheker bereits auf Kürzungen ein. Ein Sprecher der Genossenschaft bestätigte gegenüber APOTHEKE ADHOC grundsätzlich, dass seit Dezember entsprechende Gespräche geführt würden. Schließlich müsse die Sanacorp als Apothekerunternehmen ein Ergebnis erzielen, um die Dividende zu zahlen. Wo und mit welchen Mitteln die Sanacorp die Konditionen kürzen will, ist noch nicht bekannt. Die Gespräche würden individuell geführt, heißt es aus Planegg.
Auch wenn nicht jede angekündigte Kürzung der Konditionen am Ende auch Realität wird, stehen den Apothekern also offenbar harte Verhandlungen bevor. Denn gerade beim Thema Kontingentartikel können die Großhändler argumentativ die Graumarkt-Karte spielen. Das Thema Lieferengpass kann für die Apotheker zum doppelten Ärgernis werden.