Prospan/Phytohustil

Phyto-Attacke von Boehringer Patrick Hollstein, 28.10.2016 10:28 Uhr

Berlin - 

Das Ringen im Phytobereich geht weiter: Auch Boehringer will mitmischen und bringt seine ersten pflanzlichen Erkältungsprodukte auf den Markt: Mucohelix ist ein schleimlösender Hustensaft mit Efeu. Das Silomat-Sortiment wird um einen Sirup mit Eibisch/Honig erweitert. Mit einer ungewöhnlichen Preisgestaltung und einer potentiell riskanten Dachmarkenstrategie will der Konzern der Konkurrenz Marktanteile abjagen. Mit Prospan und Phytohustil hat sich das Team gleich zwei Top-Marken vorgeknöpft.

Von Antistax und Pharmaton abgesehen, hatte Boehringer in Deutschland bislang keine pflanzlichen Präparate im Sortiment. Doch nachdem selbst Bayer mit der Übernahme von Steigerwald (Iberogast, Laif) vor einigen Jahren seine sanfte Seite entdeckt hat, reifte wohl auch in Ingelheim die Erkenntnis, dass dem Erkältungsportfolio einige grüne Akzente gut tun könnten.

Mitte November sollen die beiden pflanzlichen Erkältungsprodukte auf den Markt kommen; parallel läuft die Einführung in Österreich und Spanien, weitere europäische Länder sind geplant. Mit Mucohelix geht Boehringer in einen umkämpften Markt. Prospan (Engelhard) liegt mit einem Marktanteil von mehr als 90 Prozent uneinholbar vorn; das Familienunternehmen aus Niederdorfelden bei Frankfurt hat erfolgreich internationalisiert und die Marke bis nach Lateinamerika gebracht. Abgeschlagen folgen auf dem deutschen Markt mit jeweils 3 Prozent Hedelix (Krewel Meuselbach) und Sinuc (Hexal), dahinter Bronchostad (Stada) und Bronchoverde (Sidroga). Auch im Bronchipret-Saft (Bionorica) ist neben Efeu noch Thymian enthalten.

Zugelassen ist der Newcomer, der vom polnischen Lohnhersteller Phytopharm kommt, als „schleimlösendes pflanzliches Arzneimittel zur Anwendung bei produktivem Husten bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab zwei Jahren“; die Indikation deckt sich mit der EU-Monographie. Prospan ist noch zugelassen „zur Besserung der Beschwerden bei chronisch-entzündlichen Bronchialerkrankungen“ sowie „akuten Entzündungen der Atemwege mit der Begleiterscheinung Husten“. Die Indikation wird sich auf Dauer aber nicht halten lassen; nach einem Rechtsstreit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) musste der Hersteller die Brausetabletten bereits an die europäischen Vorgaben anpassen.

Überraschend ist der Preis, den Boehringer aufruft: Mucohelix ist mit einem Apothekenverkaufspreis (AVP) von 7,97 Euro teurer als die Konkurrenz: Prospan kostet 6,90 Euro, Hedelix genauso wie Sinuc 6,40 Euro. Bei Bronchostad sind 100 ml sogar schon für 6,15 Euro zu haben. „Gar nicht so blöd“, findet ein Beobachter die Strategie: Günstigere Produkte gebe es schon, so könne Boehringer den Apotheken einen höheren Stücknutzen anbieten und gemeinsam mit den Versandapotheken Preisaktionen durchführen. Boehringer war zuletzt sehr offensiv in Kooperationen mit DocMorris, Vitalsana & Co.

Der Konzern bewirbt Mucohelix als „konzentrierte Formel“. Tatsächlich müssen Erwachsene 4 ml zwei- bis dreimal täglich einnehmen; bei Prospan, Hedelix und Bronchostad sind es wegen des etwas geringen Gehalts an Trockenextrakt dreimal 5 ml. Dagegen gibt es mit Sinuc und Bronchoverde preiswertere Varianten, die mehr Wirkstoff enthalten und von denen daher dreimal täglich nur 2 ml genommen werden müssen. Je nach Produkt können die Flaschen à 100 ml also unterschiedlich lange eingesetzt werden.

Beim zweiten Newcomer ist der Markt überschaubarer; Bayer hat mit Phytohustil das Feld der Eibisch-haltigen Hustenstiller für sich alleine. Wie das ehemalige Steigerwald-Präparat ist „Silomat Eibisch/Honig“ mit Blick auf die lokale Wirkung der Mucine als Medizinprodukt zugelassen. Boehringer bewirbt sein Präparat damit, dass es frei von Alkohol ist. Außerdem kommt der Außendienst auch hier mit dem Argument, dass der eigene Trockenextrakt ergiebiger ist: Bei Phytohustil werden für Erwachsene sechsmal täglich 5 bis 10 ml empfohlen, bei Silomat sind es sechsmal 5 ml.

Dazu kommt die Hoffnung, dass die Bekanntheit der etablierten Marken auf die Newcomer abfärbt – und dabei auch Verwechslungen in Kauf nimmt. Die Anlehnung von Mucohelix an die Dachmarke Mucosolvan (Ambroxol) ist bewusst gewählt. Dass der Eibisch-Saft sogar unter die gemeinsame Dachmarke der chemischen Hustenstiller mit Pentoxyverin beziehungsweise Detrometorphan gebracht werden konnte, hat mit der Einstufung als Medizinprodukt zu tun. Allerdings muss vom chemischen Hustenstiller die dreifache Menge eingenommen werden, sodass Risiken bei Verwechslung weitgehend ausgeschlossen scheinen.

Boehringer hat sein Sortiment traditionell schlank gehalten und auf internationale Megabrands gesetzt: Buscopan, Dulcolax, Mucosolvan sowie die in Deutschland weniger verbreiteten Marken Pharmaton, Bisolvon und Mucoangin machen zusammen 59 Prozent der weltweiten OTC-Erlöse von 1,5 Milliarden Euro aus. Eine Zeitlang wurde intern sogar darüber diskutiert, Silomat aufzugeben und die Hustenstiller unter das Dach von Mucosolvan zu bringen, was rechtlich allerdings schwierig gewesen wäre. Eine Ausnahme bei der Dachmarkenstrategie war Boxagrippal; hier musste Boehringer jedoch leidvoll erfahren, dass die Konkurrenz nicht lange auf sich warten ließ. Die Kombination aus Ibuprofen und Pseudoephedrin wurde generisch, bevor Boehringer die Marke aufbauen konnte.

Zur Einführung der beiden neuen Produkte verspricht Boehringer den Apotheken nicht nur eine größere Spanne, sondern auch besondere Konditionen: Je nach Menge der bestellten Packungen können zwischen 20 und 25 Prozent Rabatt zuzüglich 2 Prozent Skonto und Valuta erreicht werden. Außerdem gibt es Aktionspakete wie HV-Aufsteller und Bodendisplays sowie Werbematerialien, die zum Teil allerdings erst im Januar ausgeliefert werden.