Engelhard darf vorerst nicht mehr behaupten, dass Prospan dem Konkurrenzprodukt Bronchipret überlegen sei. Denn die zugrunde liegende Studie erfülle nicht die wissenschaftlichen Kriterien, so das Landgericht Hamburg (LG) in einer Einstweiligen Verfügung, die der betroffene Wettbewerber Bionorica erwirkt hat.
Engelhard hatte Anfang Oktober die Ergebnisse einer multizentrischen, randomisierten, unverblindeten klinischen Studie vorgestellt, bei der die Wirksamkeit und die Sicherheit von Prospan, Bronchipret und Bronchicum (Klosterfrau) an 328 Patienten mit akuter Bronchitis verglichen worden war. Prospan war demnach den beiden Konkurrenzprodukten nicht unterlegen (primärer Endpunkt), sondern führte sogar zu einer signifikant stärkeren Symptomreduktion als Bronchipret und zu einer stärkeren, aber nicht signifikanten Reduktion als Bronchicum (sekundärer Endpunkt). Engelhard warb mit entsprechenden Aussagen und Diagrammen.
Laut Gericht genügt die Untersuchung aber nicht den strengen Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – weil es sich nämlich um eine komplett offene Studie handelte („Open-Label-Untersuchung“). Die Ergebnisse der Studie seien daher nicht geeignet, die beworbene Überlegenheit von Prospan wissenschaftlich abzusichern, weil diese den an die Zitatwahrheit zu stellenden Anforderungen nicht entspreche. „Die angegriffenen Werbeaussagen sind demnach irreführend gemäß § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG.“
Studienergebnisse, die in der Werbung oder sonst als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, entsprechen laut Gericht nur dann den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. „Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist.“
Denn: „Die (doppelte) Verblindung ist jedoch ein wichtiger Aspekt einer solchen Vergleichsstudie, weil sie dazu dient, bewusste und unbewusste Verzerrungen im Design und bei der Durchführung zu vermeiden. Es besteht die nicht unerhebliche Gefahr, dass die Patienten gegenüber dem einen oder anderen Arzneimittel voreingenommen sind, was sich in den Studienergebnissen niederschlagen kann. Die fehlende Verblindung mindert die Aussagekraft der Studie erheblich.“
Daher liege eine „deutliche Abweichung von dem geforderten wissenschaftlichen Goldstandard vor“. Die Entscheidung für eine „Open-Label-Untersuchung“ liege zwar im Ermessen des Herstellers. „Es ändert jedoch nichts daran, dass dieses Vorgehen ein erhebliches Verzerrungspotential beinhaltet und der Studie dementsprechend nur eine beschränkte Aussagekraft zukommt. Jedenfalls kann sie derartig vollmundige Werbeaussagen – wie die hier in Rede stehenden – nicht tragen.“
Die Schwäche der Studie stehe in „deutlichem Kontrast zu den plakativen Aussagen der Werbung“. Die fehlende Verblindung werde auch nicht etwa dadurch kompensiert, dass eine Randomisierung stattgefunden habe – unabhängig von der Frage, ob diese überhaupt gelungen oder fehlgeschlagen sei. Denn letztlich stelle diese „keine gleichwertige Alternative zu einer Doppelblindstudie“ dar. „Vielmehr ist gerade die Randomisierung nur ein weiteres Merkmal, das neben die Verbindung treten muss, damit die
Studie überhaupt wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden kann.“
„Die vorliegende Studie genügt damit schon nach ihrer Konzeption nicht den grundlegenden Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Nachweis im Sinne des Heilmittelwerberechts.“ Dabei spiele es auch keine Rolle, ob sich die genannten Mängel tatsächlich in den Studienergebnissen niedergeschlagen haben, zumal dies im Einzelfall kaum nachweisbar wäre. „Vielmehr genügt angesichts der drohenden Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung die Möglichkeit einer Ergebnisverzerrung.“
Auch Fußnoten zum Studiendesign könnten bei den Fachkreisen „keine ausreichende Klarheit über die Bedeutung der mangelnden Verblindung der Studie für die gefundenen Ergebnisse verschaffen“. Durch die Erläuterung, dass es sich um eine Open-Label-Studie handele, werde „nicht hinreichend deutlich auf die in der Studie selbst gemachten Einschränkungen im Hinblick auf die Validität und Bedeutung der gefundenen Ergebnisse hingewiesen“.