Mit der Übernahme von Ebert+Jacobi durch die Noweda verändert sich die Tektonik im deutschen Pharmagroßhandel. Der Großhandelsverbund Pharma Privat verliert ein Drittel seines Umsatzes und seine Flächendeckung. In Bayern gibt es für die Apotheken keine inhabergeführte Alternative mehr. Die Rabattschlacht und eigene unternehmerische Entscheidungen haben den führenden Privatgroßhändler in die Knie gezwungen. Versuch einer Rekonstruktion.
Für Außenstehende wirkte Ebert+Jacobi bis zuletzt wie ein kerngesundes Unternehmen: In den vergangenen zehn Jahren verdoppelte sich der Umsatz auf mehr als 900 Millionen Euro, das Liefergebiet erstreckte sich von Nordhessen bis zur Schwäbischen Alb und vom Bayerischen Wald bis ins Badische. Mit rund 2000 Kunden war das Würzburger Unternehmen mit seinen Tochterfirmen Spangropharm, Finze und Ebert+Jacobi Holdermann – heute Fiebig Ebert+Jacobi – der größte Anbieter unter den inhabergeführten Pharmagroßhändlern. Firmenchef Ralph-D. Schüller bewegte sich ab 2006 auch als Vize des Großhandelsverbands Phagro mit den Konzernen auf Augenhöhe.
Der Anfang vom Ende kam 2012 – ausgerechnet im erfolgreichsten Geschäftsjahr von Ebert+Jacobi überhaupt. Der Umsatz lag auf Rekordniveau; unter dem Strich stand ein Gewinn von 5 Millionen Euro, ebenfalls soviel wie nie zuvor. Während es beim Privatgroßhändler rund lief, steckte Phoenix in der Krise: Weil der Branchenprimus sein neues Konditionenmodell nicht nur als erster vorgestellt, sondern dann auch rigoros durchgezogen hatte, kehrten ihm viele Apotheker den Rücken. Der Marktanteil sackte zeitweise unter 25 Prozent ab.
Ende Oktober setzte sich die Geschäftsführung in Mannheim zusammen, um neue Ziele auszugeben: Verloren gegangene Marktanteile sollten zurückgeholt werden – koste es, was es wolle. Da insbesondere die Noweda dagegen halten sollte, konnte sich am Ende niemand im Pharmagroßhandel der Entwicklung entziehen.
Bei Ebert+Jacobi ging man – nach einem desaströsen ersten Quartal – für 2013 von einem Umsatzrückgang um bis zu 8 Prozent aus. Um noch größere Verluste abzuwenden, musste der Privatgroßhändler bei den Konditionen nachgeben. Auf der Ertragsseite sah es daher deutlich dramatischer aus, als man in Würzburg erwartet hätte: Knapp zwei Millionen Euro Verlust standen in den Büchern – mit einer Rabattschlacht dieses Ausmaßes hatte Ebert+Jacobi nicht gerechnet.
Da die Eigenkapitalquote auf unter 20 Prozent absackte, sah sich die Familie 2013 genötigt, ein Grundstück als Sacheinlage ins Unternehmen einzubringen. Doch 2014 wurde es nicht besser: Abermals stand unter dem Strich ein Millionenverlust, das Eigenkapital war weiter rückläufig, Erstmals musste das Management in seiner Prognose „erhebliche Unsicherheitsfaktoren“ einräumen.
Schüller zog die Reißleine – und gab das Geschäft in Baden-Württemberg auf. 2004 hatte Ebert+Jacobi 50 Prozent der Anteile am kriselnden Privatgroßhändler Holdermann in Baden-Baden übernommen, doch allen Anstrengungen zum Trotz rutschte das mittlerweile in Ebert+Jacobi Holdermann umbenannte Unternehmen 2007 in die Verlustzone.
Nach der Restrukturierung schien der Turnaround 2009 geschafft, doch schon ein Jahr später gab es wieder rote Zahlen – von nun an ging es bergab: In den folgenden drei Jahren fuhr Ebert+Jacobi Holdermann jeweils einen Fehlbetrag von rund 400.000 Euro ein. Ende 2012 übernahm das Würzburger Stammhaus weitere 13,3 Prozent der Anteile – viel helfen konnte das nicht mehr. Im Herbst 2014 wurden das Vertriebszentrum in Baden-Baden geschlossen und der Kundenstamm für 2,8 Millionen Euro verkauft. Die Niederlassung in Ludwigshafen wurde in ein Joint Venture mit Fiebig eingebracht. Etwas mehr als eine Million Euro spülte der Deal noch in die Kasse.
Doch auch 2015 gelang die Trendwende nicht: Zwar konnten Darlehen zurückgeführt und damit die Eigenkapitalquote gestärkt werden, doch operativ lief es nicht rund. Dazu kamen Probleme bei der Deutschen Blistergesellschaft: Trotz steigender Umsätze hatte es das Gemeinschaftsprojekt mit Hans-Werner Holdermann seit der Gründung im Jahr 2007 nicht in die Gewinnzone geschafft; über die Jahre hatten sich Verluste von drei Millionen Euro angehäuft. Nach Abschreibungen auf Firmenwerte und Ausleihungen stand bei Ebert+Jacobi ein Fehlbetrag von knapp drei Millionen Euro in den Büchern.
Nun wurden die Gläubiger unruhig. Bereits Ende 2012 hatten sich die Kapitalgeber auf einen Sicherheitenpoolvertrag geeinigt, doch im Frühjahr 2016 wuchs die Skepsis, ob sich die Entwicklung bei Ebert+Jacobi überhaupt noch würde drehen lassen. Angesichts der schwierigen Marktlage zweifelten die ersten Banken daran, dass Mittelständler im Pharmagroßhandel gegen global aufgestellte Konzerne auf Dauer überhaupt noch eine Chance haben würden.
Ebert+Jacobi wurde wohl zum Verhängnis, dass zu viele Banken am Boot waren und dass fast alle Darlehen nur kurze Laufzeiten von weniger als einem Jahr hatten. 2011 hatte das Unternehmen zwar vier Millionen Euro über zwei stille Beteiligungen eingeworben; doch auch diese laufen 2018 aus und waren obendrein mit hohen Zinsen und bei gleichzeitigem Ausschluss einer Verlustbeteiligung teuer bezahlt.
Im Mai trafen sich die Geldgeber, um die Finanzierung von Ebert+Jacobi zu sichern und Restrukturierungsmaßnahmen einzuleiten. Stillhalteabkommen wurden verhandelt, Kreditrückzahlungen ausgesetzt. Bereits seit Jahresbeginn hatte eine auf Krisenfälle spezialisierte Beratungsfirma nach Optimierungsmöglichkeiten auf der Kostenseite gesucht und Empfehlungen abgegeben. Ein Krisenmanager wurde mit Generalvollmacht ausgestattet.
Als Gesellschafter fanden sich Schüller und Heide Stier im April damit ab, womöglich einen Investor an Bord holen zu müssen. Sie beauftragten einen Berater, der den Markt sondieren sollte. Im Sommer reifte die Erkenntnis, die Gruppe lieber als Ganzes unter Erhalt aller Standorte zu veräußern. Dann war vermutlich schnell klar, dass es in Essen einen Interessenten geben könnte.
Überrascht wurden auch die Kollegen von Pharma Privat. Noch auf den letzten Metern gab der Verbund ein „attraktives Angebot“ ab, um die Eigenständigkeit von Ebert+Jacobi zu retten und die eigenen Reihen geschlossen zu halten. „Wir waren eigentlich guter Dinge, dass wir – wie in der Vergangenheit bei anderen Gelegenheiten auch – intern zu einer Lösung kommen würden“, sagte Hanns-Heinrich Kehr, Geschäftsführender Gesellschaft von Richard Kehr.
Eine interne Lösung im Verbund von Pharma Privat sei keine Option gewesen, sagte Schüller nach der Übernahme: „Wir wollten eine strategisch tragfähige, langfristige Lösung für unsere Betriebe.“ Der Verkauf sei eine „strategische Entscheidung“ gewesen, die sich „vom Marktdruck her entwickelt“ habe. Als die Gespräche konkreter wurden, habe er nicht gezögert.
Noch am 21. Oktober lag ein Sanierungsgutachten vor. Darin bescheinigten die Berater Ebert+Jacobi die Sanierungsfähigkeit; skizziert wurde ein Konzept, mit dem der Turnaround bis Ende 2018 geschafft werden sollte. Fünf Tage später wurde der Vertrag mit der Noweda unterzeichnet.
Experten gehen davon aus, dass die Genehmigung durch das Bundeskartellamt eine reine Formalie ist und dass die Übernahme noch vor dem Jahresende abgeschlossen wird. Dann wäre eine 132-jährige Firmengeschichte zu Ende: Die „Materialwaaren und Droguenhandlung“ war 1884 von Phillip Jacobi und Emil Ebert in Rodach bei Coburg gegründet worden. Kurz darauf wurde der Firmensitz nach Unterfranken verlegt, Ebert verließ das Unternehmen.
1920 übernahmen die Apotheker Fritz Müller und Ludwig Schüller, Schwiegersöhne von Jacobi, die Leitung. 1949 trat mit Friedrich Schüller die dritte Generation an. Der Vater des heutigen Firmenchefs gründete 1964 in Heidenheim die erste Zweigniederlassung. Noch vor seinem Tod im Jahr 1987 kaufte er von einem amerikanischen Unternehmen die hessische Großhandlung Spangropharm, die 1916 vom Apotheker Max Woelm gegründet und mehrfach verkauft worden war.
APOTHEKE ADHOC Debatte