Preiswirrwarr in der Freiwahl Patrick Hollstein, 07.07.2020 10:56 Uhr
Die Mehrwertsteuersenkung hält die Apotheken auch eine Woche nach Inkrafttreten auf Trab. Während im Rx- und OTC-Bereich die Preisänderungen seitens der Datenlieferanten systematisch durchgezogen wurden, herrscht im Freiwahlbereich ein Durcheinander: Einige Hersteller haben die Listenpreise gekürzt, andere nicht. So müssen die Apotheken vielfach noch einmal manuell nachbessern.
Das Konjunkturpaket war mit heißer Nadel gestrickt; erst Ende Juni wurde die auf sechs Monate befristete Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 beziehungsweise 7 auf 5 Prozent beschlossen. Dass dennoch alle Preise rechtzeitig in die Warenwirtschaft eingespielt waren, war dem Einsatz der beteiligten Lieferanten und Dienstleister zu verdanken: Die Hersteller meldeten ihre Daten an die Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IfA); bei der Abdata wurden zusätzlich alle für die Abrechnung mit den Kassen relevanten Daten eingepflegt. Diese Pakete wurden in die Warenwirtschaft eingespielt.
Im Rx-Bereich wurden flächendeckend die Abgabepreise (Apothekenverkaufspreise, AVP) entsprechend reduziert; hier konnte die IfA anhand der Arzneimittelpreisverordnung (AMPReisV) die entsprechenden Aufschläge berechnen. Auch im OTC-Bereich wurden so systematisch alle Preise angepasst – hier kann zwar jede Apotheke frei kalkulieren; da in Ausnahmefällen aber eine Erstattung durch die Kassen infrage kommt, wurden die Produkte von der IfA als preisgebunden berücksichtigt und entsprechend verarbeitet.
Anders sieht die Sache in der Freiwahl aus: Hier haben einige Hersteller ihre Listenpreise beziehungsweise unverbindlichen Preisempfehlungen angepasst, andere dagegen nicht. Keine Preisänderung seitens des Herstellers gab es beispielsweise bei L‘Oréal (Vichy, La Roche-Posay), Babor, Orthomol, Pure, Almased und Allgäuer Latschenkiefer. Um rund 2,5 beziehungsweise knapp 1,9 Prozent angepasst wurden dagegen etwa die Preise von Avène, Efasit, Grandel, Innoval und Physiogel.
Zumindest Apotheken, die die Preisempfehlungen nutzen oder für ihre eigene Kalkulation zugrunde legen und die Mehrwertsteuersenkung an ihre Kunden weitergeben wollen, müssen seit der Umstellung noch einmal durchsehen, ob die Hersteller bereits reduziert haben oder noch nicht. Zwar bieten die Softwarehäuser an, die Preisanpassung für das gesamte Sortiment umzusetzen. Genau genommen können dabei aber die Absenkungen der Hersteller nicht berücksichtigt werden, da diese die Hoheit über die von ihnen gemeldeten Preise haben.
„Alle Awinta-Produktlinien spielen selbstverständlich das Update für den Artikelstamm mit den entsprechenden Änderungen ein“, heißt es vom Branchenprimus. „Was danach passiert, hängt von der Sachlage in der Apotheke ab. Wenn ein eigener apothekenspezifischer VK berechnet worden ist, gibt es Listen, mit deren Hilfe man en bloc oder tranchenweise die Preisanpassung für die reduzierte MwSt vornehmen kann, aber nicht muss. Verwendet die Apotheke die Artikelstamm-VK-Preise – auch UVP – so werden diese ausgegeben, wie sie im Artikelstamm hinterlegt sind. Auf keinen Fall werden ‚automatisch‘ software-seitig Preise doppelt reduziert.“
Auch Pharmatechnik versichert, dass die Preise nicht doppelt gesenkt werden: „Ixos prüft und vergleicht intern die Preise und setzt die von der Apotheke gewählte Preisstrategie konsequent um, doppelte Senkungen werden dabei automatisch vermieden“, so eine Sprecherin. „Wir vergleichen die gemeldeten Preise vor dem 1.7. und aktuell, bei einer unklaren Sachlage, also zum Beispiel einer UVP-Preisänderungen gemeldet durch den Hersteller, stellen wir sicher, dass es zu keinen weiteren Veränderungen kommt.“
Damit Apotheken die Mehrwertsteuersenkung an ihre Kunden weitergeben können, müssen sie also zunächst ihre Preise durchforsten. Große Versandapotheken wie DocMorris und Apo-Discounter vermelden auf ihrer Website, dass sie die Senkung weitergeben. Doch selbst große Versender scheinen das Durcheinander noch nicht ganz durchschaut zu haben: So wurde etwa der Preis für ein Produkt, für das der Hersteller keine Preisänderung gemeldet hat, entsprechend reduziert. Bei anderen Produkten, bei denen der Hersteller selbst den Preis schon angepasst hatte, wurde offenbar doppelt reduziert.
Dass beispielsweise L‘Oréal die Listenpreise nicht angepasst hat, erklärt eine Sprecherin so: „Die Gestaltung der Verkaufspreise obliegt dem Handel. Wir nehmen darauf keinen Einfluss.“ Beim hauseigenen Webshop der Marke Skinceuticals senke man die Verkaufspreise entsprechend der Mehrwertsteueranpassung. Die Sprecherin nutzt die Gelegenheit, um auf die aktuelle Couponaktion für Vichy, La Roche-Posay und CeraVe mit 20 Prozent Rabatt auf alle Produkte für alle direkt betreuten Kunden hinzuweisen. „Wir bewerben diese Aktion massiv über TV, Digital und auch im Radio. Die Resonanz bei den Apothekenpartnern und den Konsumenten ist hervorragend.“
Außerdem gibt es Hersteller wie Beiersdorf, die gar keine UVP einspielen, weil sie dies rechtlich für unzulässig halten. Hier muss ohnehin jede Apotheke eine eigene Kalkulation hinterlegen, die entsprechend angepasst wird.
Übrigens gibt es auch einige wenige Preiserhöhungen. So hat PharmaSGP – pünktlich zum Börsengang – die Preise angehoben; auch Additiva, Artelac und Movicol sowie eine Reihe von Produkten von Hartmann sind teurer geworden.