Mehrwertsteuer

Mineralien: Apotheke wird teurer

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Berlin -

Das gibt’s in der Drogerie aber billiger. Diesen Vorwurf könnten Apothekenmitarbeiter bei Vitamin- und Mineralstoffpräparaten künftig noch häufiger zu hören bekommen. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass hoch dosierte Nahrungsergänzungsmittel unter bestimmten Umständen als Arzneiwaren einzustufen sind – und damit 19 Prozent Mehrwertsteuer abgeführt werden müssen.

Einige bekannte Markenprodukte könnten bald teurer werden. Zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel in der Apotheke werden bislang als Lebensmittel eingestuft und mit einem Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent vertrieben. Die Finanzbehörden haben in der Differenz zum vollen Satz jedoch eine zusätzliche Einnahmequelle entdeckt und bei Betriebsprüfungen Nachzahlungen gefordert, etwa von Dr. Loges, Wala und Orthomol. Mehrere Hersteller streiten derzeit mit dem Fiskus, ob diese Sichtweise gerechtfertigt ist. Es geht um Millionenbeträge – und um mögliche Nachforderungen auch gegenüber den Apotheken.

Welche Produkte steuerlich als „Arzneiware“ einzuordnen sind, regelt die Kombinierte Nomenklatur (KN) laut EU-Verordnung. Zu Position 3004 gehören neben pflanzlichen Arzneimitteln auch Zubereitungen aus Vitaminen, Mineralstoffen sowie essentiellen Aminosäuren oder Fettsäuren in Aufmachungen für den Einzelverkauf, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

So müssen auf dem Etikett, der Verpackung oder auf dem Beipackzettel spezifische Krankheiten, Leiden oder Symptome aufgelistet sein, bei denen diese Erzeugnisse verwendet werden sollen. Außerdem muss es Angaben zur Konzentration der enthaltenen Wirkstoffe geben, zur zu verabreichenden Menge und zur Art der Anwendung.

Dabei muss für mindestens einen Wirkstoff eine empfohlene Tagesdosis (RDA) angegeben sein, die „deutlich höher“ liegt als die für den Erhalt der allgemeinen Gesundheit oder des allgemeinen Wohlbefindens empfohlene Menge. In den offiziellen Erläuterungen heißt es dazu ergänzend: „Diese Zubereitungen enthalten eine wesentlich höhere Menge an Vitaminen oder Mineralstoffen, im Allgemeinen mindestens dreimal höher als die normalerweise empfohlene RDA.“

Vor dem EuGH ging es um Calcium-Sandoz forte – ein Sonderfall, denn das Präparat ist nicht als Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr, sondern als Arzneimittel zugelassen. Gestritten wurde über die Klassifizierung im Zusammenhang mit der Einfuhr aus der Schweiz; der Konzern hatte anscheinend keine Lust, beim Vorsteuerabzug steuerliche Nachteile hinnehmen zu müssen. Der konzerneigene Lohnhersteller Salutas stritt mit dem Hauptzollamt Hannover; aus seiner Sicht sollte das Produkt entsprechend seines tatsächlichen Verkehrsstatus bewertet werden.

Das Finanzgericht Hamburg (FG) hatte die Sache dem EuGH vorgelegt. Die medizinische Indikation sei unstreitig; fraglich sei jedoch, ob die Dosierung für die Einordnung als Arzneiware ausreichend sei: Für Calcium liege die RDA bei 800 mg; bei ein bis drei Brausetabletten à 500 mg werde das Dreifache also nicht erreicht. Andererseits gebe es Hinweise, dass 2400 mg Calcium pro Tag medizinisch bedenklich seien; es gebe auch gar kein Präparat am Markt mit dieser Dosierung. Wie fix die Grenze also sei, wollten die Hamburger Richter wissen.

Laut EuGH ist die Kommentierung zur NK zwar nicht rechtsverbindlich, aber ein wichtiges Hilfsmittel bei der Auslegung der Vorschriften. In Anbetracht der Formulierung „im Allgemeinen“ müssten Produkte nicht zwingend die dreifache Menge der RDA aufweisen, um als Arzneiware klassifiziert zu werden. Die Differenz von 85 Prozent im konkreten Fall sei genauso gut als „deutlich höher“ zu bewerten.

Im Streit um ein Präparat von Dr. Loges hatte vor einem Jahr der Bundesfinanzhof (BFH) ähnlich entschieden. Damit zeichnet sich jetzt eine einheitliche Rechtsauffassung ab. Während Orthomol die betroffenen Produkte bereits umgestellt hat, könnte bei anderen Herstellern das Finanzamt erst noch vorstellig werden. Loges verhandelt laut Geschäftsführer Andreas Biller gerade mit dem Finanzprüfer und will danach entscheiden.

Betroffen sein könnten auch Hersteller wie Hermes (Biolectra), Verla und Protina (Basica). Während Hermes derzeit die Folgen des Urteils prüft, erklärt eine Protina-Sprecherin, dass „hier an der entsprechenden Stelle alles seinen geordneten Weg geht“. Insbesondere die Intensivkur könnte betroffen sein.

Dass Arznei- und Lebensmittel abweichend von ihrem Status eingestuft werden, ist nicht nur ein Phänomen des Steuerrechts. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OLG) verpflichtete kürzlich das Landesamt für Finanzen, einem Polizisten im Rahmen der Beihilfe die Kosten für Lactostop (Hübner) zu erstatten. Das Laktase-haltige Nahrungsergänzungsmittel sei unabhängig von seinem Verkehrsstatus als Arzneiware einzustufen, weil es nicht der Ernährung diene – sondern die Ernährung ermögliche, hieß es in dem Urteil.

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