Ein Blick in die Kundenkarte, und der Mitarbeiter am HV-Tisch weiß, welche Medikamente der Patient nimmt und welche unerwünschten Wirkungen zu erwarten sind. Doch während die Apotheker ihre Rolle im Bereich Arzneimitteltherapiesicherheit ausbauen wollen, gibt es immer mehr konkurrierende Konzepte. Nicht nur Ärzte und Versandapotheker machen den Pharmazeuten ihre Kompetenz streitig. Der Softwarekonzern CompuGroup Medical (CGM) testet derzeit in Nordrhein-Westfalen (NRW) gemeinsam mit Ärzten ein digitales Arzneimittelkonto, das die Medikation automatisiert überprüft. Apotheken sind nicht mit im Boot.
In die Datenbank des Mutterkonzerns von Lauer-Fischer sollen alle Medikamente eingepflegt werden. Der Arzt kann mit der „CGM Life Key Card“ über die Praxissoftware auf das Arzneimittelkonto zugreifen und es aktualisieren. Außerdem können Diagnosen und Allergien gespeichert werden.
Die Apotheken haben keinen Zugriff auf das System. OTC-Produkte sollen die Patienten selbst eintragen. Dazu erhalten sie von den Medizinern einen persönlichen Schlüssel: Ab Januar können sie vom Computer zu Hause oder mobil per App auf die digitale Akte zugreifen und diese pflegen.
Die Präparate werden mit der Datenbank der CompuGroup-Tochter „ifap Service-Institut für Ärzte und Apotheker“ abgeglichen. Dabei sollen mögliche Interaktionen, Kontraindikationen oder Doppelverordnungen heraus gefiltert werden. Außerdem wird die Priscus-Liste genutzt, um für ältere Menschen ungeeignete Medikamente zu erkennen.
Das Projekt richtet sich an Menschen, die zwischen 50 und 70 Jahre alt sind. Ein halbes Jahr nach dem Start des Modellversuchs beteiligen sich rund 400 Patienten und 30 Hausärzte.
Noch in diesem Jahr will der auf Arzt- und Apothekensoftware spezialisierte Konzern Fachärzte gewinnen. „Dann macht das Projekt erst richtig Sinn, da die Kommunikation zwischen Allgemein- und Fachärzten verbessert wird“, sagt Stephan Haag vom Ärztenetz „Lennetz“.
Derzeit beteiligen sich mehrere Ärztenetze. Bis 2015 sollen rund 3000 Patienten mitmachen. Das Projekt wird von der Landesregierung in NRW unterstützt und von der Universität Bielefeld wissenschaftlich begleitet.
Für die Compugroup ist die elektronische Patientenakte nach Arzt- und Apotheken-EDV das nächste Zukunftsthema: „Viele Aufgaben erledigen wir inzwischen online. Das ist bequem und spart Zeit“, heißt es auf der Website. „CGM gestaltet diese Revolution für die Gesundheit: Mit uns stehen Arzt und Patient über die Praxiswebsite in direktem Kontakt – ob Terminanfrage, Rezepterneuerung, Online-Sprechstunde oder der Abruf von Befunden.“
In Polen ist der Konzern bereits in ein flächendeckendes Projekt für eine webbasierte elektronische Patientenakte (ePA) eingespannt. Das von der Regierung geförderte Modell soll 2014 in ganz Polen starten. Patienten sowie Ärzte, Kliniken, Apotheken, Labore und Kostenträger sollen das System nutzen können.
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