GeloMyrtol vs. Sinupret: Pohl-Boskamp und Bionorica sind im Bereich der Erkältungsmittel seit Langem Konkurrenten. Nun liefern sich die beiden Phytohersteller auch bei Cannabis ein Wettrennen: Während das Unternehmen aus dem bayrischen Neumarkt auf Extrakte setzt, hat man in Hohenlockstedt die Blüten für sich entdeckt.
Die Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) im vergangenen Jahr wurde nicht nur von Patienten euphorisch begrüßt, sondern auch von Lieferanten und solchen, die es werden wollen. Mit der Gesetzesänderung stellte sich schnell die Frage, woher Medizinalhanf bezogen werden kann. Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll eine Cannabisagentur eingerichtet werden, die den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland steuern und kontrollieren soll. Doch noch läuft das Ausschreibungsverfahren, deutsches Cannabis wird voraussichtlich erst ab 2019 verfügbar sein.
Bis dahin werden Cannabis-Blüten entweder aus den Niederlanden oder aus Kanada importiert. Infrage kommen Sorten des niederländischen Herstellers Bedrocan sowie der beiden kanadischen Hersteller Tweed und Peace Naturals. Zu den Importeuren der Cannabisblüten gehören unter anderem ACA Müller ADAG Pharma, Spektrum Cannabis, Cannamedical sowie Branchenprimus Pedanios, der zum kanadischen Hersteller Aurora Cannabis gehört.
Neu in der Liste der Importeure ist seit vergangenem November Pohl-Boskamp. Der Hersteller ist in der Apotheke für Präparate wie GeloMyrtol forte, GeloRevoice oder Nyda bekannt ist. Geschäftsführer Dr. Thomas Höppner beurteilt den Wandel der gesetzlichen Regelungen: „Mit der Gesetzesänderung, wonach schwerkranke Patienten auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung auch mit hochwertigen Cannabis-Arzneimitteln versorgt werden können, ist ein Schritt in der Therapiealternative vollzogen worden.“ Cannabis sei für manche schwer kranke Patienten das einzige Therapiemittel, das ein Leben noch erträglich machen könne. „Es geht um Hilfe für Menschen in Ausnahmesituationen.“
Der Hersteller aus dem schleswig-holsteinischen Hohenlockstedt importiert Cannabisblüten von Peace Naturals. Das Produktsortiment umfasst sechs Sorten, die sich in der Zusammensetzung des Gehalts an Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) unterscheiden. Dazu gehören Peace Naturals 10/10, 18/1, 20/1, 22/1, 24/1 und 26/1. „Durch die steigende Nachfrage und das geringe Angebot an Lieferanten ist medizinisches Cannabis zurzeit in Deutschland knapp“, erklärt Höppner.
Deshalb könnten Apotheken aktuell nur mit der Sorte Peace Naturals 20/1 beliefert werden. Pohl-Boskamp habe jedoch das Ziel, die Versorgungslage zu verbessern. Apotheken müssten die Möglichkeit haben, ausreichend medizinisches Cannabis zu beziehen, um alle Patienten, für die Cannabis die einzige Therapieoption darstellt, zu versorgen. „Darum haben wir uns entschlossen, das aufwendige Zulassungsverfahren für die Einfuhr von Cannabisblüten zu durchlaufen, einen geeigneten Partner auszuwählen und Medizinalcannabis von Peace Naturals aus Kanada zu beziehen“, so Höppner.
Bionorica ist hierzulande der führende Anbieter der natürlich und synthetisch hergestellten Rezeptursubstanzen. Das Unternehmen distanziert sich jedoch vom Einsatz der Blüten. Laut Firmenchef Professor Dr. Michael Popp gibt es dabei zu viele Unwägbarkeiten. Er hofft, dass die Ärzte zu den standardisierten Präparaten greifen und Bionorica etwa die Hälfte der Patienten mit Extrakt oder Dronabinol versorgen kann. Neben Bionorica bietet auch Tilray cannabishaltige Extrakte an.
APOTHEKE ADHOC Debatte