Apotheken, Arztpraxen und auch die Behörden bereiten sich auf die steigende Zahl an Affenpocken-Fällen vor. Der Hersteller des Pockenimpfstoffes, Bavarian Nordic, registriert auch hierzulande eine steigende Nachfrage nach Imvanex. Während das Produkt in den USA und Kanada für die Behandlung der Affenpocken zugelassen ist, ist hierzulande nur ein Off-Label-Use möglich.
Das Robert Koch-Institut (RKI) erwartet nach den ersten bestätigten Affenpocken-Fällen in Deutschland weitere Infektionen. Auch bei Bavarian Nordic spürt man die gestiegene Nachfrage: „Wir registrieren eine große Anzahl von Anfragen“, sagt Rolf Sass Sørensen, Vice President Investor Relations. Dabei handele es sich um Arztpraxen und auch um Apotheken. Das Unternehmen stehe zudem bereits in Kontakt mit den deutschen Gesundheitsbehörden.
Bavarian Nordic ist laut eigenen Angaben der führende Anbieter von Impfstoff gegen Pocken und Affenpocken. „Wir wollen so gut wie möglich dabei mitwirken, bei den Ausbrüchen in den betroffenen Ländern zu helfen“, sagt er. In Großbritannien etwa empfehle die Regierung Homo- und Bisexuellen bereits, die Viruserkrankung im Blick zu haben und sich zu impfen.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) listet als verfügbaren Pocken-Impfstoff Imvanex. Er kann ab einem Alter von 18 Jahren gegeben werden. Der Impfstoff enthält eine lebende, modifizierte Form des Vacciniavirus Ankara. Dieser Erreger ist mit dem Pockenvirus verwandt. Nach der Injektion löst das Vakzin keine Erkrankung aus. Es ist nicht bekannt, wie lange die Schutzwirkung anhält.
Mit einem europäischen Land schloss das im NASDAQ-gelistete Unternehmen vergangene Woche im Zusammenhang mit dem Auftreten neuer Affenpocken-Fälle einen Kaufvertrag über eine bestimmte Menge an Dosen von Imvanex ab. Um welches Land und um wie viele Dosen es sich handelt, wird nicht mitgeteilt. Generell würden jährlich zwischen vier und sieben Millionen Dosen in Dänemark hergestellt. In den vergangenen zwei Jahren seien die Zahlen pandemiebedingt allerdings „limitiert“ gewesen.
Affenpocken seien eigentlich endemisch in Afrika, sagt Sørensen. 2021 habe es einige Fälle in Europa – in Großbritannien und Israel gegeben, die jedoch alle auf Reisen nach Nigeria zurückzuführen gewesen seien. „Jetzt geht das Reisen wieder los, Abstandsregeln sind gelockert und das Nachtleben wieder eröffnet.“ Diese Viruserkrankung könne sich sehr schnell ausbreiten, warnt er.
„Wir haben jetzt eine komplett unterschiedliche Situation.“ Die jüngten Fälle gingen nicht auf Ansteckungen durch Reisen, sondern auf Übertragungen von Mensch zu Mensch zurück. Bavarian Nordic sei derzeit damit beschäftigt, den Vorrat an Pockenimpstoff zu erhöhen.“ Wie viel Dosen derzeit vorrätig sind, will Sørensen nicht kommentieren.
Wir können aber nicht einen Vorrat für die gesamte Welt liefern
Das Unternehmen mit Hauptsitz in Hellerup bei Kopenhagen ist seit etwa 25 Jahren auch in Deutschland aktiv. In München befinden sich die Forschungseinrichtungen. Hergstellt wird in Dänemark. Zum Portfolio gehören auch der Tollwut-Impfstoff Rabipur, Encepur gegen Frühsommer-Hirnhautentzündung (FSME) und der Ebola-Impfstoff MVABEA, der an Janssen auslizenziert ist. In den USA und in Kanada ist der Pockenimpfstoff unter den Namen Jynneos beziehungsweise Imvamune zugelassen. Forschungen zu Impfstoffen gegen Covid-19 und das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) befänden sich in der Studienphase 3.
Anfang 2021 wurde in drei europäische Länder Pockenimpfstoff im Wert von 90 Millionen Dänische Kronen (umgerechnet rund 12 Millionen Euro) geliefert. Von dem im vergangenen Jahr erzielten Gesamtumsatz in Höhe von umgerechnet rund 255 Millionen Euro entfällt mit knapp 100 Millionen der Großteil auf das Geschäft mit Imvanex/Jynneos. Größte Abnehmer von Bulkware und des gefrorenen Impfstoffes sind die USA.
Deutschland ist für den Hersteller der größte europäische Markt. Seit Anfang 2022 vertreibt Bavarian Nordic die Valneva-Impfstoffe gegen Japanische Enzephalitis (Ixiaro) und Cholera (Dukoral). In diesem Jahr soll hierzulande auch der Hepatitis B-Impfstoff von Dynavax – Heplisav-B – vermarktet werden. Das Produkt sei das einzige zwei-Dosen-Präparat auf dem Markt.
CEO Paul Chaplin sagte zu den aktuellen Affenpockenfällen: „Während die vollständigen Umstände rund um die aktuellen Affenpockenfälle in Europa noch aufgeklärt werden müssen, erfordert die Geschwindigkeit, mit der sich diese entwickelt haben, kombiniert mit der Möglichkeit, dass Infektionen über den ursprünglichen Fall hinaus unentdeckt bleiben, ein schnelles und koordiniertes Vorgehen der Gesundheitsbehörden.“ Die Infektionskontrolle habe zuletzt während der Pandemie hohe Priorität gehabt. „Und diese Situation ist eine unglückliche Erinnerung daran, dass wir unsere Wachsamkeit nicht aufgeben dürfen, sondern unsere Abwehrbereitschaft für Infektionskrankheiten weiter ausbauen und stärken müssen, um die Welt offenzuhalten.“
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