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Pixi-Bücher: Arzneimittelwerbung am Kind?

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Berlin -

Wer sich Kinder als Zielgruppe von Werbemaßnahmen aussucht, bewegt sich auf dünnem Eis. Kinder gelten als besonders schutzbedürftig, weil sie noch sehr leicht formbar sind und oft noch nicht den Horizont haben, um Werbung als solche zu erkennen. Geht es dabei um den hoch regulierten Markt für Arzneimittel und Medizinprodukte, ist die Skepsis umso größer. Der Hamburger Carlsen-Verlag bietet einen dezenten, aber nicht ganz unumstrittenen Weg, die Zielgruppe anzusprechen: Die bekannte Pixi-Kinderbuchreihe bietet allerlei Unternehmen und Verbänden an, eine Sonderausgabe als Werbeträger zu verlegen – auch Arzneimittelherstellern.

„Letizia mag ihre Haut“ klingt erst einmal wenig inkriminierend. In dem 24-seitigen Büchlein wird kindergerecht die Geschichte eines Mädchens erzählt, das an Neurodermitis leidet. Die Krankheit wird in einfachen Worten anhand eines Turms aus Bauklötzen erklärt: Die Haut ist wie eine Mauer und wenn die Steine nicht richtig aufeinander sitzen, kann etwas eindringen, zum Beispiel Pollen oder Milben. „Zum Glück lässt sie sich reparieren, indem sie jeden Tag eingecremt wird. So hat sie weniger Löcher und ist besser geschützt“, heißt es im Pixi-Buch. Erst auf der allerletzten Seite fällt zumindest dem erwachsenen Betrachter auf, dass es sich nicht um eine „normale“ Ausgabe aus der Kinderbuchreihe handelt. Sie ist eine Auftragsarbeit von Leti Pharma.

Unbedarfte Betrachter dürften das auch nicht vermuten. Denn die 10 mal 10 Zentimeter großen Softcoverbüchlein sind seit Jahrzehnten eine Institution in der Kinderbetreuung. Seit 1954 gibt sie der Hamburger Carlsen Verlag heraus und die Gesamtauflage ist beeindruckend: 460 Millionen Exemplare, durchschnittlich zwölf Millionen im Jahr. 60 verschiedene Pixi-Titel werden jährlich verlegt, mehr als einer pro Woche also. „Damit ist Pixi die erfolgreichste Bilderbuch-Reihe aller Zeiten“, so Carlsen.

Der Verlag scheint also nicht unbedingt auf jeden Cent angewiesen. Dennoch hat er sich im Laufe der Jahre eine zusätzliche Einnahmequelle erschlossen: Kinderbücher als Werbeträger. 1992 war der Zahnpastahersteller Theramed mit der Idee einer Sonderproduktion an den Verlag herangetreten. Unter dem Titel „Das Zahnputzfest am Nil“ folgte die erste Sonderausgabe für ein Wirtschaftsunternehmen. „Seitdem hat sich der Bereich Sonderproduktion von Jahr zu Jahr erfolgreich weiter entwickelt, und inzwischen wurden bereits an die 150 Titel in den Formaten Pixi und Pixi Wissen produziert“, schreibt Carlsen. Wie viele genau es sind, kann das Unternehmen gar nicht sagen, da die Zahl nicht gesondert erfasst wird, wie eine Sprecherin auf Anfrage einräumt.

Unter den Sonderausgaben finden sich Büchlein für Industrieunternehmen, Vereine, Berufsverbände, staatliche und kommunale Projekte und Ministerien gleichermaßen. Besonders beliebt sind Berufe. „Ich hab einen Freund, der ist…“ beginnt der Titel dann stets. Es folgen: Pilot, Koch, Busfahrer, Kachelofenbauer. 2006 war dann auch die ABDA am Zug. Gemeinsam mit Hersteller Stada finanzierte sie die Ausgabe „Ich hab eine Freundin, die ist Apothekerin“. Und man dürfte den Band in der ABDA-Presseabteilung gern gelesen haben: Die kleine Pia bedankt sich mit einem selbst gemalten Sommerbild bei der Apothekerin für die Medikamente, die gegen ihr Fieber geholfen haben. Daraufhin macht sie ein Tagespraktikum in der Apotheke, bei dem ihr von der Warenwirtschaft über die Rezeptur bis zum Nacht- und Notdienst alles erklärt wird, natürlich nicht ohne das dazugehörige Framing.

Die Markenwerbung für Stada kommt dabei ebenfalls nicht zu kurz: Auch wenn keine Klarnamen zu lesen sind, kann man ohne Weiteres an den Arzneimittelpackungen und der Ware in der Sichtwahl erkennen, wessen Designs da zitiert werden. Auch dass der Sonnencreme-Aufsteller wie eine große Ladival-Flasche aussieht, dürfte kein Zufall sein. Zumindest bei der kleinen Heldin des Buchs verfängt die Werbung für den Beruf: „Wenn ich groß bin, will ich auch Apothekerin werden“, sagt sie.

Gute Imagearbeit für den Berufsstand, mag man sagen. „Eine besondere Gewichtung fällt auf die Nachwuchsförderung“, drückt es der Verlag aus. Den zahlenden Verbänden solle so geholfen werden, „Kinder und junge Menschen für Gewerke und ausgefallene Berufe zu begeistern“. Auch Integritas, laut Eigenbezeichnung „Verein für lautere Heilmittelwerbung“, kann daran nichts aussetzen. „Dass man einen Beruf vorstellt, ist natürlich nicht verwerflich“, sagt dessen Sprecherin. „Problematisch wird es erst dann, wenn konkret für ein Arzneimittel geworben wird.“

Doch diese Klippe umschifft der Carlsen Verlag geschickt – Marken und Produkte werden nicht offen gezeigt, sondern angedeutet, die Designs werden in ihren Grundmustern dargestellt. Der Wiedererkennungswert und die Bindung an die Marke werden so gezielt auch bei einem jungen Publikum gefördert. Der Verlag sieht dennoch die Story im Vordergrund: „Es ist immer wichtig, dass eine gute Kindergeschichte erzählt wird, die auch Wissen vermittelt“, erklärt eine Unternehmenssprecherin. „Und dass Themen verhandelt werden, die im Kinderalltag relevant sind.“

Das können dann auch Allergien sein, wenn beispielsweise ein auf Antiallergika spezialisierter Biopharmazeutikahersteller wie Stallergenes eine Ausgabe kauft. Da wird dann in der Ausgabe „Paul und die Pollen“ auch offen auf die Seite des Deutschen Allergie-und Asthmabundes verwiesen – und mit Foto-Screenshot im Comic. Die Liste von Unternehmen aus der Gesundheitsbranche lässt sich noch fortsetzen, sei es mit Orthomol („Gesund essen und trinken“), Beiersdorf („Ein Fall für Nobbi“) oder Sanostol („Hörst du auch das Gras wachsen?“). Auch die Schweizer TopPharm-Apotheken haben sich schon eine Pixi-Ausgabe gegönnt.

Wer sein Image bei der jungen Zielgruppe aufpolieren darf, will man bei Carlsen aber weiter selbst entscheiden. „Der Carlsen Verlag behält sich die Auswahl der Unternehmen vor“, auch wenn sich die Unternehmen an den Verlag wenden, nicht umgekehrt. Befindet der Verlag sie als passend, gibt es das Angebot zu relativ festen Konditionen, aber mit Preis auf Verhandlungsbasis. 30.000 Stück Mindestauflage, Mindestnachdruckauflage 10.000. Für den Werbeeindruck kann das Unternehmen zwischen den Umschlagseiten drei und vier wählen. „Es wird immer transparent gemacht, dass es eine Sonderproduktion ist und für wen diese erstellt wurde“, beteuert der Verlag, „Die Bücher sind nicht käuflich im Handel zu erwerben, sondern werden über die Stiftung, den Verband oder das Unternehmen kostenlos verteilt.“ Wer sie trotzdem verkaufen möchte, muss sich zumindest an die Buchpreisbindung halten: 99 Cent pro Band.

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