Phytopharmaka

Schwabe stoppt Drogerie-Ginkgo

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Berlin -

Die gängigen Ginkgo-Präparate müssen möglicherweise aus der Drogerie verschwinden. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) sind Produkte mit 100 mg Extrakt als Nahrungsergänzungsmittel nicht verkehrsfähig, da sie eine pharmakologische Wirkung haben. Vielmehr stellen sie apothekenpflichtige Arzneimittel dar, die eine entsprechende Zulassung benötigen.

Im konkreten Fall ging es um das Präparat „Klosterfrau Ginkgo Plus“. Der enthaltene Ginkgo-Extrakt habe pharmakologische Wirkungen vergleichbar mit dem Extrakt in einem zugelassenen Arzneimittel, so die Richter. Daher wurde dem Kölner Hersteller untersagt, das Produkt weiter als Nahrungsergänzungsmittel in Verkehr zu bringen und zu bewerben.

Nahrungsergänzungsmittel mit Vitaminen und Mineralstoffen, die mit pflanzlichen Bestandteilen wie Ginkgo kombiniert sind, sind von vielen Herstellern erhältlich. Teilweise werden sie mit starken Wirkversprechen zur Verbesserung von Konzentration und Gedächtnis vermarktet. Auch das OLG Hamm hat sich in einem langen Prozess intensiv mit der Problematik der Abgrenzung auseinander gesetzt.

Das bereits im November verkündete Urteil wird nun vollstreckt. Erste Konsequenzen sind bereits sichtbar: Anbieter wie dm kennzeichnen das aktuelle Produkt von Klosterfrau auf der Homepage als „Nicht mehr im Verkauf“. Auf der Webseite von Klosterfrau ist das Ginkgo-Produkt nicht mehr aufgeführt.

Das Urteil wird als richtungsweisend angesehen, da künftig nicht mehr nur das Klosterfrau-Produkt, sondern auch alle anderen Nahrungsergänzungsmittel mit entsprechenden Ginkgo-Extrakten nicht mehr verkehrsfähig sind und daher außerhalb der Apotheke in Drogerie und Lebensmitteleinzelhandel nicht mehr vertrieben werden dürfen.

Bereits seit Jahren führt Schwabe verschiedene Verfahren gegen die Anbieter; in der Vergangenheit war der Tebonin-Hersteller stets bemüht, die Wirksamkeit in Frage zu stellen. Vor Gerichten in Hamburg und Düsseldorf konnte sich der Phytospezialist nicht gegen Queisser durchsetzen: Der Konkurrent hatte seine Claims zu „Doppelherz aktiv Ginkgo + B-Vitamine + Cholin“ aus den anderen Bestandteilen abgeleitet.

Der Tebonin-Hersteller fand dies irreführend, da die Eigenschaften vom Verbraucher schnell dem enthaltenen Ginkgo-Extrakt zugeschrieben würden. Es sei aber nicht belegt, dass Ginkgo in der Dosierung von 100 mg täglich eine positive Wirkung habe, so das Argument. Das LG Düsseldorf folgte dem nicht. Das OLG Düsseldorf wollte vor seiner Entscheidung zunächst die Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs (BGH) im Streit um Rotbäckchen abwarten.

Schwabe hatte Tebonin 1965 auf den Markt gebracht; schon in den 1950er Jahren hatte das Familienunternehmen begonnen, die damals in der Heilkunde völlig unbekannte Pflanze aus China wissenschaftlich zu untersuchen. Während Ärzte die durchblutungsfördernde Wirkung erforschten, suchten die Technologen nach einem Verfahren, um einen möglichst verträglichen Auszug zu gewinnen.

Im vergangenen Jahr verlor Tebonin sein wichtigstes Alleinstellungsmerkmal: Seit das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eine Monographie zu der Arzneidroge verabschiedet hat, können alle Hersteller, die dieselben Pflanzenarten und -teile verwenden und sich bei der Extraktion an die Vorgaben halten, sich bei ihrem Zulassungsantrag auf den Standard beziehen. Da parallel auch verschiedene Patente zum Extraktionsverfahren abgelaufen sind, ist das Original faktisch nicht mehr geschützt.

Auf dieser Grundlage konnten Aliud und Stada, Heumann sowie Queisser unter seiner Apothekenmarke Doppelherz System entsprechende Varianten auf den Markt bringen.

Von den zuletzt 195 Millionen Euro Umsatz auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) entfallen 46 Prozent auf Tebonin. Neben den Varianten mit 40, 80 und 120 mg gibt es seit 2008 „Tebonin konzent“ mit 240 mg und seit 2013 „Tebonin 120 mg bei Ohrgeräuschen“. Laut Insight Health ist Tebonin die Nummer 2 unter den OTC-Produkten im Versandhandel; fast ein Viertel des Umsatzes entfällt bei dem Schwabe-Produkt auf diesen Vertriebskanal.

Gingium (Hexal) kommt auf 31 Prozent, Ginkobil Ratiopharm auf 16 Prozent und Ginkgo-Maren (Krewel Meuselbach) auf 3 Prozent. Der Rest verteilt sich auf Produkte wie Binko (Neuraxpharm), Gingiloba (1A), Ginkgo Sandoz, Kaveri (Klosterfrau) und die Schwabe-Zweitmarken Rökan und Craton.

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