PharmaVP: Vergleichsportal für Apotheken APOTHEKE ADHOC, 25.06.2020 09:01 Uhr
Marketplaces sind mittlerweile in den meisten Branchen üblich, in den Apotheken hingegen sind sie noch nicht angekommen. Ein ehemaliger strategischer Einkäufer des Spezialgroßhändlers Megapharm will das nun ändern: Mit PharmaVP hat Carsten Schlechter eine Plattform gebaut, mit der er Apotheken helfen will, ihre Margen zu verbessern. Für die Apotheken ist das Angebot kostenlos, er will sich über Provisionen von Händlern und Herstellern finanzieren.
Der Gedanke ist naheliegend: „Das Problem für die Apotheken ist, dass sich die Margen in den vergangenen Jahren nicht verbessert haben, aber gleichzeitig durch neue Regulierungen, das E-Rezept und so weiter neu Kosten hinzukommen“, sagt Schlechter. Die Margen zu optimieren, wird deshalb immer wichtiger – also sollten Apotheken ein Tool haben, mit dem sie einfach und schnell Anbieter vergleichen können, dachte sich der studierte Gesundheitsökonom. „Eine Apotheke kann sich aus Zeit- und Kostengründen in der Regel nicht den Aufwand leisten, viele verschiedene Hersteller, Händler und Großhändler zu vergleichen“, sagt Schlechter. „Diesen Vergleich übernimmt PharmaVP. Meines Wissens nach gibt es ein solches Konzept im Apothekenwesen noch nicht.“
Pharma Mall beispielsweise erstelle lediglich Onlineshops für die jeweiligen Hersteller – weil die Industrie das wünscht. In anderen Kategorien gibt es unter Umständen mehrere Anbieter, aber keine Vergleichsmöglichkeit. „Wenn ich von einem bestimmten Händler etwas haben will, gehe ich in dessen Onlineshop, kann dort dessen Angebote aber nicht mit den Konkurrenzprodukten vergleichen“, so Schlechter.
Sein Portal hingegen soll das können: Es funktioniert wie ein Preisportal à la Check24, nur dass die Endkunden keine individuellen Verbraucher sind, sondern Apotheken. Die sollen bei den verschiedenen Anbietern vor allem OTC-Produkte vergleichen können, den Handel mit Rx-Produkten schließe er aber nicht grundsätzlich aus. „Das System ist denkbar einfach: Man gibt in die Suchmaske den Namen oder die PZN des Arzneimittels ein und kriegt dann die verschiedenen Anbieter mit den jeweiligen Konditionen angezeigt“, erklärt Schlechter. „Ich habe die Hoffnung, dass die Apotheken damit ihre Margen aufbessern können.“
Für die Apotheken sei Anmeldung und Nutzung kostenlos, Gewinn will Schlechter über Provisionen generieren, die die Händler an ihn abführen. Händler können Produkte einzeln anlegen, aber auch über einen CSV-Import alle Artikel automatisiert importieren. „Damit haben sie tausende Artikel innerhalb weniger Sekunden auf der Seite“, sagt er. Anders als auf den gängigen Marktplatz-Portalen in anderen Branchen kann bei PharmaVP natürlich nicht jeder kaufen oder verkaufen. „Der Vorteil ist, dass jeder angemeldete Benutzer vom Portalbetreiber verifiziert wurde. Jeder Käufer oder Verkäufer kann sich also darauf verlassen, dass die Vertragspartner in Deutschland zugelassen sind, mit Arzneimitteln handeln dürfen und dass nur Apotheken und Krankenhäuser die Produkte beziehen“, so Schlechter.
Er selbst musste sich für das Portal nicht als Arzneimittelvermittler registrieren lassen. Er habe zur zuständigen Bezirksregierung Köln Kontakt aufgenommen, die sei jedoch zu dem Schluss gekommen, dass er nicht angezeigt werden müsse, da die Geschäftsbeziehungen lediglich zwischen Apotheke und Großhändler zustande kommen.
Richtig durchgestartet ist PharmaVP noch nicht, es sind erst zwei Händler und wenige Apotheken an Bord. Das liege aber vor allem daran, dass er mit dem Timing Pech hatte: Im November machte er sich mit der Idee selbstständig und baute das Portal in Eigenregie auf. Am 1. April ging es ans Netz – auf dem Höhepunkt der Coronakrise. „Es ist sehr schwer, unter solchen Bedingungen Kaltakquise zu machen“, sagt Schlechter. „Meetings kommen nicht zustande, Apotheken und Unternehmen sind übervorsichtig und hatten zu der Zeit schlicht andere Sorgen.“ Doch er zeigt sich optimistisch, dass mit einer Entspannung der Pandemiesituation auch die Akquise einfacher wird.
Zwischen- und Graumarkthändler allerdings sollen draußen bleiben. Er hoffe, die im Rahmen der vorherigen Prüfung aussieben zu können. „Sollte ein Apotheker dennoch versuchen, ein gekauftes Arzneimittel wieder zurück in den Markt zu bringen oder zu exportieren, lässt sich das unzulässige Gebaren zu einem späteren Zeitpunkt lediglich über ein Benchmark vermuten“, sagt Schlechter. Doch wie viele potentielle Kunden auf Händlerseite bleiben dann noch? Schlechter betont, dass es Deutschland über 2000 Unternehmen gebe, die über eine Großhandelserlaubnis verfügen, von denen jedoch viele nicht im interessanten Arzneimittelhandel aktiv tätig sind.
„Ich habe den präsumtiven Anteil an potenziellen Unternehmen zu Beginn auf unter 15 Prozent geschätzt, die erstens dafür geeignet erscheinen und zweitens sich von den Vorteilen eines elektronischen Marktplatzes überzeugen lassen“, sagt er. „Zu berücksichtigen ist aber, dass diese Firmen in der Anfangsphase vermutlich nicht ihr gesamtes Sortiment oder ihren gesamten Umsatz über PharmaVP abwickeln werden.“
Er gehe allerdings auch davon aus, dass sich sowohl die Umsätze als auch die Anzahl der Firmen durch permanente Kundenakquisition kontinuierlich steigern lassen. „Vor allem bestärkt mich ein heutiges Gespräch mit einem der großen, vollsortierten Großhändlern in meiner Annahme. Dieser sieht in diesem Portal keine Konkurrenz, sondern die Möglichkeit neue Kunden zu gewinnen.“
Ein ähnliches Portal hatte übrigens vor einigen Jahren ein Berliner Apotheker mit Apolino aufgezogen. Hier sollten die Apotheken die Möglichkeit bekommen, über ein Portal direkt bei den Herstellern einzukaufen – auch Sonderangebote. Zwar konnte das Portal schnell eine Reihe von Industriepartnern gewinnen, eine breite Verbreitung bei den Apotheken gelang aber nicht.