Es gab eine Zeit, da musste der Münchener Hersteller PharmaSGP sich seine Umsätze mit massiver TV-Werbung regelrecht „erkaufen“. Das hat sich längst geändert. Auch wenn das Unternehmen immer noch zu den größten Werbetreibenden im Land gehört – die Phase der reinen Pull-Strategie ist längst vorbei: Marken wie Restaxil, Rubaxx und Taumea sind heute in fast jeder Apotheke zu finden – und erfreuen sich, zur Überraschung der einstigen Skeptiker, großer Beliebtheit.
2009 gegründet, fallen PharmaSGP und die auf Dermatika spezialisierte Schwesterfirma Remitan Jahr für Jahr durch ihre hohen Wachstumsraten auf. Inklusive Auslandsgeschäft kommt die Gruppe seit 2012 auf ein durchschnittliches jährliches Plus von satten 60 Prozent. Auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) wurden 2018 Erlöse von rund 100 Millionen Euro eingefahren, ein Viertel davon bereits in Ländern wie Italien, Frankreich, Spanien, Österreich und Benelux.
Aber was macht die Gruppe aus, deren Produkte mittlerweile zwar in weit mehr als 90 Prozent der Apotheken vorrätig sind, deren Name aber auch in Fachkreisen kaum bekannt ist? „Wir sind auf natürliche Arzneimittel spezialisiert, mit einem Fokus auf den Bereich Schmerz“, sagt Firmenchefin Natalie Weigand. „So profitieren wir vom allgemeinen Trend hin zur natürlichen Medizin.“
Zum Erfolgsrezept gehört aber auch, dass man bei PharmaSGP keinen Trends hinterher läuft, sondern lieber selbst welche schafft. Wie kaum ein anderer OTC-Hersteller versteht das Münchener Unternehmen es, Nischen zu identifizieren und mit passenden Produkten zu besetzen. Nicht selten stammen die Zulassungen aus den Archiven alteingesessener Pharmafirmen; mit Fantasie und handwerklichem Geschick werden sie bei PharmaSGP zu neuem Leben erweckt.
Die meisten Produkte des Herstellers gehören heute zu den Marktführern in ihren jeweiligen Indikationen: Restaxil ist Nummer 1 bei neuropathischen Schmerzen, Rubaxx bei rheumatischen Schmerzen. Taumea ist nach Vertigoheel (Heel) die Nummer 2 bei der Selbstmedikation von Schwindelbeschwerden, Fulminan kommt nach Branchenprimus Elasten (Quiris) unter den Kollagendrinks gegen Cellulite und Falten. Deseo und Neradin halten gleich beide Spitzenplätze unter den OTC-Arzneimitteln bei sexueller Schwäche.
Natürlich war der Weg zum Erfolg auch mit Rückschlägen gepflastert; Neodolor als „grüne Kopfschmerztablette“ etwa gehört zu den Flops – wohl auch weil das Einsatzgebiet nicht spitz genug umrissen wurde und der Kreis der Anwender zu undifferenziert war. Doch Weigand ärgert sich nicht allzu lange über solche Fehlgriffe. „Das Wichtigste ist doch, dass sich unsere Erfolgsquote insgesamt sehen lassen kann. Das Besondere bei PharmaSGP ist eben, dass unser Team nach vorne denkt“, beschreibt sie das „besonders innovative Klima“ bei PharmaSGP.
Die Betonung des Teams kommt nicht ungefähr. Denn auch die Zeit, in der PharmaSGP eine reine One-Man-Show war und alle Fäden bei Firmengründer Dr. Clemens Fischer zusammenliefen, ist vorbei. Seit zwei Jahren leitet eine Doppelspitze die Firmengruppe: Weigand kam ursprünglich von Johnson & Johnson und war in München zunächst für die mittlerweile verkauften Top-Seller Lactostop und Yokebe verantwortlich. Michael Rudolf, für Finanzen und Unternehmensentwicklung zuständig, hatte lange für McKinsey und war danach bei Weltbild und Media-Saturn für Übernahmen zuständig.
Die beiden kennen das Geschäft aus dem Eff-eff. Sie wissen, an welchen Stellschrauben sie drehen müssen, um ein Produkt erfolgreich zu machen. Anders lässt es sich wohl nicht erklären, dass PharmaSGP trotz exorbitanter Werbeausnahmen seit Jahren hochprofitabel ist – und das auch ohne Media-Partnerschaft mit ProSiebenSat.1.
Was man bei PharmaSGP lange unterschätzt hat, war die Bedeutung der Apotheke für das Geschäft. Doch auch dieses Versäumnis hat das Unternehmen mit der Gründung eines eigenen Außendienstes aufgeholt. „Wir haben anfangs gedacht, dass wir in der Apotheke nicht willkommen sind, doch tatsächlich laufen wir offene Türen ein“, sagt Weigand. Jeweils 30 Mitarbeiter besuchen heute bundesweit die Apotheken und Arztpraxen, nicht viele Hersteller sind noch mit so viele Manpower unterwegs.
Die Millioneninvestition zahlt sich aus, ein zunehmender Anteil an Verkäufen geht auf Empfehlung in der Apotheke zurück: Rubaxx, Taumea und Mindalin liegen laut GfK-Erhebung mit Quoten von 22, 24 und 33 Prozent deutlich über dem Durchschnitt von 13 Prozent. „Die meisten Apotheker und PTA haben mittlerweile erkannt, dass unsere Produkte keine vorübergehende Modeerscheinung sind“, interpretiert Weigand die Zahlen.
Mit einer GfK-Analyse will die Firmenchefin auch das Argument ihrer Kritiker entkräften, dass die oft homöopathischen Produkte wegen ihrer zugespitzten Werbeversprechen nur einmal gekauft würden und dann nie wieder. Insbesondere Restaxil und Rubaxx hätten mit 46 bis 91 Prozent je nach Produktvariante deutlich höhere Stammkäuferquoten als beispielsweise die Schmerzcremes von Doc oder Proff mit 39 beziehungsweise 33 Prozent. Die Homöopathie-Debatte hat PharmaSGP unbeschadet überstanden, auch weil man clever genug war, den Status nicht in den Vordergrund zu stellen: „Wir wachsen ungebremst.“ Laut Weigand ist die Pipeline gut gefüllt; noch in diesem Jahr sollen neue Produkte auf den Markt kommen.
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