Die „Panama Papers“ haben das Problem der Steuerflucht zurück ins öffentliche Bewusstsein geholt. Doch nicht nur Privatpersonen haben Briefkastenfirmen in Steueroasen. Seit Jahren fordern Experten, den legalen Steueroptimierungsmodellen der globalen Großkonzerne einen Riegel vorzuschieben. Jetzt macht die US-Regierung ernst – und bedroht damit den größten Pharmadeal überhaupt.
Seit Jahren müssen die US-Steuerbehörden zusehen, wie Großkonzerne ihren Sitz ins Ausland verlegen und so den Staat um Milliardeneinnahmen bringen. Valeant ging nach Kanada, Mylan zog es in die Niederlande, oft zieht es die Firmen aber nach Irland. Die jüngste Übernahmewelle im Pharmabereich fußt ganz wesentlich auf Finanzierungsmodellen, die zu Lasten des Steuerzahlers gehen.
Erwirtschaftet ein US-Unternehmen Gewinne im Ausland, ist es meist ratsam, diese nicht an die Zentrale in den USA zu transferieren, um den dort üblichen Steuersatz von 35 Prozent zu vermeiden, auch wenn dieser durch legale Sparmodelle meist auf 20 bis 30 Prozent gedrückt werden kann. So konnten die Konzerne Steuern sparen, indem sie mit dem im Ausland angesparten Vermögen andere Firmen aufkauften – und anschließend ihren Firmensitz gleich ins Exil verlegten. In den vergangenen Jahren hat es zahlreiche solcher „Tax Inversion Deals“ gegeben.
Das US-Finanzministerium hatte bereits mehrfach die Daumenschrauben angezogen, um es US-Konzernen schwerer zu machen, ihre Konzernzentrale in Länder mit niedrigeren Steuersätzen zu verlagern. Abbvie musste die geplante Shire-Übernahme platzen lassen, nachdem die US-Behörden im September 2014 neue Steuerregeln eingeführt hatten. Der Konzern hätte durch einen Umzug nach Irland seine jährliche Steuerquote um bis zu 7 Prozent reduzieren können – stattdessen mussten nun 1,6 Milliarden Dollar als Entschädigung an Shire überwiesen werden. Das wiederum ermöglichte dem britischen Hersteller, ein Angebot für Baxalta vorzulegen.
Jetzt hat US-Finanzminister Jack Lew weitere Maßnahmen angekündigt, mit denen die Steuerflucht verhindert werden soll. Zinsen auf Kredite innerhalb der Konzerne, die sich nicht rechtfertigen lassen, sollen nicht mehr in dem Maße anerkannt werden wie bisher. Außerdem sollen Steuervorteile nicht mehr geltend gemacht werden können, wenn die Größenverhältnisse nicht stimmen.
Das stellt den bislang größten Pharmadeal überhaupt in Frage. Pfizer will Allergan für rund 160 Milliarden US-Dollar übernehmen; früheren Berichten zufolge sollen sich bei ausländischen Tochterfirmen des Viagra-Herstellers rund 70 Milliarden Dollar angesammelt haben, die bei einer Gewinnausschüttung in den USA besteuert würden. Durch ein geschicktes Fusionsmodell würden die Pfizer-Aktionäre nach der Fusion 56 Prozent an der bisherigen Dachgesellschaft von Allergan mit Sitz in Irland halten.
Nach den neuen Plänen der US-Regierung würde der Deal gleich an verschiedenen Stellen torpediert. So könnten der bisherigen Fusionen von Allergan nicht in vollem Umfang steuerlich anerkannt werden, wodurch der rechnerische Anteil der Pfizer-Aktionären am neuen Gesamtkonzern so groß würde, dass Steuervorteile entfielen. Pfizer und Allergan wollten die Ankündigung nicht kommentieren. An der Börse brach die Allergan-Aktie um 20 Prozent ein, Pfizer legte leicht zu.
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