Pharmahersteller

Deutsche Demokratische Selbstmedikation

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Berlin -

Ost-Marken haben es in West-Apotheken schwer. Auch 25 Jahre nach der Deutschen Einheit steht mancher Inhaber traditionsreichen OTC-Präparaten aus der ehemaligen DDR kritisch gegenüber. Ein Grund: Oft gibt es ein vergleichbares Präparat, das in Westdeutschland groß geworden ist. Während etwa Kamillan in den neuen Bundesländern nahezu in jeder Sichtwahl steht, liegt die Verbreitung westlich der Elbe bei etwa 30 Prozent. Die Marke von Pharma Wernigerode konnte sich nur schwer gegenüber Kamillosan von Meda behaupten.

Bei Aristo pflegt man die früheren DDR-Marken. „Wir haben hier Schätzchen, die wir in kleinen Schritten in die alten Bundesländer bringen wollen“, sagt OTC-Leiterin Monika Stüker. Die Ost-Berlinerin ist seit sieben Jahren für den Hersteller tätig und betreut neben Kamillan Marken wie Sanopin Wern, Tryasol, Eucabal, Parontal und Carvomin. „In Apotheken im Westen haben wir es mit mancher Ost-Marke nicht leicht“, sagt sie. Nach 25 Jahren sei das Produkt für westdeutsche Patienten immer noch oft unbekannt. Kamillan habe aber in den vergangenen Jahren Marktanteile ausgebaut.

Für Ostdeutsche gab es bei Arzneimitteln – wie bei vielen anderen Produkten – wenig Auswahl. „Es gab nur ein Kamillen-Produkt“, sagt Stüker. Für Hersteller wie Aristo ein Glücksfall: Während mit der Einführung der D-Mark aus allen anderen Geschäften die bis dahin bekannten Produkte verschwanden, blieben die Patienten ihren Präparaten aus der Apotheke treu – bis heute.

Längst haben Unternehmer aus dem Westen den Wert der Produkte für die Käuferschaft im Osten entdeckt: Der nordrhein-westfälische Hersteller Krewel hatte in den 1990er Jahren die Thüringer Firma Meuselbach mit Marken wie Hedelix und Gargarisma gekauft. Riemser ging mit Produkten wie Thiobitum, Cholecysmon, Hepathromb und Zinksalbe LAW via Treuhand an das Unternehmerpaar Norbert und Dr. Dagmar Braun. Das Familienunternehmen Holtsch Medizinprodukte aus Taunusstein erwarb den Bäderhersteller Li-iL.

Bayer kaufte Jenapharm, Menarini übernahm Berlin-Chemie (Titralgan, Bromhexin, Eudorlin, Copyrkal, Milax, Espumisan), Klosterfrau und Ricola gemeinsam Krügerol. Mibe (Simagel) gehört heute zu Dermapharm, Panthenol zu Bausch + Lomb, Dormutil zu Actavis. Neuranidal zu Stada, Warz-ab zu Ohropax. Hinter Aristo steht die Strüngmann-Familie. Zuletzt hat Infectopharm Fagusan gekauft.

Daneben gibt es Unternehmen, die sich eigenständig mit Ostprodukten behaupten. Das Serumwerk Bernburg (Pulmotin, Pyolosin, Parodontal) wurde von einem Personenkreis rund um das Management übernommen, genauso wie der Teehersteller Bombastus. Apogepha wurde nach der Wende an die Eigentümer zurück übertragen, dasselbe gilt für Hofmann & Sommer (Hingfong, Dreierlei) aus Thüringen. Pertussin, Remloflect und Analgin kommen von Medphano.

Die meisten Ostmedikamente kommen in ihrem jeweiligen Segment in den neuen Bundesländern auf einen Marktanteil von rund 3 Prozent, darunter neben Imidin, Fagusan, Neuranidal, Titralgan, Milax, Thiobitum, Gargarisma, Dormutil und Dreierlei Tropfen. Pyolysin und Parodontal kommen auf jeweils 7 Prozent, Simagel und Warz-ab auf je 10 Prozent. Spitzenreiter sind Kamillan und die Schlafsterne von Retorta mit je 12 Prozent. Nach Umsatz liegen die Anteile wegen des günstigeren Preises durchweg niedriger.

Größte Gefahr für die Ostmarken ist ihre Überalterung. Noch profitierten sie vom regionalen Bezug und der Erinnerung an alte Zeiten; gerade die älteren Ärzte würden die Marken noch empfehlen. „Auch wenn die Bekanntheit da ist, brauchen die Produkte aber eine Auffrischung für nachwachsende Kunden“, sagt Stüker. „Von alleine läuft gar nichts, auch nicht im Osten.“

Auch die freie Marktwirtschaft hat die kleineren Hersteller vor Herausforderungen gestellt: „Der Markt ist preisagressiver geworden und geht sehr auf Menge“, so Stüker. Besonders der Erkältungsmarkt sei auch im Osten stark mit Westmarken besetzt. Die Erlöse etwa mit Imidin hätten sich nach der Wende rückläufig entwickelt und sind jetzt wieder stabil: Im Osten sei das Schnupfenmittel mit rund einer Millionen verkauften Packungen noch immer ein Schnelldreher, so Stücker. Die Marke kommt auf einen Umsatz von rund 1,2 Millionen Euro. Im Westen spielt sie kaum eine Rolle. Der Marktanteil liegt bei 1 Prozent. Platzhirsch unter den Nasensprays ist Ratiopharm mit einem Umsatz von rund 41 Millionen Euro.

Dennoch gibt es immer wieder auch Versuche, die Produkte aus dem Osten in der ehemaligen BRD zu vermarkten. Aristo will Eucabal Balsam S über die Anwendung bei Kindern in West-Apotheken positionieren. Derzeit führen knapp 10 Prozent der Inhaber in den alten Bundesländern das Atemwegsmittel, das mit der Übernahme von Esparma ins Sortiment kam. In den neuen Ländern sind es 75 Prozent. Die Berliner Firma hat in den vergangenen Jahren bei ihren Ost-Marken einen Aufbruch festgestellt – auch im Westen. „Wir erleben eine Renaissance“, sagt Stücker.

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