Pharmakonzerne

Meda: Abstieg in der Nahrungskette

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Berlin -

„Appetit ist unser Antrieb“, sagte Meda-Chef Dr. Jörg-Thomas Dierks vor einem Jahr im Interview mit APOTHEKE ADHOC. Jeder Hersteller müsse sich entscheiden, ob er fressen oder gefressen werden wolle. Für ihn war nach der Übernahme von Rottapharm/Madaus klar, welchen Platz in der Nahrungskette Meda einnehmen sollte. Jetzt hat sich Mylan den schwedischen Konzern einverleibt, der zuletzt Probleme hatte.

Mylan zahlt 9,9 Milliarden US-Dollar für Meda; abzüglich der übernommenen Schulden hat der Deal ein Gesamtvolumen von 7,2 Milliarden Dollar. Alleine die Barabfindung lassen sich die Amerikaner, die ihren steuerlichen Hauptsitz in den Niederlanden haben, 5,7 Milliarden Dollar kosten. Der Rest wird in Mylan-Aktien ausgezahlt.

In Finanzkreisen kam die Nachricht nicht gut an; der Börsenkurs von Mylan stürzte um 16 Prozent ab. Zu teuer sei die Übernahme, so die Kritiker: Der Konzern zahlt das 12,9-Fache des operativen Gewinns (EBITDA), bereinigt um die erwarteten Synergien liegt das sogenannte Multiple immer noch bei 8,9.

„Mylan mit der Brechstange“, kommentierte eine Nachrichtenagentur den Deal mit Verweis auf die gescheiterte Übernahme von Perrigo im vergangenen Jahr und den hohen Kaufpreis für Meda: Mylan bietet 165 Schwedische Kronen je Aktie, das entspricht einem Aufschlag von 92 Prozent zum Schlusskurs am Vortag und einer Prämie von 68 Prozent auf den durchschnittlichen Kurs der vergangenen drei Monate.

Legt man dagegen den Höchstkurs der vergangenen zwölf Monate zugrunde, gibt es gerade einmal 9 Prozent Aufschlag für die Meda-Aktionäre. Im vergangenen April waren die Anteilsscheine noch 152 Kronen wert; seit August ging es bergab. Zwar ist die Entwicklung auch dem allgemeinen Börsentrend zuzuschreiben, doch im November überholte der Vergleichsindex das Papier des Pharmakonzerns.

Überraschend ist aber nicht nur der plötzliche Verkauf zum vergleichsweise ungünstigen Zeitpunkt, sondern auch die Tatsache, dass Meda im April 2014 einen ersten Vorstoß von Mylan noch abgelehnt hatte. Damals soll der US-Konzern nach Medienberichten neun Milliarden Dollar geboten haben, abzüglich Schulden entsprechend 6,7 Milliarden Dollar.

Das Angebot, das das Management damals als unzureichend ausschlug, lag also nur 10 Prozent unter der aktuellen Offerte – obwohl Meda damals den italienischen Hersteller Rottapharm/Madaus noch gar nicht übernommen und damit ein Drittel weniger an Umsatz und mehr als 40 Prozent weniger EBITDA in den Büchern stehen hatte.

Dennoch ist das Meda-Management der Meinung, das neue Angebote sei dem früheren klar überlegen und spiegele Chancen und Risiken in angemessener Weise wider. So habe Meda im wichtigen US-Markt bislang keine kritische Größe erreicht – im Sommer hatten bereits Gerüchte die Runde gemacht, der Konzern wolle diesen Bereich abstoßen. Berücksichtigt werden müssten auch makroökonomische Faktoren und rasante Konsolidierung der Pharmabranche, begründet das Management sein Ja zum Angebot von Mylan. Auch Meda sei in der Vergangenheit vor allem durch Zukäufe gewachsen.

Die beiden Hauptaktionäre haben dem Deal bereits zugestimmt – sie rechnen sich im Verbund des Großkonzerns mehr Chancen aus: Die private Reederei Stena Sessan, die mit 21 Prozent an Meda beteiligt ist und hinter der die Olsson-Familie steht, will langfristig als Aktionär bei Mylan dabei bleiben. Gleiches gilt für die Familie um Rottapharm-Gründer Professor Dr. Luigi Rovati, die nach dem verpatzten Börsengang ihr Unternehmen für 2,3 Milliarden Euro an Meda verkauft hatte und der seitdem 9 Prozent am Konzern gehören.

Für beide Clans wäre die Übernahme kein Ab-, sondern ein Aufstieg in der Nahrungskette: Je nachdem, wie viele Aktien gemäß Zusatzvereinbarung getauscht werden, wären sie künftig Großaktionäre bei Mylan – neben dem Pharmakonzern Abbott, der mit 14,5 Prozent beteiligt ist.

Laut Dierks passen Meda und Mylan perfekt zusammen: Mylan macht zwei Drittel seines Umsatzes von 9,4 Milliarden Dollar mit Generika und 54 Prozent seines Geschäfts in Nordamerika. Meda ist zwar in 150 Ländern aktiv, aber vor allem in Europa zu Hause, wo 65 Prozent des Umsatzes von zuletzt 2,3 Milliarden Dollar eingefahren wurden. Neben Rx-Spezialpräparaten wie Dymista und Elidel haben die Schweden OTC-Marken wie Dona, Sagella und CB12 im Sortiment. Seit der Rottapharm-Übernahme macht die Selbstmedikation 38 Prozent des Umsatzes aus – künftig summieren sich die Erlöse alleine in diesem Bereich auf mehr als eine Milliarde Dollar.

Noch vor einem Jahr hatte Dierks keinen Bedarf gesehen, mit Meda unter ein größeres Dach zu schlüpfen: Der Markt sei extrem in Bewegung, die großen Konzerne hätten viel Staub aufgewirbelt. „Aber das ist ideal für Angreifer wie uns, die in der schnelllebigen Zeit besser zurecht kommen, weil sie schneller handeln können und weniger dogmatisch sind. Auch die zunehmende Spezialisierung entlang der Wertschöpfungskette macht es für Firmen wie uns viel einfacher, an neue Ideen und Produkte zu kommen.“

Allerdings hatte er auch kein Geheimnis daraus gemacht, dass am Ende die Eigentümer entscheiden würden: „Wir müssen unsere Anleger immer wieder von unserer Vision begeistern, damit sie gerne bei uns investieren und langfristig dabei bleiben.“ Bislang sei man immer zu dem Ergebnis gekommen, dass das Geschäftsmodell funktioniere. „Wir hätten aber auch die Fähigkeit, uns zu verändern.“

Der Meda-Chef hatte eigentlich neue Zukäufe angepeilt, doch stattdessen verschlang zuletzt die Integration von Rottapharm alle Ressourcen. In Italien hatte das Management einige „faule Eier“ ausgemacht: Auf dem Heimatmarkt hatte Rottapharm traditionell zum Jahresende noch einmal massiv Ware in den Markt gedrückt. Im vergangenen Jahr wurde zum ersten Mal auf diese Art der Überbevorratung verzichtet, sodass die Umsätze im vierten Quartal um die Hälfte einbrachen und den gesamten Quartalsabschluss belasteten. Dierks hofft, dass die Überkapazitäten im Markt schnell abgebaut werden und dass sich dann bessere Konditionen erzielen lassen. Um die Nachfrage anzukurbeln, hat Meda den Apothekenaußendienst umgebaut.

An der strategischen Rationale für die Übernahme von Meda durch Mylan gibt es wenig Zweifel, die Kritiker sehen allerdings Klärungsbedarf, was die Wachstumschancen angeht: Denn die Dreijahresprognose von Meda lässt wenig Luft für Fantasie: Um 3 Prozent pro Jahr wollte der schwedische Konzern wachsen; nur auf der Ertragsseite sollte es zweistellige Zuwächse geben. Dierks betonte ausdrücklich, dass man die Prognosen nur aufgrund der schwedischen Börsenvorschriften veröffentlicht habe und dass die Zahlen nicht allzu ernst zu nehmen seien.

Mylan hatte im vergangenen Jahr versucht, den OTC-Hersteller Perrigo gegen den Willen des Managements für 33 Milliarden Dollar zu kaufen. Die feindliche Übernahme scheiterte: Knapp 40 Prozent der Aktien wurden dem Generikakonzern angedient; mindestens 50 Prozent hätten zusammenkommen müssen. Die Angebotsphase war durch einen öffentlichen Schlagabtausch zwischen den Konzernspitzen begleitet worden.

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