Biomo: Prinzip Mothes Patrick Hollstein, 07.10.2013 13:39 Uhr
Den Generikahersteller Biomo Pharma kennen die meisten Apotheker seit 2007. Bei der ersten Runde der AOK-Rabattverträge schnappte sich das Familienunternehmen aus Hennef unter anderem Omeprazol und Metformin – nicht unbedingt zur Freude aller Beteiligten: „Allianz der Namenlosen“, titelte die Pharmazeutische Zeitung damals über die überwiegend kleineren Unternehmen, die der Boykottstrategie der Großen nicht gefolgt waren und sich an der Ausschreibung beteiligt hatten. Ganz so namenlos war Biomo indes nicht: Firmengründer Dr. Karl-Georg Mothes gehört zu den schillerndsten Figuren in der deutschen Pharmabranche.
Jahrgang 1944, stammt Mothes aus einer in Fachkreisen bekannten Familie: Sein französischer Vorfahre François Mothes erfand in den 1830er Jahren die Gelatinekapsel. Auch Professor Dr. Kurt Mothes, der jahrelang am pharmazeutischen Institut der Universität Halle beschäftigt war, gehört zur Verwandtschaft.
Mothes selbst studiert Physik und Medizin, bevor er 1972 beim US-Konsumgüterkonzern Procter & Gamble anheuert. Schon damals lernt er, dass man in Marketing und Vertrieb ungewöhnliche Wege gehen muss: Um Lenor in Deutschland bekannt zu machen, lässt er das Waschmittel eine Zeitlang vor Supermärkten direkt vom Lastwagen an potenzielle Kundinnen verteilen.
1975 macht Mothes seinen MBA-Abschluss am Institut Européen d'Administration des Affaires (Insead) in Fontainebleau bei Paris. Danach geht er zu Grünenthal – in den wenigen Monaten beim Aachener Hersteller lernt er, mit welchen Bandagen in der Pharmabranche gekämpft wird: Das Familienunternehmen muss sein Antidiabetikum Silubin (Buformin) vom Markt nehmen, weil die Konkurrenz nachweisen kann, dass das Mittel zu Laktatazidosen führen kann.
Ab Ende 1976 verantwortet Mothes das Marketing für die Herzkreislauf-Medikamente von Schwarz Pharma. Ärztekongresse auf beschaulichen Inseln im Mittelmeer sind damals noch Standard. „Damals herrschte Aufbruchsstimmung“, erinnert er sich mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. „Ich arbeitete 18 Stunden am Tag – bis zum Burnout.“
Ende 1983 hängt Mothes seinen Job an den Nagel und macht sich selbstständig. Der erste Beratervertrag von SmithKline Beecham ist gleich fürstlich dotiert: 1 Million D-Mark für 60 Tage. Auch für andere Firmen wie oder ICI holt Mothes die Eisen aus dem Feuer. Der Stuttgarter Apotheker Fritz Wörwag verdankt dem Manager aus dem Rheinland sein umfangreiches Know-how und den Aufstieg im Pharmageschäft (Magnerot).
Als sein Kunde Rhein Pharma einige Altprodukte wie Rutinion, Ce-Rutinion, Calcium-Rutinion und Nephrolith aussortiert, wird Mothes hellhörig. Weil er den Kaufpreis nicht auf den Tisch legen kann, stottert er die Summe in unbezahlten Beraterstunden ab. „Das waren meine Produkte zum Üben“, sagt er. Samstags ist fortan „Heilpraktiker-Tag“: Zum Vortrag gibt es ein Tellergericht gratis.
Am 1. April 1986 gründet Mothes die Firma Biomo Naturmedizin. Zugute kommen ihm seine alten Kontakte: Weil Schwarz seinen Außendienst seinerzeit noch in Frühpension schickt, kann Mothes nicht nur qualifizierte, sondern auch dankbare Mitarbeiter günstig gewinnen. Wissbegierigkeit und Flexibilität gehören zu den Tugenden, die Mothes am meisten schätzt – nicht nur im Geschäftsbetrieb, sondern auch in der Politik. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) etwa hat es dem Biomo-Chef angetan – weil sie als Physikerin denselben Grundregeln folgt.
Während seine Mitarbeiter die ersten Produkte bei den Ärzten bekannt machen, macht sich Mothes auf die Suche nach weiteren Altzulassungen und kauft unter anderem Neuro-B forte und Galacordin. „Für diese 'Produkt-Ruinen' hat sich damals niemand interessiert. Für uns waren es verborgene Schätze – wir waren die einzigen, die sich danach gebückt haben. Wir haben sie gekauft und galenisch optimiert und später sogar durch die Nachzulassung gebracht.“
Ab 1991 konzentriert sich Mothes ganz auf sein eigenes Geschäft. 1995 bringt er die ersten Generika auf den Markt. Weil er immer noch vergleichsweise wenig Geld hat, aber unter großem Zeitdruck steht, wird er wieder erfinderisch: Mothes hilft Herstellern bei der Markteinführung, wenn diese ihm eine ihrer Zweitzulassungen abgeben. Schnell konzentriert er sich auf den neurologischen Bereich, wo er seit Jahren Kontakt zu den Ärzten aufgebaut hat.
Als die AOK 2006 die ersten Rabattverträge ausschreibt, ist Mothes ganz vorne mit dabei. Dass er sich damit keine Freunde macht, weiß er. Dass seinem Unternehmen der Erfolg fast das Genick brechen wird, ahnt er nicht: Als plötzlich eine Packung auftaucht, die neben dem Protonenpumpenhemmer eine Losartan-Tablette enthält, muss die komplette Ware zurückgerufen werden. Der komplette Bestand wird gewogen und Mothes kann schließlich nachweisen, dass es keine weiteren Verunreinigungen gibt.
Ob beim spanischen Lohnhersteller wirklich eine Panne passiert ist oder ob die Packung absichtlich manipuliert war, weiß er heute immer noch nicht. Mothes, sonst ausgesprochen medienscheu, engagiert einen PR-Berater und lädt Journalisten ein, um hinter die Kulissen zu schauen.
Finanziell lohnt sich der Ausflug: Der Umsatz von Biomo und der Schwesterfirma Corax explodiert 2007 von 32 auf 104 Millionen Euro. Schon damals ist dem Firmenchef aber klar, dass er auf Dauer mit den Geboten der großen Anbieter und der indischen Hersteller nicht mithalten können wird. Also richtet er – gemeinsam mit seinen Kindern Diane und Patrick – ab 2008 das Unternehmen neu aus. Der Generika-Außendienst wird von 100 auf 20 Köpfe reduziert, 2007 gründet die Familie das Tochterunternehmen Biomo Vital.
Seitdem hat Biomo orthobiomolekulare Produkte im Sortiment – ähnlich der Produkte der Firma Orthomol, deren Chef Dr. Kristian Glagau Mothes noch von seiner Zeit bei Schwarz Pharma kennt. Nach einem Abstecher in das Geschäft mit Energy-Drinks führt das Unternehmen 2012 die Diätlinie xlim Aktiv ein.
„Die Apotheken können von Rx-Medikamenten nicht mehr leben, stattdessen müssen sie sich den Kundenbedürfnissen widmen“, sagt Mothes. Das Hauptgeschäft von Biomo bleibt aber weiterhin die Generikasparte: Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Firmengruppe etwa 41 Millionen Euro, zwei Drittel davon mit Generika. „Das möchten wir sukzessive verschieben“, sagt der Firmenchef.
Mit einem neuen Sortiment an Lifestylepräparaten will Mothes dem Unternehmen und seinen Kindern und Enkeln eine Zukunftsperspektive jenseits der Rabattverträge bieten. Mittlerweile lebt Mothes mit seiner Frau, einer gebürtigen Französin, in Südfrankreich. In der Firma schaut er regelmäßig vorbei: „Manchmal wird man auch müde, aber es macht noch immer Spaß. Die Firma profitiert von meiner Erfahrung – und ich bin froh, dass ich nach wie vor dabei sein kann.“