Pharmahandelskonzerne

Pessina: Erst Großhandel, dann Apothekenkette

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Berlin -

Drei Monate nach dem Start hat Stefano Pessina bei Walgreens Boots Alliance (WBA) die Fäden fest in der Hand. Der Vorstand ist mit Gefolgsleuten besetzt, jetzt wird saniert, gespart und umstrukturiert. Vor allem das US-Geschäft soll nach europäischem Vorbild umgebaut und auf Ertrag getrimmt werden. Außerdem soll der Großhandel weltweit den Einstieg ins Apothekengeschäft ermöglichen.

Schon früh war klar, dass Boots nicht nur von Walgreens lernen sollte. Frischer Wind sollte vor allem in das über das Jahre angestaubte Kettenkonzept der Amerikaner kommen. Schon im Herbst 2013 wurde der langjährige Boots-Chef Alex Gourlay nach Deerfield bei Chicago geschickt, um den rund 8300 Filialen ein neues Profil und neuen Glanz zu verschaffen. Seitdem wird Walgreens nach dem Vorbild von Boots neu ausgerichtet.

Wie überall im Konzern gibt es eine klare Fokussierung auf Ertrag und Kostensenkung. Außerdem soll mehr Platz für margenstarke Sortimente und Marken aus dem eigenen Konzernverbund geschaffen werden. Boots erwirtschaftet rund 50 Prozent des Ertrags mit Freiwahlprodukten, insbesondere Kosmetika. Bei Walgreens sind es nur 37 Prozent.

Für Pessina ist die Fokussierung auf Health & Beauty auch eine Chance, hauseigene Marken wie No. 7, Soltan oder die Generikalinie Almus nach vorne zu bringen und seine Fabriken in Nottingham oder im hessischen Dietzenbach besser auszulasten. Die Boots-Tochter BCM ist einer der größten Lohnhersteller für Kosmetik weltweit, zuletzt war das Geschäft aber rückläufig gewesen.

Schon im Januar hatte der Konzernchef gezeigt, wohin die Reise geht und wenige Woche nach der Amtsübernahme das Infusionsgeschäft von Walgreens mehrheitlich an den Finanzinvestor Madison Dearborn verkauft. 4700 Mitarbeiter in den 89 Kliniken und 110 Behandlungszentren waren betroffen.

Außerdem soll das US-Geschäft massiv auf Effizienz getrimmt werden. Bis 2017 sollen weltweit eine Milliarde US-Dollar eingespart werden; bei Walgreens haben Pessina und sein Team zusätzliches Potenzial von 500 Millionen Dollar entdeckt. 200 Filialen sollen dauerhaft aufgegeben werden, außerdem sollen Verwaltung, Infrastruktur und die Prozesse in den Geschäften reorganisiert werden.

„Nach unserer Ansicht müssen wir uns aktiv auf Gegenwind wie Kostendruck im Erstattungsbereich und zunehmenden Wettbewerb vorbereiten“, sagte Pessina. „Wir setzen verschiedene Prioritäten, um den Wert unseres Unternehmens zu steigern: Wir verbessern die Performance unserer Geschäftsbereich weltweit, indem wir die Prozesse optimieren. Wir investieren in unsere US-Filialen, um die Kundenzufriedenheit zu steigern und unsere Margen auszweiten. Und wir stellen – ebenfalls vor allem in den USA – unsere Kostenstrukturen auf den Prüfstand, um effizienter und beweglicher zu werden.“

„Wenn wir mit diesen Maßnahmen erfolgreich sind, werden wir aufgrund unserer Größe eines derjenigen Unternehmen sein, die die Zukunft von Gesundheitsversorgung, Apotheke und Einzelhandel neu definieren“, so Pessina. „Wenn sich die Märkte weiterentwickeln, haben wir viele Chancen.“

Das Großhandelsgeschäft spielt für Pessina eine Schlüsselrolle – weil hier die Grundlage für den weltweiten Einkauf geschaffen, aber auch gutes Geld verdient und gleichzeitig – angesichts der besonders niedrigen Margen – innerhalb des Konzerns ein Bewusstsein für Stringenz und Disziplin geschaffen wird.

Auch bei der Expansion in neue Märkte soll der Großhandel als Türöffner fungieren: Laut Pessina kann in diesem Bereich schneller eine kritische Größe aufgebaut werden als im Einzelhandel, zumal die Konsolidierung noch nicht zu Ende sei. Um das Thema Apothekenketten kümmert sich im Konzern eine spezielle Arbeitsgruppe, die gezielt zukaufen und den Kontakt zu den Entscheidern und Kostenträgern pflegen soll.

Machtkämpfe oder Streit über die künftige Ausrichtung dürfte es bei WBA auf absehbare Zeit nicht geben. Nur noch vier der elf Vorstandsmitglieder kommen von Walgreens; zuletzt hatte Pessina seine langjährigen Weggefährten George Fairweather und Marco Pagni zum Finanzchef beziehungsweise Chefjuristen ernannt. Zusammen mit Großhandelschefin Ornella Barra, Boots-Chef Simon Roberts und Ken Murphy, der das weltweite Markengeschäft verantwortet, kommen damit sieben WBA-Vorstände von Alliance Boots.

Walgreens hatte im Sommer 2012 für 6,7 Milliarden US-Dollar zunächst 45 Prozent der Anteile an Alliance Boots übernommen, für den Rest wurde eine Option vereinbart. Dafür musste Walgreens zum Jahreswechsel noch einmal rund 5 Milliarden Dollar in bar sowie 144,3 Millionen Aktien auf den Tisch legen, was zu einem Gesamtpreis von knapp 16 Milliarden Dollar führte. Mit etwa 16 Prozent ist Pessina größter Einzelaktionär bei WBA.

Der Italiener hatte sein Großhandelsgeschäft in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder durch Fusionen ausgebaut. Ein Jahr nach der Fusion von Alliance UniChem und Boots hatte er den Konzern 2007 gemeinsam mit dem US-Finanzinvestor KKR von der Börse genommen. Der Deal ist mit einem Volumen von rund 12,4 Milliarden Britischen Pfund bis heute die größte fremdfinanzierte Übernahme in der Geschichte.

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