Pharmahandel ohne Grenzen Patrick Hollstein, 27.01.2010 10:33 Uhr
18 Unternehmen mit einem Umsatz von jeweils mehr als einer Million Euro sind nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Insight Health heute in Deutschland als Reimporteure aktiv. Fast alle Firmen haben sich auf die Belieferung deutscher Apotheken spezialisiert; die Branche ist nach wie vor mittelständisch geprägt und funktioniert über Strukturen, die jahrzehntelang gewachsen sind.
Martkführer ist mit einem Umsatz von 854 Millionen Euro und 13 Millionen importierten Packungen Kohlpharma/MTK-Pharma aus dem saarländischen Merzig. 1979 hatte der damals 30-jährige Unternehmer Edwin Kohl mit der Einfuhr von Inkontinenzprodukten begonnen. Zwei Jahre später fokussierte sich Kohl, Kommilitone der Hexal-Gründer Thomas und Andreas Strüngmann, auf den Import von Arzneimitteln.
Heute arbeiten mehr als 950 Mitarbeiter beim Branchenprimus, davon 44 im Außendienst. Seit sich die Firmengruppe vor einigen Jahren neuen Geschäftsmodellen geöffnet hat, blieb sie trotz Wachstum hinter der dynamischen Entwicklung des Marktes zurück: Der Marktanteil fiel von 50 auf zuletzt rund 30 Prozent. Bei Kohl macht man vor allem die Veränderung des Marktes und die zunehmende Wettbewerbsintensität verantwortlich.
9,2 Millionen Packungen im Wert von 480 Millionen Euro importierte im vergangenen Jahr Emra/MPA. 1982 von Hans-Joachim Oltersdorf, Finanzvorstand der Optikerkette Fielmann, gegründet, hatte MPA seit Ende der 1980er Jahre verschiedene Mitbewerber übernommen, darunter 1990 die Berliner Emra-Med. Deren Gründer Arthur Müller gründete übrigens nach Ablauf eines siebenjährigen Wettbewerbsverbots das Import/Export-Unternehmen ACA Müller, das bis vor einigen Jahren Arzneimittel in größerem Umfang auch bei deutschen Apotheken einkaufte und ins Ausland exportierte.
Emra/MPA hält seit einigen Jahren einen konstanten Marktanteil von rund 18 Prozent. Nach massiven Streichungen infolge des dramatischen Einbruchs der Branche beschäftigt Emra heute rund 500 Mitarbeiter, darunter zehn Außendienstler. Konzernchef Günther Fielmann hält 55 Prozent der Anteile am Unternehmen.
Auf knapp 470 Millionen Euro Umsatz bringt es der Branchenpionier Eurim. Deutschlands ältester Reimporteur mit Sitz an der österreichischen Grenze hat in den vergangenen Jahren sein Geschäft kontinuierlich ausgebaut und will sich rechtzeitig zum 35-jährigen Firmenjubiläum in neuen Geschäftsräumen erweitern. Laut Firmenchef Andreas Mohringer wird bei Eurim jeder einzelne Wareneingang überprüft: Bei 6,6 Millionen Einheiten und 500 Mitarbeitern - kein Außendienst - macht das rein rechnerisch rund 13.000 Packungen pro Angestelltem.
Das 25-jährige Firmenjubiläum feierte man im vergangenen Jahr bei Pharma Westen - allerdings ohne die beiden Firmengründer. Dietmar Westen und Hans-Dieter Ohrem hatte das Leverkusener Unternehmen 1984 gegründet, ihre Anteile aber 1993 beziehungsweise 1998 verkauft. Ende 2005 gab es einen neuen Besitzerwechsel: Der führende skandinavische Reimporteur Orifarm kaufte Pharma Westen und stieg zum europaweit zweitgrößten Parallelhändler auf. Mit einem Umsatz von knapp 300 Millionen Euro - das entspricht einem Marktanteil von 11 Prozent - entfiel 2009 knapp die Hälfte der Erlöse des dänischen Mutterhauses auf die deutsche Tochter, die 580 Mitarbeiter beschäftigt.
Auf 10 Prozent Marktanteil bringt es CC Pharma als Spezialimporteur für Onkologika. Das 1999 gegründete Unternehmen setzte im vergangenen Jahr 271 Millionen Euro um - mit nur 500.000 Packungen. Trotz der Spezialisierung bestellte 2009 jede zweite deutsche Apotheke bei CC Pharma. 21 der 240 Mitarbeiter betreuen die Apotheken vor Ort. Firmenchef Klaus-Wilhelm Gerke hatte mit Pharma Gerke übrigens bereits 1990 ein Reimport-Unternehmen gegründet, das heute von der Tochter geführt wird und einen Marktanteil von knapp 4 Prozent vorweist.
Jüngster Reimporteur ist das hessische Unternehmen Axicorp. Nur sechs Jahre nach der Gründung verkauften die Firmenchefs im Februar 2008 ihre Anteile an den indischen Biotech-Konzern Biocon. 30 Millionen Euro zahlten die Investoren aus Fernost für 70 Prozent der Anteile. 2009 setzte das Unternehmen, das 230 Mitarbeiter beschäftigt, mit 1,3 Millionen Packungen rund 130 Millionen Euro um. Das entspricht einem Marktanteil von 5 Prozent. Biocon hat das Potenzial der oft unterschätzten Zwischenhändler erkannt: Die Inder wollen die Vertriebswege von Axicorp nutzen, um ihre Biosimilars in Europa auf den Markt zu bringen.