Die Noweda ist seit 2011 hinter Phoenix die Nummer 2 im deutschen Pharmagroßhandel. Kampfziel ist die Marktführerschaft; dazu hat die Genossenschaft mittlerweile 16 Niederlassungen in Betrieb. Die erste Milliarde knackten die Essener schon 1996, an der fünften werden sie im laufenden Geschäftsjahr kratzen. Alleine in den vergangenen zehn Jahren haben sich die Erlöse verdreifacht, die Mitgliederzahl hat im gleichen Zeitraum um die Hälfte zugelegt. In ihrer mittlerweile 75-jährigen Geschichte ist die Noweda auch durch Zukäufe gewachsen. Am Wochenende findet in Essen der Festakt zum Jubiläum statt.
Im 1. September 1939, während die deutsche Wehrmacht in Polen einmarschiert, nimmt in Essen die Nordwestdeutsche Apothekergenossenschaft, kurz Noweda, den Betrieb auf. Sieben Apotheker haben sich zusammengeschlossen, um Einkauf, Lagerung und Verteilung von Arzneimitteln gemeinschaftlich zu organisieren. Mit der Leitung des Unternehmens wird Walther Pillmeyer betraut, der zwei Jahre zuvor die Adler-Apotheke in Essen übernommen hat.
19 Mitglieder zählt die Noweda in den Anfangstagen, jeder zahlt 10 Reichsmark für den Beitritt, haftet für 50 Reichsmark und bekommt für 500 Reichsmark Kredit. Auf Bezirksversammlungen werben die Initiatoren für ihr Konzept. Am Ende des ersten Geschäftsjahres sind 68 Mitglieder an Bord; der Umsatz liegt bei 1400 Reichsmark. Doch im Krieg laufen die Geschäfte schwierig. Im April 1944 zerstört eine Bombe einen Großteil des Lagerbestandes und bringt das Handelsgeschäft zum Erliegen.
Als das Versammlungsverbot aufgehoben wird, treffen sich Ende Juni 1945 Aufsichtsrat und Vorstand zur ersten Sitzung nach Kriegsende. Die Noweda hat noch immer 156 Mitglieder, doch das größte Problem bleibt die Warenbeschaffung: Die Vorräte sind knapp, immer wieder muss das Unternehmen umziehen, beim Führungspersonal gibt es zahlreiche Fluktuationen. Mit der Einführung der D-Mark im Juni 1948 verbessert sich die allgemeine Versorgungslage, auch die Noweda kommt wieder in Fahrt.
1949 wird Hans Albertz neuer Vorstandsvorsitzender; unter seiner Führung wächst der Umsatz von 140.000 Mark bis 1974 auf knapp 200 Millionen Mark. 1965 einigt sich Albertz mit mehreren Herstellern, die die Belieferung der Genossenschaft bislang verweigert haben. Die Noweda wird zum Vollsortimenter.
Zum Ende seiner Amtszeit kauft Albertz nicht nur das 13.000 Quadratmeter große Grundstück in Essen, auf dem bis heute die Hauptverwaltung angesiedelt ist, sondern auch den ersten Konkurrenten: In Köln übernimmt die Noweda 1973 den Privatgroßhändler Emonts & Röhrig.
Ein Jahr später tritt Albertz' Nachfolger an. Dr. Dietrich Meyer ist 35 Jahre alt und führt den Expansionskurs fort: 1975 steigt die Genossenschaft bei der Handelsvereinigung Dietz und Richter Gebr. Lodde, Frölich & Co. in Münster ein. Noch im selben Jahr wird die Firma Heimbürger in Hameln gekauft. 1980 begrüßt die Genossenschaft ihr 1000. Mitglied, 1991 klettert der Umsatz auf mehr als eine Milliarde Mark.
Nach der Wende zieht es auch die Noweda in die neuen Bundesländer: Im Juni 1992 wird ein Logistikzentrum in Leipzig eröffnet; in Erfurt kommt der Pharmagroßhändler 1994 provisorisch bei Rewe unter, zwei Jahre später folgt die eigene Niederlassung in der thüringischen Landeshauptstadt. 1997 eröffnet die Noweda in Oldenburg und 2000 in Dortmund, bevor 2004 in Mittenwalde bei Berlin das größte und heute erfolgreichste Vertriebszentrum entsteht.
Im Dezember 2003 verkaufen die Essener überraschend 19 Prozent ihrer Anteile am Konkurrenten Anzag an Alliance UniChem. Um dem italienisch-britischen Kettenkonzern den Zutritt zum deutschen Markt zu blockieren, hatten die deutschen Großhändler die Anteile am Mitbewerber untereinander aufgeteilt.
Im Juli 2005 übernimmt Wilfried Hollmann den Vorstandsvorsitz. Er ist bereits seit 1976 bei der Genossenschaft und leitete unter anderem die Niederlassungen in Münster und Taucha, bevor er 1993 im Vorstand den Vertriebsbereich übernahm.
Unter Hollmann kann die Noweda ihren Umsatz bis 2012/13 auf 4,6 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Er schließt die letzten weißen Flecken auf der Landkarte: 2007 wird in Gießen/Langgöns eine neue Niederlassung eröffnet, 2008 übernimmt die Noweda den angeschlagenen Privatgroßhändler W. Kapferer. Damit deckt die Genossenschaft auf einen Schlag auch den Süden ab, traditionell Stammgebiet der Sanacorp.
Angeblich hatten die beiden Genossenschaften kurz nach dem Krieg in Oldenburg eine Gebietsaufteilung vereinbart. Später scheiterten Gespräche über eine Fusion an der Verteilung der Chefposten, auch bei der Anzag wurden sich die beiden Genossenschaft nicht einig. Nachdem die Sanacorp mit der Übernahme des damals größten privaten Großhändlers von der Linde nach Nordrhein-Westfalen vorgestoßen war, war die Zeit der Schonung im genossenschaftlichen Lager vorbei.
Mit dem Kauf von Kapferer sichert sich die Genossenschaft vier Standorte in Saarbrücken/Friedrichsthal, Garching bei München, Mosbach und Chemnitz/Rossau. Der bayerische Standort wird durch einen Noweda-Neubau in Bergkirchen ersetzt, wenige Kilometer vom Sitz der Sanacorp in Planegg entfernt.2010 verschwindet der Name Kapferer mit der kompletten Umfirmierung aus dem deutschen Großhandelsmarkt.
2010 verkauft die Noweda – parallel zur Konkurrenz – die restlichen 6 Prozent ihrer Anzag-Anteile. Zwei weitere neue Niederlassungen folgen: 2011 startete der Betrieb in Peine, 2013 in Hamburg. Parallel expandiert die Genossenschaft ins Ausland: 2011 beteiligt sich die Noweda am luxemburgischen Großhändler Comptoir Pharmaceutique Luxembourgeois, 2013 am schweizerischen Apothekerunternehmen PharmaFocus.
Für Schlagzeilen sorgt die Noweda aber vor allem, als sie nach der Umstellung des Großhandelshonorars bei der allgemeinen Rabattkürzung nicht mitzieht. Dank guter Konditionen lassen Hollmann und sein Team die Sanacorp hinter sich und ziehen auch an der Anzag und Gehe vorbei. Vor allem aber den Branchenprimus stört der Atem des Verfolgers im Nacken: Der damalige Phoenix-Chef Reimund Pohl erwidert Ende 2012 die Kampfansage. Seitdem klagt die gesamte Branche über Ertragsprobleme.
Auf die Treue seiner mittlerweile 8600 Genossen kann sich Hollmann verlassen. Er will in möglichst vielen Apotheken Alleinlieferant sein; schon 2009 stellt er daher das Dividendenmodell um. Doch es ist auch Hollmanns kernige Art, die eine Noweda ohne ihn für viele Mitglieder undenkbar macht. Um seinen Abschied möglichst lange hinauszuzögern, wurde vor einigen Jahren sogar die Altersgrenze in der Satzung angehoben. Entnervt warf damals der Kronprinz Lars Horstmann das Handtuch und ging zu easy. Auf den fünften Konzernchef bei der Noweda müssen die Apotheker also noch zwei Jahre warten.
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