Pharma-Mittelstand

Diese Clans sind Pharma-Deutschland

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Berlin -

Zahlreiche Hersteller in Deutschland sind noch immer in Familienhand. Auch wenn Großkonzerne an den inhabergeführten Familien interessiert sind, behaupten sich die Dynastien über Generationen hinweg als selbstständige Unternehmen. Von Boehringer Ingelheim über Pflüger bis Retterspitz – APOTHEKE ADHOC stellt in einem neuen Teil weitere deutsche Pharma-Familien vor.

Verla-Pharm: Das Unternehmen gehört zu den „hidden Champions“ der Branche. Und Firmenchefin Gabriele von Ehrlich will auch am liebsten, dass das so bleibt. Das auf Nahrungsergänzungsmittel spezialisierte Unternehmen mit Sitz in Tutzing am Bodensee wurde von 1949 von ihrem Vater H.J. von Ehrlich gegründet. Der damals 30-Jährige hatte die Löwenapotheke in Reichenberg in fünfter Generation geführt, bevor er als Sudentendeutscher vertrieben wurde. Im Oktober 1957 wurde der Klassiker Magnesium Verla erstmals angeboten; heute verlassen pro Jahr rund 500 Millionen Dragees und 120 Millionen Granulatbeutel die Produktion – eine Stückzahl, die laut Unternehmen nur von wenigen Markenprodukten übertroffen wird. Insgesamt werden mehr als 70 Produkte angeboten; die Zweitlinie Xenofit richtet sich seit 1988 an Sportler.

Kreussler: Arzneimittel sind für Kreussler eigentlich nur ein Nebenprodukt. Denn die „chemische Fabrik“ ist seit ihrer Gründung 1912 durch Christian Kreussler auf Substanzen für die industrielle Textilreinigung spezialisiert. Mit innovativen Produkten wie dem MieleSystemKreussler, dem Ecosan-Verfahren und dem Flüssigwaschmittelsystem Derval Power hat sich der Mittelständler aus Wiesbaden einen Namen gebracht. 1948 kam die Pharmasparte dazu, Phlebologie und Zahnheilkunde bilden die Schwerpunkte. Heute werden Produkte wie Dynexan, Aethoxysklerol, Recessan und Dequonal in 50 Ländern vertrieben. Dr. Stephan Travers leitet das Unternehmen in vierter Generation.

Sixtus: Bei älteren Menschen klingelt da was, den jüngeren sind die Marken oft unbekannt. Das soll sich jetzt ändern: Anfang 2013 übernahm Franz Kroha die Sixtus-Werke von den Söhnen des Firmengründers Fritz Becker. Er holt Philipp Lahm an Bord; der Fußballstar soll helfen, die Marke zu revitalisieren. Für eine vergleichsweise geringe Einlage erhielt Lahm 50 Prozent der Anteile; allerdings kann Kroha im Zweifelsfall alleine über die Geschicke der Firma entscheiden. Aktuell werden neue Produkte eingeführt.

FGP Pharma: An Dr. Clemens Fischer scheiden sich die Geister. Er schafft es, mit vergessenen Klassikern neue Zielgruppen zu erschließen und ganze Märkte auszuweiten. Andererseits nimmt er auf die Besonderheiten der homöopathischen Therapierichtung keine Rücksicht und ruft mit Aussagen zu seinen Produkten regelmäßig die Anwälte der Konkurrenz auf den Plan. Mit Naturwohl und Dr. Fischer hat er gleich zwei Hersteller aus dem Boden gestampft. Lactostop wurde an Dermapharm verkauft, Yokebe an Omega. Deseo, Taumea, Kijimea und Rubax dürfen weiter wachsen.

Boehringer Ingelheim: Boehringer Ingelheim ist nach Umsatz kein Mittelständler, aber nach wie vor ein Familienunternehmen. Erstmals seit 1991 übernimmt mit Hubertus von Baumbach in diesem Jahr sogar ein Mitglied der Eigentümerfamilie wieder den Chefsessel. Er ist Urenkel des Unternehmensgründers Albert Boehringer, der im Juli 1885 eine kleine Fabrik im rheinhessischen Nieder-Ingelheim gekauft hatte, die Weinsäure für Apotheken und Färbereien herstellte. Die Nachfrage stieg rasant, als Brauselimonade und Backpulver populär werden; parallel wurde das Unternehmen führender Lieferant für die Textil- und Lebensmittelindustrie.

Nach dem zweiten Weltkrieg expandierte Boehringer ins Ausland; parallel kamen zahlreiche innovative Medikamente auf den Markt. Seit dem Tod von Hubertus Liebrecht hatten die beiden Eigentümerfamilien komplett auf externe Manager gesetzt. Christian Boehringer leitet seit 2007 den Gesellschafterausschuss, dem außerdem Christoph, Isabel und Dr. Mathias Boehringer sowie Erich von Baumbach jr. angehören.

Quiris: Als Serial Entrepreneur könnte man Quiris-Chef Hauke Thoma bezeichnen. In den 1990er Jahren baute er gemeinsam mit Truw-Seniorchef Paul Steiner den Hersteller Sertürner (Hepar-SL) auf und verkaufte diesen dann an Lichtwer. Mit Curazink gelang ihm der nächste Streich, die Stada kaufte das Produkt nur drei Jahre nach der Markteinführung. 2004 gründete er gemeinsam mit Partnern Quiris; das Unternehmen mit Sitz in Gütersloh hat derzeit zwölf apothekenexklusive Präparate im Sortiment. Wichtigste Produkte sind Hepacyn, Cystorenal, CH-Alpha, Telcor und Elasten.

Apotheker Walter Bouhon: Der fränkische Familienbetrieb hat die Marke Frei Öl zuletzt wieder belebt. Die Firma wurde 1954 von Apotheker Walter Bouhon gegründet und geht auf die Mohren-Apotheke zu St. Lorenz zurück. Zum Portfolio gehört neben der Kosmetiklinie heute das Schlafmittel Moradorm. In der Geschäftsführung sitzen in dritter Generation zwei Mitglieder der Eigentümerfamilie: Nico Bouhon (Mitte) betreut den kaufmännischen Bereich, sein Cousin Wilhelm Bouhon ist für die apothekerlichen Belange und die Produktentwicklung zuständig und ist Inhaber der Mohren-Apotheke. Seit Anfang Februar 2015 verantwortet Thomas Bauer (links) in Nürnberg das gesamte operative Geschäft.

Homöopathisches Laboratorium Alexander Pflüger: Das 1949 gegründete Familienunternehmen geht auf den Heilpraktiker Georg Pflüger zurück. Zu den bekanntesten Produkten zählen die Schüßler-Salze. Der Apotheker Horst Pflüger, Enkel des Gründers, leitet die Firma. Seit Ende 2013 wird er von Apothekerin Astrid Kipp unterstützt, da er sich nach und nach aus dem operativen Geschäft zurückziehen will. Das Sortiment an Schüßler-Salzen umfasst heute rund 130 verschiedene Produkte. Insgesamt sind rund 100 Mitarbeiter beschäftigt.

Orthim: Ulrich Pflüger, der Bruder von Horst Pflüger, war bis 2001 in der Geschäftsführung des Familienunternehmens tätig. Danach konzentrierte er sich auf Orthim. Das Unternehmen sitzt seit 2001 in Herzebrock-Clarholz, den Namen hatte sich Pflüger bereits 1997 gesichert. In den Apotheken ist die Firma vor allem mit seinen Schüßler-Salzen und dem 2010 neu eingeführten Nasenspray bekannt.

Truw: Die Firma geht auf den Krefelder Heinrich Hense zurück. Der Heilpraktiker nannte seine Komplexhomöopathika Composita TRUW und begründete damit laut Firmenangaben eines der ersten homöopathischen Komplexmittelsysteme. Nach dessen Tod 1952 übernahmen seine Frau und sein Sohn Hartmut den Betrieb. Nach einer Umfirmierung in 2005 übernahm Martin Steiner 2006 das Familienunternehmen als geschäftsführender Gesellschafter.

Salus: 1916 gründete der Arzt Dr. Otto Greither in München das Unternehmen, das seit 1945 von seinem gleichnamigen Sohn geleitet wird. Die Unternehmensgruppe setzt sich zusammen aus den drei Einzelfirmen Salus Haus, Salus Pharma und Schoenenberger. Die Gruppe erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 100 Millionen Euro. In der Reformwarenbranche gehört die Marke zu den meistverkauften Produkten. Insgesamt werden rund 400 Mitarbeiter beschäftigt.

Heel: Der Hersteller Biologische Heilmittel Heel wurde 1936 von Dr. Hans-Heinrich Reckeweg gegründet. Seit 1977 gehört Heel zu 100 Prozent zum Imperium des BMW-Großaktionärs Stefan Quandt. 1989 wurde die erste Tochterfirma von Heel in Spanien gegründet, inzwischen wird auch in den USA und in Belgien produziert. Der Jahresumsatz liegt bei rund 213 Millionen Euro. Am Hauptsitz in Baden-Baden sind 900 Mitarbeiter beschäftigt, weltweit sind es 1400.

Trommsdorff: Wie bei vielen Mittelständlern geht die Firma auf einen Apotheker und Chemiker zurück. Johann Bartholomäus Trommsdorff stellte als Inhaber der Schwan-Ring-Apotheke in Erfurt ab 1797 selbst Arzneimittel über den eigenen Bedarf hinaus her. Sein Sohn lässt die Firma 1837 eintragen. Das Unternehmen gehört seit 1975 zur spanischen Ferrer-Gruppe mit Hauptsitz in Barcelona. Am Standort in Alsdorf arbeiten rund 250 Mitarbeiter, davon ungefähr 100 in der Produktion. Vom Umsatz von rund 60 Millionen Euro entfallen rund 15 Millionen Euro auf die Lohnherstellung und 3 Millionen Euro auf den Export.

Retterspitz: Margarete Retterspitz beschäftigte sich Ende des 19. Jahrhunderts mit einer besonderen Rezeptur. Sie erhielt sie von einem Arzt und fand darin ein Schönheits- und Heilmittel. 1895 begann sie, gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann Friedrich Retterspitz das Heilwasser in Würzburg selbst zu produzieren. 1901 wurde das Präparat unter dem Namen „Universal-Heilwickel-Bäder von Margarete Retterspitz“ als Warenzeichen angemeldet. Später zog sie in die Schweiz und verkaufte die Rezeptur an Apotheker Hans Scheck. 1902 begann er nach erfolgreicher Selbstanwendung in Nürnberg mit der Produktion von „Retterspitzwasser für äußerliche Heilanwendungen“. Heute wird das Unternehmen in vierter Generation von den Brüdern Markus Valet und Florian Valet geführt.

Bombastus: Der Teehersteller wurde 1904 von Emil Bergmann, Max Däbritz und Otto Braune im sächsischen Freital gegründet. Während des SED-Regimes wurde das Unternehmen bis in die frühen 1970er Jahre noch von den Inhabern geführt. Die Firma wurde nach dem Mauerfall reprivatisiert und 2000 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Zum Sortiment gehören neben Tee auch Arzneimittel, Kosmetika und ätherische Öle. Mit rund 150 Mitarbeitern wurde im vergangenen Jahr ein Umsatz von rund 12,6 Millionen Euro erwirtschaftet. Der Name ist an den Arzt Bombastus „Paracelsus“ von Hohenheim angelehnt.

Strüngmann-Familie: Ursprünglich war der Emser-Hersteller Siemens & Co 1958 von den Erben des Industriellen Friedrich Siemens gegründet worden. Die Strüngmann-Familie hatte den Familienbetrieb 1998 gekauft. Auch Sidroga gehört zur Gruppe. Seit 2010 sitzen die Unternehmen in Bad Ems bei Koblenz unter einem Dach. Seit vergangenem Jahr firmieren Sidroga, Siemens & Co. und Klinge unter dem Dach von Strathos.

Der Familie gehört außerdem die Berliner Aristo-Gruppe, die 2008 aus dem 2001 gekauften Generikahersteller Lindopharm und den 2006 übernommenen OTC-Herstellern Steiner Arzneimittel (Sedariston, Sogoon) und Pharma Wernigerode (Kamillan, Parodontal, Imidin) hervorgegangen war. Seit 2009 gehört auch Neuraxpharm zum Portfolio der Familie. Der auf ZNS-Produkte spezialisierte Generikahersteller hat ebenfalls zwei OTC-Produkte im Sortiment. Die Firma wurde 1985 von Dieter Gehrmann gegründet.

Togal: Ein weiterer Klassiker aus vergangenen Zeiten ist Togal. Im Oktober 1914 von Kommerzienrat Gerhard Friedrich Schmidt als „Kontor Pharmacia“ gegründet, wurde das Unternehmen aus München mit dem gleichnamigen Schmerzmittel schnell zum internationalen Anbieter. 1960 übernahm Günther J. Schmidt die Leitung des Unternehmens. Doch der Sohn des Firmengründers, der in der gehobenen Partyszene immer wieder für Schlagzeilen sorgte, verpasste die Chance, die Produkte zu verjüngen. Um die Insolvenz zu vermeiden, holte er den Münchener Anwalt Karl-Heinz Weiss an Bord. Später stritten die ehemaligen Freunde vor Gericht über die Anteile an der Firma; nach Schmidts Tod im Jahr 2010 kam es auch noch zu Erbstreit.

Verla-Pharm: Millionen mit Magensium – Verla-Pharm gehört zu den „hidden Champions“ der Branche. Und Firmenchefin Gabriele von Ehrlich will auch am liebsten, dass das so bleibt. Das auf Nahrungsergänzungsmittel spezialisierte Unternehmen mit Sitz in Tutzing am Bodensee wurde von 1949 von ihrem Vater H.J. von Ehrlich gegründet. Der damals 30-Jährige hatte die Löwenapotheke in Reichenberg in fünfter Generation geführt, bevor er als Sudentendeutscher vertrieben wurde. Im Oktober 1957 wurde der Klassiker Magnesium Verla erstmals angeboten; heute verlassen pro Jahr rund 500 Millionen Dragees und 120 Millionen Granulatbeutel die Produktion – eine Stückzahl, die laut Unternehmen nur von wenigen Markenprodukten übertroffen wird. Insgesamt werden mehr als 70 Produkte angeboten; die Zweitlinie Xenofit richtet sich seit 1988 an Sportler.

P & M: Das Unternehmen wurde 1991 gegründet, die Abkürzung im Firmennamen steht für Pharmazie & Medizin. Das Unternehmen stellt die Kosmetik Dermasence her. Gesellschafter der ersten Stunde waren zwei Dermatologen und eine Apothekerin aus Münster sowie zwei Hautärzte aus Gütersloh. Als Investor konnte außerdem der Textilfabrikant Rembert van Delden gewonnen werden, der von 1961 bis 1976 für die CDU im Bundestag saß. Der Gesellschafterkreis ist über die Jahre größer geworden, durch Erbschaften und durch die Beteiligung weiterer Dermatologen. Insgesamt hat P & M heute rund 30 Anteilseigner.

Kreussler: Arzneimittel sind für Kreussler eigentlich nur ein Nebenprodukt. Denn die „chemische Fabrik“ ist seit ihrer Gründung 1912 durch Christian Kreussler auf Substanzen für die industrielle Textilreinigung spezialisiert. Mit innovativen Produkten wie dem MieleSystemKreussler, dem Ecosan-Verfahren und dem Flüssigwaschmittelsystem Derval Power hat sich der Mittelständler aus Wiesbaden einen Namen gebracht. 1948 kam die Pharmasparte dazu, Phlebologie und Zahnheilkunde bilden die Schwerpunkte. Heute werden Produkte wie Dynexan, Aethoxysklerol, Recessan und Dequonal in 50 Ländern vertrieben. Dr. Stephan Travers leitet das Unternehmen in vierter Generation.

FGP Pharma: Shootingstar oder Enfant terrible – An Dr. Clemens Fischer scheiden sich die Geister. Er schafft es, mit vergessenen Klassikern neue Zielgruppen zu erschließen und ganze Märkte auszuweiten. Andererseits nimmt er auf die Besonderheiten der homöopathischen Therapierichtung keine Rücksicht und ruft mit Aussagen zu seinen Produkten regelmäßig die Anwälte der Konkurrenz auf den Plan. Mit Naturwohl und Dr. Fischer hat er gleich zwei Hersteller aus dem Boden gestampft. Lactostop wurde an Dermapharm verkauft, Yokebe an Omega. Deseo, Taumea, Kijimea und Rubax dürfen weiter wachsen.

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