Kontingentartikel sind ein großes Ärgernis für viele Apotheken. Die Bestellung beim Hersteller kostet Zeit und Geld. Doch jetzt gibt es ein neues Angebot: Über Pharma Mall können Apotheken seit kurzem auch Ware über die Sanacorp ordern. Mit weiteren Großhändlern wird verhandelt.
Eigentlich war es ein Ärgernis, das sich recht schnell auflöste. Doch für Apothekerin Heike Nickolay blieben einige Fragen zurück: Hält Sanacorp Ware zurück? Am Dienstag musste sie für einen Patienten Januvia (MSD) ordern – doch bei ihrem Großhändler Sanacorp war das Diabetesmedikament nicht mehr vorrätig. „Man konnte es höchstens zur Nachlieferung bestellen, aber dann weiß ich ja gar nicht, wann genau es kommt“, sagt sie. Also schaute sie bei Pharma Mall nach und wurde fündig: Dort konnte sie die eine Packung, die sie brauchte, bestellen. „Sobald ich auf Bestellung ging, wurde mir dann aber angezeigt, dass ich es als Überweiser von Sanacorp beziehen kann. Ich war verwundert, aber dachte mir, man kann es ja mal probieren. Es war ja bei dem Patienten glücklicherweise nicht allzu eilig, er brauchte die Packung nur diese Woche noch.“
Denn – so dachte sie – es könnte noch ein paar Tage dauern. Doch es kam anders: 17 Uhr hatte sie bestellt, bereits mit der Nachttour lieferte der Großhändler die Ware – in der normalen Wanne und mit Rechnung der Sanacorp. „Ich habe dann beim Kundendienst angerufen, weil ich mich gewundert hatte. Die sagten erst, das würde von Pharma Mall an Sanacorp geschickt. Da habe ich erwidert, dass das gar nicht sein kann, denn es war ja wenige Stunden später schon bei mir“, erzählt die Inhaberin der St. Viktor Apotheke in Schwerte.
Irgendwas passte also nicht, deshalb blieb sie am Ball und wollte wissen, was es mit dieser umständlichen, aber letztlich doch schnellen Lieferung auf sich hat. „Das ist ganz neu, vor zwei Wochen war es noch nicht so. Anscheinend hat MSD jetzt in einigen Niederlassungen von Sanacorp eigene Kontingente für bestimmte Produkte“, sagt sie. Weitere Telefonate mit Sanacorp hätten etwas mehr Klarheit gebracht: Ihr wurde bestätigt, dass ihre Ware zum Bestellzeitpunkt in der Niederlassung in Herne vorrätig war.
Auf Nachfrage bestätigt MSD, dass alles seine Richtigkeit hat. Um den Service für die Apotheken zu verbessern, habe man ein entsprechendes Modell aufgesetzt, das die Auslieferung über den Großhandel ermöglicht. Der Großhändler übernimmt für den Hersteller die Auslieferung – allerdings in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. MSD stellt der Sanacorp also ein Sonderkontingent zur Verfügung – und weist die Kunden in ihrem Account bei Pharma Mall auch auf die neue Möglichkeit hin: Die Apotheke kann im MSD Webshop bei der Bestellung auswählen, ob die Lieferung durch MSD oder durch die Sanacorp und auf Rechnung der Sanacorp erfolgen soll.
Aktuell sind acht PZN betroffen, darunter die Großpackungen von Januvia und Janumet. Nur für zwei seltener abverkaufte Packungsgrößen gilt die neue Regelung nicht. Und der Hersteller will mit seinem Angebot schnell in die Fläche gehen: Man führe Gespräche mit allen Großhändlern, mit mindestens drei Unternehmen könnte es schon bald einen Abschluss geben, so ein Sprecher.
Das deckt sich mit dem, was der Kundendienst von Sanacorp auch Nickolay auf mehrfache Nachfrage erklärte: „Mir wurde gesagt, das sei die einzige Möglichkeit, diese kontingentierten Artikel zu beziehen, und dass es künftig immer mehr werden würden.“ Die Inhaberin ist trotzdem misstrauisch: „Der Großhandel ist doch eigentlich zur Lieferung verpflichtet, wieso werde ich dann zu Pharma Mall gezwungen? Man wird dazu genötigt, obwohl wir bei den Großhändlern eigentlich ein super System mit Verfügbarkeitsabfrage haben.“ Es habe sich bei ihrer jüngsten Bestellung nur um eine Packung gehandelt, „aber eigentlich müsste man mal versuchen, größere Mengen davon über Pharma Mall zu beziehen. Falls das geht, würde es das ja konterkarieren.“
Warum gibt MSD dann nicht einfach genügend Ware für alle Großhändler und Apotheken frei? MSD betont in diesem Zusammenhang, dass man schon immer deutlich mehr Ware in den Markt gebe, als für die Versorgung der Patienten benötigt werde, so der Sprecher. Trotzdem komme es immer wieder zu Engpässen. Mit dem neuen Konzept will es der Konzern den Apotheken wenigstens ein Stückweit komfortabler machen, indem die Ware schneller und zu den mit dem Großhandel vereinbarten Konditionen inkl. Rechnungsstellung geliefert werde.
Bei dem Pilotprojekt kann der Hersteller die Bestellungen weiterhin kontrollieren, da die Apotheken die Produkte über Pharma Mall anfragen müssen. Dadurch kann geprüft werden, ob es sich um außergewöhnlich hohe Mengen handelt, die eventuell ins Ausland verkauft werden könnten. Wie viele Artikel tatsächlich geordert wurden, wird dem Großhändler nicht mitgeteilt. Er erhält lediglich einen Auftrag über die Anzahl der zu liefernden Ware.
Bei der Sanacorp freut man sich über die Vereinbarung: „Es ist schön, dass wir Apotheken anbieten können, weg vom Direkt- und hin zum Überweisergeschäft zu gehen und damit den Bestellablauf zu erleichtern“, sagt ein Sprecher der Genossenschaft. Mit Astellas laufe das Pilotprojekt bereits seit mehreren Monaten, hier können derzeit zwei PZN über die Sanacorp bezogen werden. Der Hersteller hatte bereits 2017 in Zusammenarbeit mit der Noweda ein Modell aufgelegt, bei dem Kunden der Genossenschaft auf ein sogenanntes Notfalldepot zugreifen konnten. Dazu mussten die Apotheken aber die Rezepte als Nachweis einreichen. Das Modell wurde im November eingestellt. Ein weiterer Hersteller, der streng kontingentiert, ist AstraZeneca.
APOTHEKE ADHOC Debatte