Pharmahandelskonzerne

Phoenix: Das Vermächtnis Adolf Merckles

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Mannheim -

Vor 20 Jahren schworen am Frankfurter Flughafen Adolf Merckle und Dr. Bernd Scheifele das Führungsteam des neu geschmiedeten Großhändlers Phoenix auf die gemeinsame Linie ein. Am Mittwoch wurde in Mannheim in großer Runde auf das Erreichte angestoßen – und an den Firmengründer erinnert, der an diesem Tag 81 Jahre alt geworden wäre und dessen Namen die Konzernzentrale jetzt trägt. Der deutsche Marktführer soll als Familienunternehmen unabhängig bleiben und mit bewährten Tugenden und neuen Kooperationen in den globalen Wettbewerb gehen.

Merckles ausgeprägtes Unternehmertum, Weitblick, Scharfsinn und unbändige Zielstrebigkeit seien die Triebfeder für das dynamische Wachstum von Phoenix gewesen, sagte Konzernchef Oliver Windholz. Diese Grundsätze motivierten auch die neuen und zukünftigen Generationen: „Solange wir wachsam, fleißig und schnell sind, langfristig denken, Opportunitäten frühzeitig erkennen und zielgerichtet zuschlagen, haben wir das bessere und nachhaltigere Geschäftsmodell.“

Ludwig Merckle erklärte, dass sein Vater jahrzehntelang auf seine Vision eines bundesweit aufgestellten Großhändlers hingearbeitet habe. Um sich auf die Produktion von Fertigarzneimitteln zu konzentrieren, habe seine Familie noch vor dem 2. Weltkrieg die 1881 von seinem Urgroßvater gegründete Chemikaliengroßhandlung verkauft – im Gegenzug aber Anteile am Nürnberger Großhändler Otto Stumpf übernommen.

Dieses Aktienpaket habe sein Vater später „mit Zielstrebigkeit, viel Kapital und sehr langem Atem“ ausgebaut, genauso wie Beteiligungen an F. Reichelt (Hamburg), Hageda (Köln) und zuletzt Ferd. Schulze (Mannheim). Ziel sei es gewesen, die regional aufgestellten Firmen zu einem deutschen Marktführer zu vereinen, was angesichts vieler Widerstände in der Anfangszeit nicht einfach gewesen sei. Erst 2012 hatte die Familie die letzten Kleinaktionäre ausbezahlt.

Trotz des erfolgreichen Wachstums seien auch später die Zeiten nicht immer rosig gewesen, so Merckle weiter. „Die Finanzkrise hat die Welt, unsere Firmengruppe und auch unsere Familie in Atem gehalten.“ Heute sei Phoenix ein zukunftsfähiges Unternehmen und ein „dauerhaftes Standbein der Gruppe“. Er sei sicher, dass sein Vater stolz auf das Erreichte wäre. „Die Familie steht auch künftig hinter Phoenix“, versprach Merckle.

Scheifele, Konzernchef der ersten Stunde und heute Vorsitzender des Beirats, würdigte den Firmengründer in einer Rede voller persönlicher Anekdoten als „begeisterten Familienunternehmer“ der alten Schule: rastlos und fleißig, extrem scharfsinnig und analytisch, kreativ und neugierig, beharrlich und bescheiden.

In den 1960er Jahren habe Merckle mit Ratiopharm im kleinsten Rahmen angefangen; teilweise hätten er und seine Frau Ruth die ersten Lieferungen persönlich in die Apotheken gebracht. Der Aufbau des Generikakonzerns sei eine gewaltige Leistung gewesen, vergleichbar mit dem Lebenswerk der Aldi-Brüder im Handelsbereich, so Scheifele. Auch bei Phoenix sei Merckle mehr als der Ideengeber gewesen, etwa für das Modell der Betriebspacht, das aus seiner Feder stammte. „Er war der entscheidende Umsetzer.“

„Er war kein einfacher Mensch, er hatte Ecken und Kanten und lebte nach dem Motto: ‘Eigensinn macht Spaß’“, schilderte Scheifele die persönliche Seite Merckles. Er sei gegenüber traditionellen Lösungen stets skeptisch eingestellt gewesen und lieber gegen den Strom geschwommen. Dabei sei ihm aber immer zugute gekommen, dass er Dinge weit im Voraus antizipieren konnte, etwa das Aufkommen von Generika, und langfristig orientiert war.

Seine Prinzipien seien gewesen, Markt- und Kostenführer zu sein und Marktanteile als „Gewinne von morgen“ zu halten. „In den vergangenen beiden Jahren haben wir sehr erfolgreich deutlich gemacht, dass dieser Grundsatz weiter gilt“, so Scheifele. Außerdem habe Merckle auch Zinsen und Steuern als Kosten im Blick behalten, die es zu minimieren gelte.

Doch Merckle sei nicht nur Unternehmer gewesen, sondern auch Financier. Schon zu Studienzeiten habe er begonnen, alte Namen und Firmenmäntel aufzukaufen, zeitweise sei er einer der größten privaten Aktienbesitzer in Deutschland gewesen, so Scheifele. Gerade ab Ende der 1990er Jahre sei Merckle mit seinen Aktieninvestments sehr erfolgreich gewesen: „Was hier nach der Mittagspause zusammen mit einer Halbtagssekretärin erwirtschaftet wurde, überstieg manchmal das, was wir mit unseren zehntausenden Mitarbeitern erzielten.“ Die Erträge habe Merckle dann auch in seine Unternehmen reinvestiert.

Das Jahr 2008 habe von Anfang an unter einem schlechten Stern gestanden, erinnerte Scheifele weiter. Die Spannungen innerhalb der Familie hätten Merckle schwer belastet, ein Herzinfarkt im März habe ihn nicht nur entkräftet, sondern auch gezeichnet. Als im Spätsommer das erste Wetterleuchten der Finanzkrise zu bemerken gewesen sei, habe sich Merckle nicht mehr für Absicherungsstrategien öffnen wollen.

„Nicht der Unternehmer Adolf Merckle hat Schiffbruch erlitten, sondern der Financier, der das Ausmaß der Krise genauso falsch eingeschätzt hat wie die meisten von uns“, zitierte Scheifele einen Bankchef. Eine Milliarde Euro Verlust habe der Finanzbereich in dieser Zeit gebracht, noch einmal soviel hätten in der Folge Anwälte, Banken und Berater gekostet. Dass alle drei Unternehmen – Phoenix, Ratiopharm und HeidelbergCement – diese Kostenlawine auffangen konnten, zeigt laut Scheifele die operative Stärke.

Ob er den 5. Januar 2009 habe kommen sehen? Der Moment habe ihn überrascht, weil am Vorabend die letzten Formalitäten für das Stillhalteabkommen mit den Banken geklärt worden seien. Die Entscheidung selbst sei weniger überraschend gewesen: „Er konnte hart sein, auch gegen sich selbst. Er hat sich nie verziehen, dass er so falsch gelegen hat.“

Merckle sei ein introvertierter Mensch gewesen, so Scheifele. Als erst die gesundheitlichen und dann die finanziellen Probleme zunahmen, habe er noch weiter zugemacht – bis der Rucksack zu schwer geworden sei. „So schwierig und tragisch die letzten Monate waren: Er hat für sich die Verantwortung übernommen. Es steht niemandem zu, diese Entscheidung zu bewerten.“

Nach dem Beginn der neuen Ära habe sich dann im März 2009 die Zukunft von Phoenix entschieden: Ein Angebot des heutigen Celesio-Eigentümers McKesson habe auf dem Tisch gelegen, doch nach dem Verkauf von Ratiopharm habe die Familie die Freiheit gehabt, sich gegen eine Zukunft als „Dividendenschneider“ und für das Familienunternehmertum zu entscheiden. „Die Ideen und Prinzipien von Adolf Merckle wirken weiter, dafür bin ich dankbar“, so Scheifele.

Windholz versprach, die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben und für einen dauerhaften Erhalt und eine langfristige Wertsteigerung zu sorgen. „Wichtig ist, dass wir agieren statt reagieren, klare Ziele und schnelle und unkomplizierte Entscheidungswege haben. Wenn wir dann noch effektive Kooperationen über die Landesgrenzen hinaus schließen, haben wir als unabhängiges Familienunternehmen auch in einem globalen Wettbewerb die besten Chancen.“

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