Wer auch immer hinter dem Skonto-Prozess steckt – er wird sich Gedanken machen nach der ersten Verhandlung vor dem Landgericht Aschaffenburg. Denn die Vorsitzende Richterin interessierte sich nicht nur für die Frage, ob Skonti Rabatten gleichzusetzen sind. Sie fragt sich ernstlich, ob der Großhandel überhaupt verpflichtet ist, einen Teil seiner Marge für sich zu behalten. Nun kann der Skonto-Prozess im Extremfall dazu führen, dass wieder die komplette Marge zur Verhandlungssache wird. Die Apotheker könnten sich freuen. Für den Großhandel wäre es der Super-GAU.
Die Umstellung ihrer Marge war den Großhändlern eine Herzensangelegenheit. Zwar hätte sich die Branche einen deutlich höheren Festzuschlag als die schließlich in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) verankerten 70 Cent gewünscht. Aber immerhin war damit ab 2012 ein Teil der Marge dem Wettbewerb, jener viel beschworenen „Rabattschlacht“, entzogen.
Oder doch nicht? Im Skonto-Prozess fragte sich die Richterin offen, warum es überhaupt eine Rabattgrenze geben soll. In der AMPreisV stehe schließlich, der Großhandel dürfe Zuschläge bis zu einer Höchstgrenze von 3,15 Prozent plus 70 Cent erheben. Bei den Apothekern stehe dagegen im Gesetz sehr viel deutlicher, die Zuschläge „sind zu erheben“. Ein feiner semantischer Unterschied.
Demgegenüber steht die Sichtweise, dass im Gesetz klar von einem „Festzuschlag“ des Großhandels die Rede ist. Der Begriff schließe eine Rabattierbarkeit aus, so das Argument. Zudem habe der Gesetzgeber später klargestellt, dass sich auch die Hersteller im Direktgeschäft an die Rabattgrenze halten müssten.
Die Großhändler fühlten sich hinter dieser Grenze bislang sehr sicher – eine anderslautende Entscheidung des Kammergerichts Berlin wurde als nicht einschlägig abgetan.
Was im Wettbewerb störte, war der Skonto. Der Außendienst hatte in den Jahresgesprächen plötzlich angefangen, die Skontosätze zu problematisieren. Das Ganze gipfelte in der Debatte um das Anti-Korruptionsgesetz, die nicht als abgeschlossen betrachtet werden darf, aber dennoch ziemlich an Fahrt verloren hat.
Und dann gibt es noch diesen Prozess. Es ist nicht verbürgt, dass tatsächlich ein Großhändler hinter der Klage der Wettbewerbszentrale gegen AEP steckt. Doch Rechtsanwältin Christiane Köber hatte naheliegend und doch vielsagend erklärt: „Wir haben Beschwerden erhalten. Sie können sich denken, dass diese nicht von Apothekern kamen.“
Und AEP nervt die Mitbewerber mit seinen transparenten Konditionen, obwohl diese gar nicht immer besser sind als die Angebote der „Etablierten“. Zumindest in erster Instanz scheint AEP seine Rabatte und Skonti auch erfolgreich verteidigen zu können.
Der Großhändler aus Alzenau hatte in seiner sehr umfangreichen Klageerwiederung alle Register gezogen: Der Wettbewerbszentrale wurde Rechtsmissbrauch unterstellt, was nicht verfing. Phagro-Chef Dr. Thomas Trümper sollte in den Zeugestand gezerrt werden, was nicht gelang. Und schließlich wurden die Angebote der Konkurrenz in aller Breite zu Protokoll gegeben, um die Branchenüblichkeit der eigenen Konditionen zu beweisen.
AEP hatte sich aber noch ein zweites Sicherheitsnetz gespannt. Selbst wenn das Gericht Skonti den Rabatten gleichsetzen würde, wäre das kein Verstoß gegen den AMPreisV, so der Großhändler. Denn man sei keineswegs verpflichtet, die 70 Cent für sich zu behalten. Das leuchtete der Richterin offenbar ein.
AEP wird selbst kein Interesse daran haben, dass das Gericht in diesem Sinne entscheidet, die Folgen für den Wettbewerb wären immens. Aber einen Weg zurück gibt es nicht mehr.
Zwar könnte das Gericht die Frage unbeachtet lassen und die Klage mit Verweis auf den Charakter des Skonto abweisen. Es kann aber genauso gut den Festbetrag zum Abschuss freigeben. Das Landgericht wird sich nicht beeinflussen lassen, welche Punkte es bei seiner Entscheidung berücksichtigt.
Die einzige Chance, auf die womöglich auch AEP hofft: Die Wettbewerbszentrale nimmt die Klage zurück und es ergeht überhaupt kein Urteil. So oder so: Die Apotheker können sich nach aktuellem Stand endlich einmal zurücklehnen und dabei zusehen, wie zwei sich streiten.
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