Pharmahandelskonzerne

Phoenix „zieht“ nach Liechtenstein

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Berlin -

Wer als Privatperson ein Konto in der Schweiz hat, ist ein Steuersünder. Wer dagegen als multinationaler Konzern einen Briefkasten auf den Bermudas hat, gilt als Steueroptimierer. Und weil sich im Pharmahandel sowieso immer alles irgendwie um Prozente dreht, gibt es auch bei Boots/Walgreens, Celesio/McKesson und Phoenix mittlerweile Adressen, an die der deutsche Fiskus keine Steuerbescheide schicken kann.

Phoenix hat gerade den Sitz der Komplementärgesellschaft von Mannheim nach Vaduz in Liechtenstein verlegt. Zu den Gründen wollte eine Sprecherin keine Stellung nehmen; operativ ändere sich nichts.

Auch die Gesellschafterstruktur bleibt unverändert: Der Nummer 3 im europäischen Markt gehört zu 100 Prozent der Familie Merckle. Zwischengeschaltet sind Firmen wie Hageda, Otto Stumpf und F. Reichelt, die mittlerweile aber alle komplett zu Merckle gehören. Die ehemaligen Großhändler waren 1994 zu Phoenix verschmolzen und zu Verpachtungs- und Beteiligungsgesellschaften umfunktioniert worden.

Das Konzept der Steueroptimierung ist bei der Unternehmerfamilie aus Blaubeuren nicht neu, allerdings nutzte man bislang die Steueroasen innerhalb Deutschlands. Adolf Merckle hatte eine Reihe von Firmen in Norderfriedrichskoog angesiedelt. Die 44-Seelen-Gemeinde an der schleswig-holsteinischen Westküste verzichtet seit 1993 komplett auf die Gewerbesteuer; seit Ende 2003 gilt der gesetzlich festgelegte Mindesthebesatz von 200 Prozent.

Anfang 2010 wurden rund 70 Merckle-Finanzdrehscheiben von Standorten in ganz Deutschland nach Wünsdorf bei Zossen im Südosten Berlins verlegt. Dort gilt derselbe Hebesatz wie an der Nordsee, als weitere Argumente waren die Nähe zu Berlin und die gute Verkehrsanbindung ausschlaggebend. Vor Ort kümmert sich die langjährige Finanzchefin von Merckle, Dr. Susanne Frieß, um die Geschäfte.

In einer ganz anderen Liga spielt Alliance Boots. Schon 2008 hatte der britische Konzern den Sitz seiner Holding von London in die Schweiz verlagert. Deren Dachgesellschaft wiederum sitzt in Gibraltar; von da aus führt die Spur der Eigentümer nach Luxemburg und Monaco (Stefano Pessina) sowie auf die Cayman-Islands und nach Guernsey (KKR).

Im vergangenen Jahr hatten die Initiative „War on want“ sowie die Gewerkschaften „Unite the union“ (Großbritannien) und „Change to win“ (USA) einen gemeinsamen Bericht zu den Aktivitäten des Konzerns vorgelegt. Einen dreistelligen Millionenbetrag habe Alliance Boots in den vergangenen Jahren eingespart.

Leidtragende seien nicht nur die britischen Bürger, sondern auch Mitbewerber, die keine Holding- und Finanzierungsgesellschaften in Steueroasen unterhielten, so die Autoren. Als Beispiel wird in dem Bericht Celesio genannt.

Doch auch beim Stuttgarter Großhändler, bislang braver Steuerzahler und stolz darauf, könnten sich die Verhältnisse ändern. McKesson will Celesio nach dem Erwerb der Dreiviertelmehrheit in seine globalen Finanzstrukturen einbinden. Bei der Übernahme mit dabei waren Beteiligungsgesellschaften aus London, Luxemburg und Hamilton, Bermuda.

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