Uta Kemmerich-Keil steht nicht mehr an der Spitze von Procter & Gamble Personal Healthcare International. Wie der Belegschaft mitgeteilt wurde, wurde die ehemalige Merck-Managerin kurzfristig von ihrem Posten abberufen. Damit steht Procter & Gamble (P&G) nur wenige Monate nach der Übernahme der OTC-Sparte und mitten in der Integration plötzlich ohne Chefin da.
Kemmerich-Keil war nur ein Dreivierteljahr im Amt und verantwortete in der Zeit das OTC-Geschäft in Europa, Lateinamerika, Asien, Indien, dem Mittleren Osten und Afrika von Genf aus. Zum 30. September wird sie einvernehmlich ausscheiden. Grund für die Trennung seien unterschiedliche Auffassungen zur strategischen Ausrichtung der Sparte in der Zukunft, heißt es offiziell. P&G dankte ihr vielmals für die schnelle Integration der Merck-Sparte und die hervorragenden Ergebnisse des Bereichs im abgelaufenen Geschäftsjahr. Sie habe das Beste aus beiden Firmen zusammengeführt, ein neues Team gebildet und eine engagierte Organisation geschaffen.
In Darmstadt herrscht trotz der lobenden Worte Verunsicherung, da nun mit Erich Nobis und Andreas Gabriel nur noch zwei ehemalige Merck-Manager im globalen Leadership-Team vertreten sind. Ein Nachfolger steht noch nicht fest, vorerst leitet Thomas M. Finn, President Personal Health Care, den Bereich kommissarisch.
Seit Frühjahr 2014 hatte Kemmerich-Keil die OTC-Sparte von Merck geleitet. Sie hat Wirtschaftswissenschaften und französische Literatur studiert, danach arbeitete sie zunächst am Romanischen Seminar der Uni Freiburg und wechselte drei Jahre später ins Controlling zu Hoechst. Ab 1999 kümmerte sie sich bei Merck um Übernahmen: Die Akquisition von Serono und Millipore fielen genauso in ihre Zuständigkeit wie der Verkauf des Generikageschäfts an Mylan. Nach der Übernahme der OTC-Sparte von Merck durch P&G Ende 2018 war sie die erste Managerin auf neuem Posten.
Merck verkaufte das gesamte Consumer-Geschäft für 3,4 Milliarden Euro. Zu den prominentesten Marken gehören Nasivin, Femibion, Dolo-Neurobion, Vivera/Floratil, Sangobion, Vigantol, Apaisyl, Kytta, Neurobion, Bion3 und Seven Seas. Zu P&G wiederum gehören im Consumer-Bereich Wick, blend-a-med/blend-a-dent, Metamucil, Oral-b, Clearblue und Persona. Insgesamt wechselten weltweit rund 3300 Mitarbeiter von Merck zu P&G. Hierzulande hat Jochen Schlindwein – bei Merck bislang für Deutschland, Österreich und die Schweiz sowie das zentrale Osteuropa zuständig – die Verantwortung für das OTC-Geschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Merck bringt laut Insight Health in Deutschland Erlöse von 136 Millionen Euro auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) mit, bei P&G sind es 97 Millionen Euro. Zusammen kommen die Sparten also rein rechnerisch auf 233 Millionen Euro und damit auf Rang 8 unter den OTC-Herstellern hinter Bayer, GSK, Ratiopharm, Sanofi, Hexal, Stada, Klosterfrau und Bionorica. Wichtigste Marken sind künftig Wick mit 90 Millionen Euro sowie Femibion und Vigantol mit je knapp 40 Millionen Euro. Im Sommer wurde das seit 2011 bestehende Joint Venture zwischen P&G und Teva im OTC-Bereich beendet.
Der Verkauf der OTC-Sparte hatte Merck vergangenes Jahr einen deutlichen Ergebnissprung beschert. Unter dem Strich hatte sich der Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um knapp 30 Prozent auf 3,37 Milliarden Euro erhöht. „Durch den Verkauf von Consumer Health haben wir zudem unsere Verschuldung deutlich gesenkt“, sagte Stefan Oschmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Merck. Für 2019 erwartet der Konzern ein moderates organisches Umsatzwachstum im Vergleich zum Vorjahr und einen Anstieg beim bereinigten Ebitda aus eigener Kraft.
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