P&G macht Darmstadt dicht Patrick Hollstein, 14.06.2021 08:00 Uhr
Bei Procter & Gamble (P&G) gibt es massive Umstrukturierungen. Der ehemalige Merck-Standort in Darmstadt soll in diesem Jahr geschlossen werden. Rund 150 Mitarbeiter sind betroffen.
P&G hatte 2018 die OTC-Sparte von Merck übernommen – und zunächst schien es, dass Kultur und Struktur nicht einfach über Bord geworfen werden sollen. Immerhin hatte Merck über die Jahrzehnte ein tiefes Verständnis für das Apothekengeschäft entwickelt, während P&G nach der Logik eines Konsumgüterkonzerns und internationalen Vorgaben funktionierte.
So übernahm zunächst mit Uta Kemmerich-Keil zunächst eine ehemalige Merck-Managerin die Leitung des weltweiten Consumer-Geschäfts – doch schon nach wenigen Monaten trennte man sich wegen unterschiedlicher Auffassungen zur strategischen Ausrichtung. Kurz darauf waren auch Deutschlandchef Jochen Schlindwein und weitere Mitarbeiter seines Teams weg. Zuletzt ging vor kurzem überraschend Europachef Erich Nobis von Bord.
Nun zeichnet sich ab, dass sein Ausscheiden wohl in einem größeren Zusammenhang zu sehen ist. Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC soll der Standort in Darmstadt noch in diesem Jahr komplett geschlossen werden. Eine Konzernsprecherin bestätigt: „Wie Anfang des Jahres angekündigt, werden wir unsere Aktivitäten in Deutschland weiter ausbauen und die Harmonisierung unserer Prozesse sicherstellen. Nach der Harmonisierung der Prozesse folgt als nächster Schritt der Umzug von Darmstadt nach Schwalbach. Voraussichtlicher Umzugstermin ist die zweite Novemberhälfte.“
Im Zuge der Integration in die Organisationsstruktur von P&G würden im kommenden Geschäftsjahr 2021/22 rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Schwalbach umziehen, rund 50 Stellen fielen weg. „Betriebsrat und Unternehmen haben sich in diesem Zusammenhang bereits auf einen Interessenausgleich und Sozialplan verständigt. Der Stellenabbau erfolgt ohne betriebsbedingte Kündigungen und beinhaltet unter anderem auch freiwillige Abfindungspakete sowie Unterstützungsleistungen bei privaten Umzügen.“
Allerdings soll im kommenden Jahr auch das erst vor einem Jahr aufgesetzte European Planning Center nach Warschau verlagert werden. Auch hier sind noch einmal mehr als 50 Stellen betroffen, für die eine Lösung noch verhandelt werden muss. Zieht man den gut 60-köpfigen Außendienst ab, könnte also jeder zweiter Arbeitsplatz wegfallen.
Merck hatte das gesamte Consumer-Geschäft für 3,4 Milliarden Euro an P&G verkauft. Zu den prominentesten Marken gehören Nasivin, Femibion, Dolo-Neurobion, Vivera/Floratil, Sangobion, Vigantol, Apaisyl, Kytta, Neurobion, Bion3 und Seven Seas. Insgesamt wechselten weltweit rund 3300 Mitarbeiter von Merck zu P&G, allerdings hatte es danach massive Umstrukturierungen gegeben. Zu P&G wiederum gehören im Consumer-Bereich Wick, blend-a-med/blend-a-dent, Metamucil, Oral-b, Clearblue und Persona. Seit 2011 existierte ein Joint Venture mit Teva, das allerdings beendet wurde.
In deutschen Apotheken ist P&G mit Umsätzen von rund 190 Millionen Euro (Apothekenverkaufspreise, rAVP) laut Insight Health die Nummer 7 unter den OTC-Herstellern. Während Wick infolge der ausgefallenen Erkältungssaison mehr als ein Drittel verlor, legten die anderen großen Marken zweistellig zu.