Pfizer darf für sein Präparat Baldriparan im Fernsehen nicht mehr mit dem Satz „1 Dragee am Abend“ werben. Das Landgericht Berlin fand den Spot des Pharmakonzerns irreführend. Aber: Die isolierte Verwendung des Claims auf der Verpackung ist zulässig.
Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale. Der Hinweis „1 Dragee am Abend“ ist aus ihrer Sicht ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Verbraucher würden danach nämlich erwarten, dass bereits mit der Einnahme nur eines Dragees ein ruhiger Schlaf erreicht werden könne. Tatsächlich sei das Produkt laut Gebrauchsinformation aufgrund der allmählich einsetzenden Wirkung nicht zur akuten Behandlung von nervös bedingten Schlafstörungen geeignet. Pfizer selbst empfiehlt eine kontinuierliche Behandlung über zwei bis vier Wochen.
Im TV-Spot ist eine friedlich schlafende Frau zu sehen. Dazu heißt es: „Gut ein- und durchschlafen. Baldriparan stark für die Nacht hilft dabei mit einem Dragee am Abend.“ Eingeblendet wird auch die Packung mit einer roten Banderole „1 Dragee am Abend“, der Satz wird in einem großen roten Punkt noch einmal wiederholt. Zudem wird darauf hingewiesen, dass „der hochkonzentrierte Baldrian“ beim Einschlafen helfe und die natürlichen Schlafphasen bis zum Morgen unterstütze.
Hinsichtlich des Werbespots gab das Landgericht der Wettbewerbszentrale Recht. Es wies darauf hin, dass die Aussage „1 Dragee am Abend“ in dem Werbefilm als gute und effiziente Wirkweise und als Versprechen eines schnellen Ein- und Durchschlafens verstanden werde. Das Gericht stellte die Aussage in den Gesamtzusammenhang des Werbefilms: Dieser wurde mit den Worten „Gut ein- und durchschlafen“ eingeleitet, es wurde die Effizienz betont („stark für die Nacht“) und auf eine hohe Konzentrierung („der hoch konzentrierte Baldrian“) hingewiesen.
Die isolierte Verwendung des Hinweises hält das Gericht dagegen für zulässig. Dies begründet es damit, dass sich der Durchschnittsverbraucher beim Kauf eines Medikamentes informiere und zwischen Beruhigungs- und Schlafmitteln unterscheide. Der Name lasse bereits auf ein pflanzliches Beruhigungsmittel schließen. Die Angabe „1 Dragee am Abend“ sage zunächst aus, dass von diesem Medikament abends eine Tablette einzunehmen sei. Dies sei nur ein Hinweis auf die übliche Dosierung. Die Umverpackung enthalte keinen weiteren Hinweis, der zu der Annahme berechtige, ein Akutarzneimittel vor sich zu haben und eine Schlafstörung mit der ersten Tablette beseitigen zu können.
Über die Baldriparan-Werbung streitet Pfizer schon seit 2015 mit der Wettbewerbszentrale. Der Hersteller hatte zunächst mit der Aussage „nur ein Dragee genügt“ geworben und auf der Internetseite auf eine „Soforthilfe“ hingewiesen. Pfizer hat Anfang Dezember 2015 die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben und den TV-Spot angepasst.
Auf der Verpackung wirbt der Konzern jetzt mit dem Hinweis: „1 Dragee am Abend“. Mit der Aussage solle auf die Einnahme und die hohe Dosierung im Vergleich zu anderen pflanzlichen Sedativa aufmerksam gemacht werden. Doch zumindest mit dem TV-Spot ist Pfizer mit dieser Argumentation vor Gericht nicht durchgedrungen.
Unter der Marke Baldriparan gibt es zwei freiverkäufliche Produkte, die teilweise auch im Drogeriemarkt erhältlich sind. Das Präparat „stark für die Nacht“ ist seit 1999 auf dem Markt und enthält hochkonzentriertes Baldrianwurzeltrockenextrakt, Baldriparan „zur Beruhigung“ die Wirkstoffe Baldrianwurzel, Hopfenzapfen und Melissenblätter. Die Marke wurde mit der Übernahme von Wyeth im Jahr 2009 im Sortiment von Pfizer aufgenommen.
Der Konzern erwirtschaftet hierzulande mit rezeptfreien Produkten einen Jahresumsatz von rund 170 Millionen Euro auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP). Die Zahl der abgegebenen Packungen liegt bei rund elf Millionen Stück. Marktführer unter den freiverkäuflichen Beruhigungsmitteln ist Neurexan von Heel. Das homöopathische Arzneimittel enthält neben Passionsblume auch Hafer oder Kaffeesamen. Dahinter rangiert Baldriparan, auf Platz 3 folgt Hoggar Night von Stada.
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