Stefano Pessina ist am Ziel: Bei der außerordentlichen Hauptversammlung in New York stimmte die überwiegende Mehrheit für die komplette Fusion der US-Apothekenkette Walgreens und des europäischen Pharmahändlers Alliance Boots. Schon am 31. Dezember soll der Deal unter Dach und Fach gebracht werden. Dann soll der erste globale Apothekenkonzern unter dem Namen Walgreens Boots Alliance (WBA) an der Börse Nasdaq eingetragen werden.
97 Prozent der Aktionäre stimmten für die Fusion, dies entspricht 73 Prozent aller möglichen Stimmen. Eine große Wahl hatten die Anleger freilich nicht, denn die ersten 45 Prozent an Alliance Boots hatte Walgreens 2012 ohne Abstimmung erworben. Seitdem waren die beiden Konzerne im Rahmen einer „strategischen Partnerschaft“ miteinander verwoben worden, sodass ein Rückzieher große Probleme bereitet hätte.
Womöglich hoffen nicht wenige Investoren, dass sie bald Kasse machen können. Vor einigen Jahren hatte Pessina gezeigt, wie zügig er seine Pläne durchsetzen kann: Nur ein Jahr nach der Fusion von Alliance UniChem und Boots hatte er gemeinsam mit dem US-Finanzinvestor KKR den Konzern 2007 von der Börse genommen. Der Deal ist bis heute die größte fremdfinanzierte Übernahme in der Geschichte – mit einem Volumen von rund 12,4 Milliarden Britischen Pfund hatte er dieselbe Dimension wie die aktuelle Übernahme.
Walgreens hatte im Sommer 2012 zunächst 45 Prozent der Anteile für 6,7 Milliarden US-Dollar an Alliance Boots übernommen, für den Rest wurde eine Option vereinbart. Dafür muss Walgreens noch einmal rund 5 Milliarden Dollar in bar sowie 144,3 Millionen Aktien auf den Tisch legen, was zu einem Gesamtpreis von knapp 16 Milliarden Dollar führt. Mit etwa 16 Prozent wird Pessina künftig größter Einzelaktionär sein.
Der Italiener hat bei WBA von Anfang an die Macht, weil Walgreens-Chef Greg Wasson vor einigen Wochen überraschend den Chefsessel freigemacht hatte. Im Streit um eine Verlegung des Firmensitzes in steuerlich günstigere Gefilde soll Wasson mürbe gemacht worden sein. Medienberichten zufolge sollen mehrere mächtige Hedgefonds, darunter Jana Partners, auf seinen Abgang gedrängt und sogar ihre Zustimmung zur Fusion davon abhängig gemacht haben.
Der Streit mit dem Pharmacy Benefit Manager (PBM) Express Scripts vor einigen Jahren hatte Wassons Reputation erheblich geschadet; dass er im Sommer die Prognose kassieren und seinen Finanzchef feuern musste, könnte den Rest gegeben haben.
Ohnehin ist den institutionellen Investoren klar, dass Pessina der Mann für WBA ist. Schließlich soll Wasson daher der Verabschiedung per goldenem Handschlag zugestimmt haben. Auf bis zu 120 Millionen Dollar schätzen Beobachter die Abfindungssumme für den Mann, der den US-Konzern dem „Silberfuchs“ ausgeliefert hat.
Der Firmensitz in Deerfield, Illinois, steht laut WBA nicht zur Diskussion. Operativ stehen aber zahlreiche Änderungen an. Pessinas Ziel ist es, den Einkauf in der Schweiz zu bündeln, um so erhebliche Rückvergütungen von der Industrie fordern zu können. Außerdem sollen die Geschäfte umgebaut werden auf eine ertragsorientiertere Sortimentsstruktur. Während bei Boots heute rund 50 Prozent des Ertrags in der Freiwahl gemacht werden, sind es bei Walgreens nur 37 Prozent. In den Landesgesellschaften rechnet man mit weiteren Sparprogrammen.
Der Konzern betreibt rund 11.500 eigene Apotheken, 8200 davon in den USA. Allerdings hatte Pessina erst im Mai rund 1400 Apotheken in Südamerika gekauft, sodass es ingesamt knapp 13.000 eigene Verkaufsstellen gibt. Alliance Boots ist außerdem als Großhändler aktiv.
Zuletzt erlöste Walgreens 76,4 Milliarden Dollar, Alliance Boots kam bis Ende März 2014 auf einen Umsatz von 23,4 Milliarden Pfund.
APOTHEKE ADHOC Debatte