Binden, Kompressen, Verbände – Produkte zur Wundversorgung sind ein wachsender Markt in Apotheken. Weil das bei den Krankenkassen zu steigenden Ausgaben führt, suchen sie nach Einsparungsmöglichkeiten. Eine Option bietet der Parallelvertrieb – sofern die Produkte verfügbar sind. Das Unternehmen Bios Medical Sevices (BMS) hat sich auf dieses Geschäft spezialisiert und die Defektquote deutlich gesenkt. Trotzdem wurden die Produkte jetzt von der Noweda ausgelistet – angeblich wegen der Rabattpolitik.
BMS kauft für den Parallelvertrieb die Originalprodukte der Hersteller und bringt sie unter eigener Zulassung in den Markt. Dazu wird die Packung lediglich mit einem Aufkleber mit der neuen Pharmazentralnummer versehen. Die identische Ware ist im EU-Ausland mit bis zu 80 Prozent Preisabschlägen verfügbar, durchschnittlich bietet BMS die Originalprodukte nach eigenen Angaben hierzulande 10 Prozent günstiger an.
Das drückt natürlich auch bei den Großhändlern auf das Geschäft, zumal BMS laut Geschäftsführer Jörg Schmitz eine sehr stringente Konditionenpolitik fährt. Die Noweda habe deshalb bei ihm vorgesprochen und einen hohen sechsstelligen Betrag zurückgefordert. Die Summe sei eine fiktiv errechnete Differenz zwischen den BMS-Preisen und den Preisen der Originalware samt Rabatten gewesen. Schriftlich hat Schmitz die Forderung nicht, im anschließenden E-Mail-Verkehr sei immer nur von „Einkaufsoptimierung“ die Rede gewesen.
BMS wollte sich darauf nicht einlassen, bot dem Großhändler aber eine Rabattstaffel an. Doch man kam nicht zueinander: Im Januar listete die Genossenschaft alle BMS-Produkte zur Wundversorgung aus. Noweda-Apotheken müssen die Produkte daher jetzt direkt bestellen, BMS hat dabei von Trans-o-flex auf DHL gewechselt. Die Nahrungsergänzungsmittel, die etwa die Hälfte des Umsatzes von BMS ausmachen, werden dagegen nach wie vor vom Großhändler geführt. Nach eigenen Angaben erlöst BMS insgesamt einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag.
Für Nachfragen war bei der Noweda bislang niemand zu erreichen. Gegenüber Apotheken begründete der Großhändler die Auslistung in der Vergangenheit damit, BMS sei als Lieferant unzuverlässig.
Allerdings geht die Genossenschaft auch gegen andere Anbieter rigoros vor: Weil Wörwag sein Skonto gegenüber den Großhändlern gekürzt hat, wurde der Hersteller aus Stuttgart ebenfalls komplett ausgelistet – sowohl mit dem betroffenen Rx-Segment als auch mit seinen OTC- beziehungsweise Freiwahlprodukte.
Für BMS kann das Vorgehen der Noweda zu einer Wachstumsbremse werden. Die Umsätze mit Produkten zur Wundversorgung in Apotheken steigen kontinuierlich: Nach Zahlen von Insight Health haben die Großhändler im vergangenen Jahr insgesamt Verbandstoffe im Wert von 500 Millionen Euro an die Apotheken ausgeliefert, zwei Jahre zuvor waren es 443 Millionen Euro. Die Direktversorgung von Wundzentren und großen Klinikbereichen kommt noch dazu.
Entsprechend achten die Kassen auf die Preise: Die AOK Rheinland-Pfalz hatte im vergangenen Jahr Apotheken retaxiert, wenn diese, anders als im Liefervertrag vereinbart, keinen günstigen Anbieter ausgewählt hatten. Lieferausfälle mussten die Apotheken mit Defektmeldungen belegen. Die AOK Nordost belässt es derzeit noch bei Empfehlungen.
Bei einer Abfrage von BMS in Apotheken kam heraus, dass 5 Prozent in den beiden Bundesländern schon wegen Verbandsstoffen retaxiert, ebenso viele zumindest von einer Krankenkasse darauf angesprochen wurden. Die Mehrheit sei für das Thema bereits sensibilisiert. Wichtig ist den meisten Apotheken demnach vor allem die Verfügbarkeit.
Das musste sich BMS auch in vielen Gesprächen mit Krankenkassen anhören. Diese hätten sehr deutlich gemacht, dass der Parallelvertrieb nur bei verlässlicher Lieferfähigkeit attraktiv sei, berichtet Schmitz. Daher habe man reagiert und die Lagerbestände hochgefahren, was natürlich Kapital binde.
Sollte es dennoch zu Engpässen zu kommen, will BMS möglichst schnell reagieren. Eine Defektmeldung soll in diesen Fällen automatisch an die Software gemeldet werden. Das soll die Apotheken auch vor etwaigen Retaxationen schützen.
Demnächst will BMS die Ärzte und Apotheker mit einer Informationskampagne ins Boot holt: Im zweiten Quartal sollen jeweils 20.000 Praxen und Apotheken die Broschüren zum Parallelvertrieb erhalten. Damit die Ärzte auch gleich richtig verordnen können, sind die BMS-Produkte jetzt auch wieder in den Datenbanken der ifap gelistet. Insgesamt 1400 PZN wurden gemeldet. Ab April sollen die Informationen auch auf den Datenträgern der Software „ifap praxisCenter“ sein, nicht nur in der Onlineversion.
BMS ist ein Tochterunternehmen der Hecht Pharma aus Hollnseth in Niedersachsen. Der Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln ist wiederum eine Schwesterfirma der Gall Pharma. Diese wurde bereits 1981 von Apotheker Dieter Gall im österreichischen Judenburg gegründet, anfangs als pharmazeutischer Großhandel. Als Gall immer öfter Anfragen zu Nahrungsergänzungsmitteln aus Österreich und Deutschland erhielt, begann er mit der Entwicklung und Herstellung von NEM im eigenen Betrieb. 1995 gründete er in der Nähe von Cuxhaven die Hecht Pharma.
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