Der Parallelimport steht immer dann in der Kritik, wenn Fälschungen aus dem Ausland in die reguläre Lieferkette gelangen. Auch über den Sinn der Importquote wird mit Blick auf die Einsparungen regelmäßig gestritten. Das Recherchenetzwerk Correctiv kritisiert das Geschäftsmodell in einem umfangreichen Beitrag heute wegen der vermeintlichen Folgen für Länder, aus denen die Arzneimittel exportiert werden. Im Fokus steht der Importeur Kohlpharma. In Merzig ist man alles andere als glücklich mit dem Zustandekommen und der Qualität des Beitrags.
Unter dem Titel „Die Medikamente der Anderen“ versucht sich Correctiv an der Erklärung, „warum deutsche Krankenkassen ein paar Euro sparen, wenn ein 13-jähriger Junge in Rumänien seine Epilepsie-Tabletten nicht bekommt“. Der Einzelfall befasst sich mit dem Mittel Trileptal (Oxcarbazepin, Novartis). Dieses sei in Rumänien knapp, angeblich weil Parallelhändler das Medikament unter anderem nach Deutschland exportierten. Denn hierzulande koste es 39,16 Euro, in Rumänien aber nur 9,69 Euro (300mg, 50 Tabletten).
Das Beispiel mag unglücklich gewählt sein, denn Oxcarbazepin ist in Deutschland generisch, Krankenkassen werden kaum mit Importen zum Originalpräparat sparen. AOK-Versicherte etwa bekommen das Präparat von Aliud, Barmer-Versicherte können zwischen 1A Pharma, Aliud und Mylan dura wählen, TK-Versicherte nur zwischen den beiden letztgenannten. Da Rabattverträge die Importklausel ausstechen, dürfte sich der Importanteil gerade bei diesem Präparat in Grenzen halten.
Aber das ist nur ein Punkt, über den man sich bei Kohlpharma ärgert: „Rumänien ist für uns kein relevantes Einkaufsland. Seit 2009 haben wir dort für insgesamt fünf Millionen Euro Ware eingekauft“, so Geschäftsführer Jörg Geller. Diese Zahl habe man dem Team von Correctiv und RTL auch genannt, im Beitrag tauche sie leider nicht auf.
Correctiv zitiert dagegen einen Bericht der Zeitung „Ziarul Financiar“, wonach 2016 insgesamt Medikamente im Wert von mindestens 575 Millionen Euro aus Rumänien exportiert wurden. Der Rechercheverbund legt noch IMS-Zahlen vor, wonach Deutschland auch in Europa mit Abstand größter Arzneimittelimporteur mit einem Anteil von 50 Prozent ist, bei einem Gesamtvolumen von 5,4 Milliarden Euro.
Kritisch setzt sich Correctiv auch mit der Importquote auseinander, die auch hierzulande immer wieder diskutiert wird. Im Beitrag kommt Dr. Christopher Hermann zu Wort, der als prominentester Kritiker der Quote gelten darf, weil als Chef der AOK Baden-Württemberg selbst auf Kassenseite sitzt. Später geht es im Beitrag noch die Beziehungen der Importeure zur Politik und das Lobbying in Brüssel.
Bei Kohlpharma findet man den Beitrag tendenziös und selektiv. In Merzig überlegt man noch, wie man mit der Berichterstattung umgeht. Worüber sich Geller auch ärgert: Die Reporter hätten eine Geschichte über Einsparmöglichkeiten bei Krankenkassen angekündigt. Die Rumänien-Geschichte sei erst im Laufe des Gesprächs aufgekommen. Aber auch hierzu habe man geduldig geantwortet, nur seien die Antworten größtenteils nicht gebracht worden. Und dass als Kronzeuge gegen den Parallelimport ausgerechnet der Vertreter einer Patientenorganisation auftritt, bei der das Who is Who der großen Originalhersteller in der Sponsorenliste steht, war für Geller der letzte Beweis, dass hier eine vorgefertige Geschichte erzählt werden sollte.
Grundsätzlich bestätigte Geller, dass Parallelimporteure auch Arzneimittel ausführen, die auf Mangellisten stehen. In Rumänien muss dies in diesen Fällen beantragt werden. In aller Regel erfolge dann eine Genehmigung. Andere Länder wie Frankreich verhängten dagegen Ausfuhrsperren, wenn Medikamente knapp würden, worauf auch Correctiv hinweist.
Im Übrigen ist auch Apotheken hierzulande das Problem von Lieferengpässen geläufig. Das betrifft Impfstoffe, Antibiotika und Schnelldreher wie Metformin. Anfällig sind teilweise aber auch hochpreisige Arzneimittel, die in Deutschland aufgrund der Preisverhandlungen zwischen Hersteller und GKV-Spitzenverband aber dennoch günstiger sind als in anderen Ländern.
Rumänien ist für die großen Importeure übrigens schon deswegen kein attraktives Bezugsland, weil dort die Gefahr vergleichsweise groß ist, an Fälschungen zu gelangen. Das hat mit der Nähe zur Türkei zu tun, die nicht zur EU gehört und aus der deswegen keine Medikamente eingeführt werden dürfen. Mehrere der Fälschungsskandale der jüngeren Vergangenheit hatten ihren Ursprung in Rumänien.
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