Der Hersteller Weber & Weber muss erneut um seinen Klassiker Otovowen kämpfen – und zwar gleich an zwei Fronten: Einerseits will das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die empfohlene Anwendungshäufigkeit und Dosierung kürzen. Andererseits sollen die beantragte Zulassung für Tabletten ganz verweigert werden.
Otovowen ist seit knapp 60 Jahren auf dem Markt und enthält Aconitum napellus und Hydrargyrum bicyanatum jeweils als Dil. D6, Capsicum annuum, Hydrastis canadensis, Iodum und Natrium tetraboracicum jeweils als Dil. D4 sowie Chamomilla recutita, Echinacea purpurea, Sambucus nigra und Sanguinaria canadensis als Urtinkturen.
Als „Altarzneimittel“ besaß das Präparat seit 1978 eine fiktive Zulassung, 2007 wurde das Nachzulassungsverfahren abgeschlossen. Seitdem ist das Präparat zur „Besserung der Beschwerden bei Mittelohrentzündung, Schnupfen“ zugelassen, wobei sich die Anwendungsgebiete leiten von den homöopathischen Arzneimittelbildern ableiten.
Hier gab es schon das erste Problem. Denn Weber & Weber wollte seinen Klassiker gerne als Tablette auf den Markt bringen – analog zu Vowen-T, das allerdings nur als registriertes homöopathisches Arzneimittel und daher ohne Angabe einer Indikation vertrieben wird. Laut BfArM fehlte es aber an einer ausreichenden Kombinationsbegründung, also dem Nachweis, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet. Dies galt laut Behörde für sechs Bestandteile und dabei insbesondere für Hydrargyrum bicyanatum und Sambucus nigra.
Zum Verhängnis wurde dem Hersteller im Prozess vor dem Verwaltungsgericht Köln (VG), dass die ausgelobte Indikation zwei verschiedene, durch Komma getrennte Krankheitsbilder erfasst: So tritt Schnupfen laut Gericht zwar oft gemeinsam mit Mittelohrentzüngung auf, aber nicht zwingend im Sinne einer Begleiterscheinung. „Soll das streitgegenständliche Arzneimittel aber bei zwei selbständigen Anwendungsgebieten, Mittelohrentzündung oder Schnupfen, eingesetzt werden, so ist für die Kombinationsbegründung zu fordern, dass alle Bestandteile einen positiven Beitrag zu beiden Indikationen leisten, also zu Ohrsymptomen und zu Schnupfen. Denn ein Wirkstoff, der nur bei einer Ohrentzündung wirksam ist, wäre bei Schnupfen wirkungslos und damit überflüssig. Ebenso wäre ein Wirkstoff, der nur bei Schnupfen Wirksamkeit entfaltet, im Fall einer Mittelohrentzündung ohne Schnupfen ohne Nutzen und damit ohne positiven Beitrag.“
Den Versuchen des Herstellers, die Wirkung über Produktgruppe oder Organsystem herzuleiten, folgten die Richter nicht. Und auch die Tatsache, dass die Tropfen erst wenige Jahre zuvor erfolgreich nachzugelassen wurden, helfe nicht weiter: „Ein Vertrauensschutz kann allenfalls im Hinblick auf den Fortbestand des bereits zugelassenen Arzneimittels bestehen. Bei der Entscheidung über den neuen Zulassungsantrag entscheidet die Beklagte auf der Grundlage einer neuen Bewertung der eingereichten Unterlagen.“ Liege ein Versagungsgrund vor, sei die Behörde sogar verpflichtet, die Zulassung zu verweigern. „Eine Zulassung wäre rechtswidrig. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht hat die Klägerin nicht.“
Parallel musste Weber & Weber vor Gericht auch um den Klassiker kämpfen. Schon bei der Nachtzulassung hatte es Streit um die Einnahmeempfehlungen gegeben: Während Erwachsene laut Hersteller bei akuten Zuständen 12 bis 15 Tropfen alle halbe bis ganze Stunde und bis zu zwölfmal täglich einnehmen sollen, wollte das BfArM nur fünf Tropfen alle halbe bis ganze Stunde und maximal sechsmal täglich erlauben. Zur Begründung hatte die Kommision D bereits 2002 auf den risikorelevanten Bestandteil Sanguinaria verwiesen und die niedrigere Dosierung für ausreichend und wirksam erklärt.
Schon 2008 ging der Fall vor Gericht; im Kern ging es um die Frage, ob bei Komplexmitteln – anders als bei Hochpotenzen – von einer dosisabhängigen Wirkung auszugehen sei. Laut Hersteller haben die eingesetzten Urtinkturen und Niedrigpotenzen nach den Vorstellungen der organotropen Homöopathie durchaus eine stoffliche Wirkung auf das erkrankte Organ, sodass es für die Wirksamkeit sehr wohl auf die Dosierung ankomme: Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die geforderte Einzelgabe von fünf Tropfen genauso wirksam sei wie die bisherige Dosierung von 12 bis 15 Tropfen, die sich in der jahrzehntelangen Anwendung bewährt habe.
Eine angebotene Studie zum Vergleich der beiden Dosierungen sei vom BfArM mit derart hohen Anforderungen versehen worden, dass sie faktisch undurchführbar sei. Allerdings sah der Hersteller ohnehin keine Sicherheitsbedenken: Seit Beginn der Dokumentation der Verkaufszahlen im Jahr 1999 seien keine Meldungen über Erstverschlimmerungen bekannt geworden. Demnach sei keine eigene Sicherheitsstudie erforderlich. Überhaupt kritisierte der Hersteller, dass in der Kommission D nur „klassische“ Homöopathen vertreten seien.
Doch das VG ließ die Argumentation auch in diesem Fall nicht gelten. Ein Arzneimittelrisiko liege nicht nur dann vor, wenn Stoffe enthalten seien, die eine schädliche pharmakologisch-toxikologische Wirkung auf den Körper hätten. Vielmehr sei „jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit“ umfasst, sodass auch die spezifischen Risiken homöopathischer Arzneimittel eingeschlossen seien: „Hierzu gehören die Risiken der sogenannten ‚Erstverschlimmerung‘, also der Zunahme der Symptome der Ursprungskrankheit, und die sogenannten ‚Arzneimittelprüfsymptomatik‘. Hierbei handelt es sich um Symptome, die auf die übermäßige Anwendung des Arzneimittels zurückzuführen sind und bei homöopathischen Arzneimittelprüfungen an gesunden Probanden festgestellt werden.“
Dabei bezog sich das VG auch auf ein Musterverfahren zu Dosierungsauflagen des BfArM für Glonoinum Hevert. Dort hatten Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) beziehungsweise Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) festgestellt, dass die höhere Dosierung bei homöopathischen Arzneimitteln in der Regel nicht mit einer Zunahme des Nutzens verbunden ist, sodass ein höheres Risiko bei gleichbleibendem Nutzen somit grundsätzlich zu einem ungünstigen Nutze-Risiko-Verhältnis führt. Im aktuellen Fall habe der Hersteller keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die diese im Musterverfahren getroffenen Feststellungen über den generellen Zusammenhang einer überhöhten Dosierung von homöopathischen Arzneimitteln mit den spezifischen Risiken dieser Mittel erschüttern könnten.
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