Die Werbung für Arzneimittel außerhalb der Fachkreise ist streng geregelt. Apotheker dürfen bei Patienten nicht für Arzneimittel werben. Auch das Siegel „Medikament des Jahres“ ist nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG) unzulässig, weil es vom Bundesverband Deutscher Apotheker (BVDA) vergeben wird. Die Werbung mit dem Siegel wurde jetzt auch anderen Herstellern untersagt.
Nachdem Integritas erfolgreich gegen die Wick-Werbung vorgegangen war, hatte der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) weitere Hersteller abgemahnt und aufgefordert, ihre Produkte nicht mehr außerhalb der Fachkreise als „Medikament des Jahres“ zu bewerben. Die Werbung mit dem Siegel sei eine klare Empfehlung von Fachkreisen, sagt VSW-Geschäftsführerin Angelika Lange. Eine Empfehlung müsse nicht zwingend durch eine Person ausgesprochen werden, sondern könne auch durch eine anonyme, allgemeine Gruppe erfolgen.
Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verbietet außerhalb von Fachkreisen die Empfehlungen von „im Gesundheitswesen tätigen Personen“ für Arzneimittel. Laut Lange wurden zehn Hersteller abgemahnt. Betroffen sind etwa Merck und Stada, die die Unterlassungserklärung auch abgegeben haben.
Merck hatte sein Nasenspray Nasivin als „Medikament des Jahres“ beworben, Stada sein Grippemittel Grippostad C sowie das Nahrungsergänzungsmittel Eunova. Die Hersteller hatten sich Ende Juni verpflichtet, Pressemitteilungen zu dem Thema nicht länger zu verbreiten. Aktuell versucht man in Darmstadt und Frankfurt, alle Internetseiten ausfindig zu machen, auf denen die Meldungen aufgegriffen wurde.
Laut Lange ist nur Werbung außerhalb von Fachkreisen betroffen. „Eine ordentliche journalistische Arbeit ist keine Werbung“, sagt sie. Allerdings könne es „scheinbare journalistische Anbieter“ geben, die als „Mietmäuler“ die Inhalte der Unternehmen veröffentlichten. Die Werbung über Dritte sei ebenfalls nicht erlaubt, so Lange.Das OLG hatte im Streit um Wick Medinait entschieden, dass auch Verbände wie der BVDA vom Werbeverbot erfasst sind. Eine Einschränkung auf natürliche Personen – also echte Ärzte und Apotheker – erschien dem Gericht nicht mit dem Sinn des Gesetzes vereinbar. Eine berufsständische Organisation von Apothekern vermag demnach im Gegenteil eine noch größere Einflussnahme zu erzeugen als ein dem Publikum namentlich nicht bekannter Wissenschaftler. Außerdem könne eine Beschränkung auf natürliche Personen leicht zur Umgehung führen.
Mit dem „Medikament des Jahres“ war der BVDA zuletzt zunehmend unter Druck geraten. In einem TV-Beitrag des NDR-Magazins „Markt“ bezeichnete Professor Dr. Gerd Glaeske die Auszeichnung als „Komplizenschaft“ der Apotheker mit den Herstellern. In der Branche liefen zuletzt zwar bereits die Vorbereitungen zur nächsten Runde; ob diese noch zustande kommt, ist nach der Abmahnwelle aber fraglich.
Allerdings hatte der Hersteller Dr. Jacoby vom Landgericht Limburg (LG) die Bewerbung seiner Pferdesalbe als „Produkt des Jahres“ erlaubt bekommen. Da das Produkt kein Arzneimittel ist, standen nicht die Fachkreise im Vordergrund, sondern Methodik und Nachvollziehbarkeit. Die Wettbewerbszentrale hatte geklagt, weil das „Handbuch zur Empfehlungshäufigkeit von OTC-Produkten“ im freien Buchhandel nicht zu beziehen und die Bewertung für Verbraucher damit nicht nachzuvollziehen sei.
Laut Rechtssprechung darf nur mit Testergebnissen geworben werden, wenn die Fundstelle eindeutig leicht zugänglich angegeben ist. Der Verbraucher muss so die Möglichkeit haben, den Test selbst zur Kenntnis nehmen zu können.
Jacoby hatte in einer Anzeige gegen diesen Grundsatz verstoßen; auf der Internetseite des BVDA gab es dagegen einen Fundstellennachweis. Durch Eingabe der ISSN bei Google könnten Verbraucher zum Katalog der Deutschen Nationalbibliothek gelangen, wo sich ein Hinweis auf den Verleger finde. Dies reichte den Richtern: Eine Verfügbarkeit im Zeitschriftenhandel sei nicht erforderlich; dass beim Verlag das Handbuch nicht bezogen werden könne, sei im Prozess nicht behauptet worden.
Auch mit der Methodik hatte das LG kein Problem: Stichprobenartig sei jede fünfte Apotheke angeschrieben worden, fast drei Viertel hätten geantwortet. Im Begleitschreiben seien den Apothekern bestimmte Kriterien an die Hand gegeben worden. „Dies belegt, dass jedenfalls auch qualitative Maßstäbe bei der Bewertung anzulegen waren, mögen diese den Verbraucher nun mehr oder weniger oder gar nicht zu überzeugen.“
Dass es sich bei der Bewertung um ein irreführendes Eigenlob des Herstellers handele, könne ausgeschlossen werden: Die Wettbewerbszentrale habe das methodische Vorgehen nicht in Abrede gestellt und auch nicht behauptet, dass die Inhalte manipuliert wurden.
Die „Medikamente des Jahres“ wurden in diesem Jahr bereits zum 16. Mal gekürt. Hinter dem Wettbewerb stehen der BVDA und dessen offizielles Organ „Der deutsche Apotheker“, das durch den OTC-Media-Verlag in Person von Elke und Heinz-Egon Schmitt herausgegeben wird.
Auf einem 32-seitigen Fragebogen müssen die Teilnehmer ankreuzen, welche Produkte sie im jeweils kommenden Jahr „besonders häufig empfehlen werden“. Insgesamt 2500 „marktrelevante“ Präparate werden in verschiedenen Gruppen nach Alphabet gelistet; die Bewertung soll anhand von Eignung, Wirkung und Risiken vorgenommen werden.
Die Ergebnisse werden alljährlich im „Handbuch zur Empfehlungshäufigkeit von OTC-Produkten“ abgedruckt. Die Vermarktung läuft über das Anzeigengeschäft: 9260 Euro kostet den Gewinner laut Mediadaten in der jeweiligen Kategorie die Anzeige auf der gegenüberliegenden Seite. 67 der 93 Kategorien sind in diesem Jahr belegt; entsprechend summieren sich die Erlöse vor Abzügen rein rechnerisch auf mehr als 620.000 Euro. Die feierliche Preisverleihung findet in der Frankfurter Alten Oper statt.
Die Marktsegmente wechseln regelmäßig; weggefallen sind in diesem Jahr etwa Antiallergika, dafür sind unter anderem Mittel gegen Mundgeruch, Vaginalmykosen und Warzen neu dazugekommen. Von den 35 Kategorien, die 2014 keine Anzeige hatten, sind in diesem Jahr zwölf weggefallen, für fünf konnten Anzeigenkunden gewonnen werden, 18 laufen weiter ohne Werbepartner mit.
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