Angocin hat zu viel versprochen Julia Pradel, 31.07.2015 12:02 Uhr
Der Phytohersteller Repha ist bei der Werbung für Angocin Anti-Infekt N übers Ziel hinausgeschossen: Das Oberlandesgericht Celle (OLG) hat entschieden, dass das Präparat nicht mehr als „pflanzliches Antibiotikum“ beworben werden darf – solange Patienten dadurch annehmen, dass es genauso wirkt wie chemisch definierte Antibiotika. Auch bei der Werbung für die vorbeugende Wirkung des Präparats wurden Repha Grenzen gesetzt.
Geklagt hatte der Verein Integritas, ein Kontrollorgan der pharmazeutischen Industrie. Dabei ging es um den Internetauftritt für Angocin: Repha hatte das Präparat dort als „pflanzliches Antibiotikum gegen Bakterien und Viren“ beworben und unter den Anwendungsgebieten eine vorbeugende Wirkung gegen Infekte aufgeführt.
Das hielt Integritas für unzulässig – und bekam vom OLG recht. Die Richter entschieden, die Bezeichnung „pflanzliches Antibiotikum gegen Bakterien und Viren“ sei irreführend. Von vielen Verbrauchern werde sie so verstanden, dass das Medikament „ebenso wirksam ist wie ein 'klassisches' verschreibungspflichtiges Antibiotikum“ – obwohl es nur zur „Besserung von Beschwerden“ eingesetzt wird. Zudem werde der Verbraucher von einer antibakteriellen Wirkung gegen jegliche Bakterien und Viren ausgehen, „die das Mittel unstreitig nicht hat“.
Die Werbung für Angocin kann aus Sicht der Richter somit dazu beitragen, Missverständnisse und eine darauf beruhende und womöglich unzureichende Selbsttherapie zu fördern. Es gelte aber zu vermeiden, „dass der Verbraucher das Arzneimittel in dem Glauben erwirbt, es habe die Wirkung eines herkömmlichen Antibiotikums, anstatt seine Erkrankung ärztlich behandeln zu lassen“.
Der Hinweis auf die pflanzliche Herkunft reicht den Richtern zufolge nicht aus, um den Patienten annehmen zu lassen, es handele sich um ein „milderes“ Arzneimittel, das nur bei „harmloseren“ Infekten eingesetzt wird. Der Umstand, dass das Arzneimittel nicht verschreibungspflichtig sei, impliziere ebenfalls keine von vornherein eingeschränkte Einsetzbarkeit und Wirksamkeit.
Allerdings erklärten die Richter auch, dass die Bezeichnung „pflanzliches Antibiotikum“ nicht per se unzulässig sei. Bei einer entsprechenden Werbung komme es aber maßgeblich darauf an, „den eingeschränkten Wirkungsgrad und Anwendungsbereich einschließlich der Abgrenzung zu den 'herkömmlichen Antibiotika' angemessen und für den Verbraucher ohne weiteres ersichtlich herauszustellen“.
Auch die beworbene prophylaktische Wirkung hielten die Richter für unklar und damit irreführend. Mit der Werbeaussage „Vorbeugung gegen Infekte“ werde eine umfassende vorbeugende Wirkung statuiert, die das Präparat nicht habe. Es sei nicht klar ersichtlich, ob Angocin eine allgemeine vorbeugende Wirkung habe oder ob das Produkt nur geeignet sei, den zuvor beschriebenen Krankheitsbildern entgegen zu wirken. „Hätte man die nur auf bestimmt Erkrankungen bezogene Prophylaxewirkung hervorheben wollen, hätte es sich aufgedrängt, die Formulierung 'Vorbeugung vor diesen Infekten' zu wählen“, fanden die Richter.
Bei Repha sieht man das inzwischen wohl ähnlich: „Die Werbung war unglücklich formuliert“, so Firmenchef Dr. Karl-Heinz Goos. „Uns war nicht bewusst, dass wir damit missverstanden werden können und wir haben die Internetseite angepasst.“
Allerdings: Ein bisschen recht hat Repha auch bekommen. Die Auffassung von Integritas, für die vorbeugende Wirkung von Angocin dürfe gar nicht geworben werden, weil das Präparat dafür nicht zugelassen sei, teilten die Richter nicht. Schließlich würden lediglich zusätzliche Wirkungen des Arzneimittels beschrieben, die durch Studien belegt und in der Fachinformation aufgeführt seien.
Erkenntnisse, die sich aus den Fachinformationen ergeben, dürften jedoch grundsätzlich für die Werbung verwendet werden, stellten die Richter klar. Goos betont: „Wir legen Wert darauf, dass der Anwendungsschwerpunkt auf den drei Bereichen Bronchitiden, Sinusitiden und Zystitiden bei unkomplizierten Infekten liegt.“ Für die darf Repha auch weiterhin werben.