Verdrängen oder verlieren: Wachstum findet im OTC-Markt heute fast immer auf Kosten Dritter statt. Besonders umkämpft ist der Analgetikabereich; die Wettbewerber gönnen sich untereinander nicht den kleinsten Vorsprung. Johnson & Johnson (J&J) bringt jetzt mit großem Werbeaufwand eine Dolormin-Weichkapsel auf den Markt – den sich bislang Pfizer und Bayer teilen.
Insgesamt werden nach Zahlen von Insight Health in den Apotheken pro Jahr 113 Millionen Packungen an OTC-Analgetika verkauft. Der Markt hat ein Volumen von 518 Millionen Euro auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP). Wichtigster Wirkstoff ist Ibuprofen: 41 Prozent nach Absatz und 46 Prozent nach Umsatz entfallen laut Insight Health auf das Segment, in dem traditionell Dolormin zu Hause ist.
Doch seit auch die Generikaanbieter Varianten mit Lysin im Sortiment haben, musste der Platzhirsch Federn lassen. Die Verkaufszahlen waren zuletzt im mittleren einstelligen Bereich rückläufig. Auch LCD-Bildschirme auf dem HV-Tisch konnten den Trend nicht stoppen. Zum Jahresbeginn räumte man in Neuss das eigene Portfolio auf.
Die Weichkapsel mit 400 mg Wirkstoff könnte ein Versuch der Neupositionierung sein. Bis zu acht Stunden Wirkung werden versprochen, außerdem hat J&J die Indikation Muskelschmerzen für sich. Zunächst kommt nur eine Variante mit 10 Stück auf den Markt, die mit 6,19 Euro sogar günstiger als der Klassiker Dolormin extra ist (7,21 Euro). Doch die TV-Kampagne zeigt, dass man der neuen Formulierung bei J&J mehr zutraut als nur eine weitere vorübergehende „Line extension“ zu sein.
Dabei ist die Idee nicht neu: Der mittlerweile zu Dr. Theiss gehörende Hersteller Dolorgiet brachte bereits 1999 unter der Marke Dolgit eine Flüssigkapsel mit Ibuprofen auf den Markt. Eine Hälfte des Wirkstoffs ist gelöst und soll eine schnelle Wirksamkeit innerhalb von 15 Minuten ermöglichen; der Rest ist suspendiert und für die Wirkung über bis zu fünf Stunden hinweg verantwortlich.
Ein Jahr später kam Spalt Liqua, heute Spalt Kopfschmerz, auf den Markt – laut Hersteller Pfizer das erste komplett flüssige Schmerzmittel in Kapselform überhaupt. Der Einführung der Spalt Liqua forte mit 400 mg Wirkstoff im Jahr 2002 folgten in gleicher Zusammensetzung Spalt mobil zur Behandlung der Arthrose und Spalt Migräne.
„Uns war es vor allem wichtig, den Verbrauchern eine sinnvolle Auswahl an Darreichungsformen und Formulierungen anzubieten, die auf unterschiedliche individuelle Schmerzprobleme zugeschnitten sind“, sagt Marketingchefin Karen Strewe. Die Spalt-Weichkapseln seien eine sinnvolle Portfolio-Ergänzung gewesen, die sich seit der Einführung parallel zur Gesamtmarke entwickelt hätten. Heute hält Pfizer mit der Marke rund 50 Prozent unter den Anbietern von Ibuprofen-Weichkapseln; im Migränebereich ist der Konzern mit der Produktvariante sogar alleine.
Bayer brachte 2010 Aktren Spezial auf den Markt. Der Leverkusener Konzern hatte sich eine Dublette der Zulassung von Dolorgiet besorgt; heute kommt das Produkt auf etwas mehr als 40 Prozent Marktanteil. Auch die mittlerweile wieder verschwundenen Ib-u-ron-Weichkapseln von Bene wurden in Sankt Augustin hergestellt.
Vierter Anbieter ist Reckitt Benckiser (RB) mit Nurofen Immedia. Das Produkt ist für Jugendliche gedacht und enthält daher nur 200 mg Ibuprofen. 2013 eingeführt, kommt das Präparat auf einen Marktanteil von 10 Prozent.
Allerdings war das Geschäft mit Ibuprofen-Weichkapseln zuletzt um 10 Prozent rückläufig. Ganz anders entwickelte sich die Darreichungsform bei Diclofenac: Hier konnte Novartis, jetzt GSK Consumer Healthcare, mit Voltaren dolo liquid zuletzt noch einmal um ein Viertel zulegen. Ende 2008 war zunächst als Variante mit 12,5 mg Wirkstoff auf den Markt gekommen, diese wurde mittlerweile durch den 2013 eingeführten Nachfolger mit dem doppelten Wirkstoffgehalt abgelöst.
Preislich orientiert sich J&J übrigens an der Konkurrenz. Aktren Spezial kostet in derselben Ausführung ebenfalls etwas mehr als 6 Euro. Spalt ist mit knapp 7 Euro etwas teurer, auf diesem Niveau liegt auch das Diclofenac-haltige Voltaren-Produkt. Dolgit liegt mit knapp 10 Euro für 20 Stück etwas unter Aktren und Spalt mit je 11 Euro.
Insgesamt ist der Anteil der Weichkapseln am Gesamtmarkt gering: Bei den Analgetika entfallen 1 Prozent nach Absatz und 2,5 Prozent nach Umsatz auf diese Darreichungsform. Bei den apothekenpflichtigen Migränemitteln sind es rund 6 Prozent.
Ibuprofen und Diclofenac waren im vergangenen Jahr – über alle Darreichungsformen hinweg – die beiden einzigen Wirkstoffe im Bereich der OTC-Analgetika, die sich mit plus 3 beziehungsweise plus 6 Prozent positiv entwickelten. Vor allem Hexal konnte in beiden Bereichen deutlich zulegen. Rückläufig waren dagegen Paracetamol (minus 8 Prozent), ASS+C (minus 11 Prozent) sowie ASS+Paracetamol (minus 10 Prozent) und ASS+Coffein (minus 8 Prozent). ASS+Paracetamol+Coffein und Paracetamol+Coffein lagen auf Vorjahresniveau, genauso wie ASS. Hier hatte der Relaunch von Aspirin den Sinkflug vorerst stoppen können.
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