Sinupret: Gericht erlaubt Generika Patrick Hollstein, 11.05.2016 09:10 Uhr
Hexal und Schaper & Brümmer sind ihrem Ziel, Generika zu Sinupret forte auf den Markt zu bringen, einen wichtigen Schritt näher gekommen. Nach dem Verwaltungsgericht Köln (VG) lehnte jetzt auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) eine Beschwerde des Originalherstellers Bionorica gegen die entsprechenden Registrierungen ab.
Vor einem Jahr hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die vom Zulassungsdienstleister Grünwalder beantragten Registrierungen erteilt; das Anwendungsgebiet lautet jeweils „traditionelles pflanzliches Arzneimittel zur Unterstützung der Schleimlösung bei Erkältungen mit Schnupfen“. Bionorica legte Widerspruch mit aufschiebender Wirkung ein, das BfArM lehnte ab, der Hersteller zog vor Gericht.
Laut Arzneimittelgesetz (AMG) muss die Registrierung versagt werden, wenn bereits ein „entsprechendes Arzneimittel“ zugelassen oder registriert wurde. Auf diesen Passus bezog sich der Hersteller aus Neumarkt – zu Unrecht, wie das OVG befand: Die Vorschriften des AMG seien „objektiv-rechtlicher Natur und vermitteln Dritten keine subjektiv-öffentlichen Rechte“. Zum Konkurrenzschutz kämen ausschließlich Bestimmungen über den Unterlagenschutz in Betracht.
Da es kein Abwehrrecht gebe, sei die Regelung auch bei wortlautbezogenem Verständnis nicht zugunsten von Bionorica auszulegen. Das VG hatte zuvor erklärt, dass mit der Vorschrift das vereinfachte Verfahren der Registrierung auf Fälle beschränkt werden solle, in denen eine Zulassung mangels wissenschaftlicher Unterlagen nicht möglich sei.
Zwar ist mit Sinupret forte tatsächlich ein Konkurrenzprodukt zugelassen. Doch für den Klassiker könnte aus Sicht des BfArM nach aktuellen Maßstäben keine Zulassung mehr erteilt werden – ein Sonderfall, der bei der Auslegung des Wortlauts zu berücksichtigen sei, so das VG.
Noch ist offen, wie die Sache weiter geht. Die von Bionorica geforderte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) wies das OVG zurück. Theoretisch könnten nach Abschluss des Eilverfahrens jetzt die Generika auf den Markt kommen; da aber über das Widerspruchsverfahren selbst beim BfArM noch nicht entschieden ist, droht den beiden Newcomern bei ungünstigem Ausgang womöglich neuer Ärger mit dem Originalhersteller.
Der Streit läuft bereits seit Jahren. Schon im März 2004 hatte Grünwalder beim BfArM die Zulassung für Präparate mit derselben Zusammensetzung wie Sinupret forte beantragt. Wie das Original sollten die beiden potenziellen Konkurrenzprodukte „bei akuten und chronischen Entzündungen der Nasennebenhöhlen“ eingesetzt werden.
Das BfArM ließ sich nicht überzeugen und lehnte die Zulassung im April 2006 ab. Die Kombination sei nicht ausreichend begründet – insbesondere sei nicht nachgewiesen, dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen positiven Beitrag leiste, hieß es. Damit scheiterte der bibliografische Antrag am Eisen- und Gartensauerampferkraut: Für beide Drogen seien keine Monopräparate auf dem Markt und auch keine schriftlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse oder Monographien über die klinische Dosierung vorhanden, so das BfArM.
Der Fall ging vor Gericht, im April 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die Revision endgültig ab. Grünwalder hatte vorgesorgt und bereits im Dezember 2006 vorsorglich die Registrierungen beantragt, über die jetzt gestritten wird. Dieser Weg steht Herstellern von pflanzlichen Präparaten offen, wenn es ein mehr als 30-jähriges Erfahrungswissen gibt. Da die Evidenz geringer ist, sind allerdings nur bestimmte Aussagen zum Produkt zugelassen.
Auch Bionorica-Chef Professor Dr. Michael Popp hat sich für die Konkurrenz gewappnet und Ende 2012 Sinupret extract auf den Markt gebracht, das als Trockenextrakt die vierfache Konzentration der eingesetzten Pflanzenmischung enthält. Seit Februar hat der Newcomer den Klassiker überflügelt und macht etwa 32 Prozent des Gesamtgeschäfts in Deutschland aus. Der Hersteller sieht das gerne, hat er doch mit dem „besten und ertragreichsten Sinupret aller Zeiten“ ein Produkt auf dem Markt, das noch bis 2032 patentgeschützt ist. Sinupret ist das mit Abstand wichtigste Produkt von Bionorica: 65 Prozent des Umsatzes in Deutschland entfallen auf das Erkältungsmittel.