Arzneimittelhersteller dürfen Apothekern Muster von apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtigen Produkten „zu Demonstrationszwecken“ überlassen, das hat der Bundesgerichtshof (BGH) vor einem Jahr entschieden. Aber wie sieht es dabei mit der Geringfügigkeitsgrenze aus? Das musste das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) im Streit zwischen Ratiopharm und GSK (ehemals Novartis) noch einmal prüfen. Laut Urteil durften die Außendienstmitarbeiter des Generikaherstellers den besuchten Apothekern kostenlos je eine einzelne Verkaufsverpackung des neu eingeführten Diclofenac-Gels überlassen, da diese mit einem entsprechenden Aufdruck versehen waren und bereits in der Apotheke geöffnet wurden.
Die Abgabe eines solchen Musters verstößt laut OLG weder gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) noch gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Es liege eine geringwertige Zugabe vor, die auch nicht geeignet sei, den Apotheker unsachlich zu beeinflussen.
Laut § 7 Abs. 1 HWG ist es unzulässig, „Zuwendungen und sonstige Werbegaben [...] anzubieten oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass es sich [...] um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt“.
Im konkreten Fall sei von einer Zuwendung von geringem Wert auszugehen, so das OLG. Die Außendienstmitarbeiter hätten den Apotheken jeweils nur ein einzelnes Exemplar zu Demonstrationsprodukts überlassen. Der Einkaufswert habe bei 5,34 Euro gelegen. Durch den Aufdruck „zu Demonstrationszwecken“ werde das Produkt jedoch nicht mit dem handelsüblichen Original gleichgesetzt. Sein Wert sei wesentlich geringer. Die überwiegend geöffnet übergebenen Packungen überschritten daher nicht die Grenze von einem Euro.
Darüber hinaus habe aber auch nicht die Gefahr der Weitergabe der Packung an Apothekenkunden und damit eine realistische Gefahr der unsachlichen Beeinflussung des Apothekers bestanden. Das Überlassen eines einzelnen Exemplars mit dem Aufdruck „zu Demonstrationszwecken“ habe erkennbar der Eigenerprobung des Apothekers und seines Personals gedient. Der Apotheker habe gewöhnlich kein nennenswertes Interesse, nur einem einzelnen Kunden ein Probeexemplar überlassen zu können. „Eine für den Betrieb wirtschaftlich interessante Kundenbindung lässt sich so nicht aufbauen“, stellte das OLG fest. GSK habe nicht widerlegen können, dass es allein darum gegangen sei, „den Apothekern Konsistenz und Geruch des Produkts vorzuführen“.
Laut Ratiopharm enthält das OLG eine grundsätzliche Entscheidung, wie der Konflikt zwischen Zuwendungsverbot einerseits und gemäß EuGH erlaubter Musterabgabe andererseits zu sehen ist: Denn Muster werden aus Sicht des Herstellers im Preis immer oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze für Zuwendungen liegen und damit würde die Musterabgabe wieder unmöglich. „Eine gesetzliche Regelung, die die Abgabe ausdrücklich erlaubt und damit diesen Konflikt auflösen würde, wie sie für die Ärztemuster besteht, gibt es ja (noch) nicht.“
In Abweichung von der üblichen Praxis die Geringwertigkeit am Marktwert, also am Preis, festzustellen, habe das OLG nun andere Aspekte für relevant angesehen. Mehrere Aspekte seien ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen:
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. GSK kann mit einer Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision begehren.
Außendienstler von Ratiopharm hatten 2013 in Apotheken kostenlose 100-Gramm-Tuben der Diclo-Schmerzsalbe vorgeführt, um die verbesserte Textur des Gels zu demonstrieren, und dann die Tuben zur weiteren Erprobung in der Apotheke gelassen. Der Voltaren-Hersteller Novartis hatte zunächst erfolgreich auf Unterlassung geklagt. Nachdem Ratiopharm Revision eingelegt hatte, hatte der BGH den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um die Auslegung einer für den Fall maßgeblichen EU-Vorschrift gebeten.
Nach dessen Urteil aus dem Juni 2020 dürfen Pharmaunternehmer Proben von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nur an Ärzte ausgeben. Das Unionsrecht verbiete aber nicht, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel – wie die Schmerzsalbe – an Apotheker zu verteilen. Entsprechend entschied auch der BGH, dass kein Verstoß gegen § 47 AMG Abs. 3 vorliege.
Damit war der Fall aber nur zur Hälfte geklärt. Das OLG sollte prüfen, ob möglicherweise ein Verstoß gegen das HWG vorliegt. Immerhin hat das Schmerzgel einen Apothekenabgabepreis von 9,97 Euro, sodass „die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Apotheker“ dem Grunde nach bestehen könnte. Dies wies das OLG nun in der konkreten Fallgestaltung zurück.
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