Der OTC-Markt wächst, der größte Wachstumstreiber sind allerdings Preiserhöhungen. Auch in den kommenden Monaten werden die Hersteller wohl weiterhin die Preise anziehen, um Inflationsverluste auszugleichen. Das ergab eine Analyse der Unternehmensberatung Sempora auf Basis verschiedener Daten.
In den ersten vier Monaten erfolgte bei den Umsätzen mit OTC-Arzneimitteln eine Steigerung von 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr in diesem Zeitraum. Dabei steigerte sich der Umsatz in den Offizinapotheken beinahe doppelt so stark wie beim Versandhandel: Während die stationären Apotheken 11 Prozent zulegten, waren es beim Versandhandel lediglich 6 Prozent.
Im Vergleich zum ersten Quartal 2019 wuchs der OTC-Markt im ersten Quartal dieses Jahres allerdings nur um 13 Prozent. „Nominal liegen wir inzwischen wieder über dem Niveau von 2019, real unter Berücksichtigung der Inflation aber noch nicht“, so Franziska Bayer und Max Erkrath, beide Principal bei Sempora. Denn seit 2019 haben sich die Preise um deutlich mehr als 10 Prozent erhöht. Die Unternehmensberatung hat die Daten von Insight Health für die Offizinapotheken und die Daten von DatamedIQ für den Versandhandel ausgewertet.
6,5 Prozent und damit mehr als die Hälfte des OTC-Wachstums in diesem Jahr beruhen zudem auf Preiserhöhungen, betonen Bayer und Erkrath.
Bei 78 Prozent der umsatzstärksten 100 Hersteller erfolgten bereits Preiserhöhungen im ersten Quartal. Durchschnittlich stiegen die Herstellerabgabepreise (HAP) um 2 Prozent im Vergleich zum vorigen Quartal. Im Vorjahr waren es 1,1 Prozent (Q1, Q4), 1,3 Prozent (Q2) und 1,7 Prozent (Q3) im Vergleich zum jeweils vorherigen Quartal gewesen.
„Preispolitische Nachzugseffekte, um die Inflationsverluste weiter auszugleichen, werden auch im Laufe dieses Jahres noch folgen“, so die Sempora-Partner Ulrich Zander und Thomas Golly. Nach Erfahrung der beiden Geschäftsführer wird sich diese Dynamik auch weiterhin in deutlichen Veränderungen der Rabatt- und Konditionenpolitik der OTC-Hersteller niederschlagen.
Bei einer Umfrage unter 60 Herstellern im Rahmen der Sempora Apothekenmarktstudie 2023 kündigten sich aber noch weitere Preiserhöhungen an:
Durchschnittlich erfolgten Preiserhöhungen von 6,5 Prozent im Vergleich zum Quartal im Vorjahr, am ausgeprägtesten waren diese in Niedrigpreissegmenten. Bei Produkten bis fünf Euro erhöhten sich die Preise um durchschnittlich um 8,4 Prozent. Große Erhöhungen bei den Herstellerabgabepreisen erfolgten auch bei Produkten zwischen fünf und zehn Euro (6,5 Prozent), zehn und 15 Euro (6,4 Prozent), 15 und 20 Euro (6,7 Prozent) und über 80 Euro (5,8 Prozent). Weniger stark fielen die Erhöhungen bei Arzneimitteln zwischen 20 und 30 Euro (4,8 Prozent), 30 und 50 Euro (4,4 Prozent) und 50 bis 80 Euro (2,3 Prozent) aus.
Bei der Betrachtung der Preiserhöhungen nach Kategorien ergeben sich für 2022 und das erste Quartal 2023 im Vergleich zum letzten Quartal 2022 folgende Beobachtungen: In der Kategorie der Wundheilmittel erfolgte die bisher größte Preiserhöhung in diesem Jahr. Die Preise stiegen um durchschnittlich 4,4 Prozent im Vergleich zum vorherigen Quartal. 2022 stiegen die Preise bereits um durchschnittlich 9,8 Prozent. Die Preise für Grippepräparate sind aktuell 3,8 Prozent höher als im Vorquartal, 2022 stiegen die Preise um insgesamt 7,3 Prozent. In der Kategorie der Halsschmerz-Präparate stiegen die Preise in diesem Jahr bislang um 1,5 Prozent, im gesamten vergangenen Jahr waren es 6,2 Prozent.
Die größte Preissteigerung gab es im vergangenen Jahr der Kategorie der topischen Rhinologika: Diese wurden durchschnittlich 11,8 Prozent teurer, im ersten Quartal stiegen die Preise erneut um 2,4 Prozent im Vergleich zum vorherigen Quartal. Obwohl die OTC-Kategorie der Darmgesundheit wie beschrieben stark wächst, stiegen die Preise 2022 lediglich um 0,3 Prozent. Im ersten Quartal diesen Jahres erfolgten Anpassungen in Höhe von 3,3 Prozent.
Bei umsatzstarken Herstellern fallen die Preiserhöhungen dabei deutlich höher aus: Hersteller mit einem Umsatz von über 150 Millionen Euro pro Jahr hoben die Preise im Vergleich zum Vorjahresquartal um durchschnittlich 7,5 Prozent. Auch im Vergleich von 2022 zu 2021 erfolgte in dieser Gruppe die größte Steigerung mit 2,9 Prozent.
Unternehmen mit einem Umsatz von unter 50 Millionen Euro nahmen die geringsten Preiserhöhungen vor, durchschnittlich stiegen ihre Preise um 5,3 Prozent. Auch im Vergleich von 2022 zu 2021 erfolgte in dieser Gruppe die geringste Steigerung mit 1,2 Prozent.
Für die meisten Kund:innen der Versandhandelsapotheken ist der günstige Preis das schlagende Argument, im Vor-Corona-Jahr war die Rabattschere zwischen Offizin und Versandhandel am größten: stationäre Apotheken lagen damals im Durchschnitt 9,1 Prozent unter dem regulären Apothekenverkaufspreis, der Versandhandel bot durchschnittlich Rabatte von 31,8 Prozent.
In den Corona-Jahren sanken die Rabatte im Versandhandel auf durchschnittlich 27,3 Prozent (2020) beziehungsweise 28,7 Prozent (2021). In den Offizinen lagen die Preise durchschnittlich 9,6 Prozent (2020) beziehungsweise 9,3 Prozent (2021) unter dem regulären Apothekenverkaufspreis (rAVP).
2022 und 2023 folgten starke Preiserhöhungen durch die Hersteller, die Apotheken vor Ort gaben diese Preiserhöhungen aber nicht vollständig an ihre Kund:innen weiter: 2022 lagen die Preise für OTC-Arzneimittel durchschnittlich 10,3 Prozent unter dem rAVP, 2023 bislang etwa 10 Prozent. Im Versandhandel hingegen sanken die Preisersparnisse: 2022 waren es durchschnittlich Rabatte in Höhe von 27,7 Prozent, im ersten Quartal diesen Jahres noch 26,8 Prozent.
Damit ist die Rabattschere mit aktuell 16,8 Prozent Preisunterschied seit Beginn der Vergleiche 2019 am wenigsten ausgeprägt – Vor-Corona war der Versandhandel durchschnittlich 22,7 Prozent günstiger.
Das kann mehrere Gründe haben: In den Offizin-Apotheken läuft ein Großteil des OTC-Geschäfts über die saisonale Bevorratung. Die Preiserhöhungen erfolgen in letzter Zeit häufig in kurzen Intervallen, die Bevorratung wird oft Monate im Voraus bestellt und erfolgt daher noch zu alten Preisen. Diese Ware könnte also ohne Ertragsverluste noch zu alten Preisen angeboten werden. Das Gleiche gilt für Lagerware, die noch zu alten Preisen eingekauft wurde.
Hinzukommt durch die Inflation eine gesunkene Kaufkraft bei den Kund:innen. Online bleibt der Einkauf dann einfach aus, in den Apotheken vor Ort gibt es viel Diskussionspotenzial gerade bei der Preispolitik – bei niedrigeren Preisen gibt es weniger Beschwerden und die Apotheke ist im Vergleich zum Versandhandel eventuell wieder attraktiver.
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