Vom Beinahe-Konkurs zum Börsengang Franziska Gerhardt, 06.07.2014 09:53 Uhr
In diesen Tagen geht Madaus mit dem italienischen Mutterkonzern Rottapharm-Madaus an die Börse. Einen solchen Erfolg hätte vor einigen Jahren niemand für möglich gehalten: Im Jahr 2000 stand der Echinacin-Hersteller nach Fehlplanungen in Indien vor dem Ruin. Aber auch sonst hat das Unternehmen eine bewegte Geschichte hinter sich, die sich durch zwei Weltkriege und zwei politische Systeme zieht.
Das Unternehmen wurde 1919 von dem Arzt Dr. Gerhard Madaus und seinen Brüdern Friedemund und Hans Madaus in Bonn gegründet. Der Firmensitz wurde mehrmals verlegt, zunächst nach Radeburg in Sachsen, später nach Radebeul bei Dresden. Gerhard Madaus starb 1942.
Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte der Biologe Robert Thren in Ostdeutschland die Produktion von Penicillin. Das Firmengelände in Radebeul wurde enteignet und abgebaut. Das verstaatlichte Stammhaus der Arzneimittelfabrik wurde dann 1951 mit dem ebenfalls enteigneten Dresdner Stammhaus der Gehe zum VEB Arzneimittelwerk Dresden zusammengelegt, einem der größten Pharmaunternehmen der DDR. Heute gehört AWD zu Teva und wird abgewickelt.
Nach der Enteignung im Osten gründeten Friedemund und Hans Madaus die Firma im Westen neu, erneut mit Stammsitz in Bonn. Später kamen Fabriken in Karlsruhe, Wuppertal, Mölln und Aichstetten hinzu. 1947 zog die Zentrale nach Köln. Anfang der 1970er Jahre wurde mit Produkten wie Uralyt U und Spasmo Urgenin das neue Geschäftsfeld Urologie aufgebaut. 1989 wurde die Dr. Madaus GmbH & Co. in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die allerdings in Familienhand blieb.
1997 hatten die mehr als 30 Madaus-Erben bereits einmal mit einem Gang an die Börse geliebäugelt. Doch daraus wurde nichts: 1998 verzeichnete Madaus einen zweistelligen Millionenverlust; 2000 stand das Unternehmen vor dem Konkurs. Die Kosten für den Bau einer Fabrik im indischen Goa waren explodiert. Während die Produktionsanlagen praktisch still standen, wollten die Banken die Finanzierung einstellen, das Eigenkapital war nahezu aufgebraucht.
In der Not wurde Walter Droege 1999 zunächst als externer Berater ins Unternehmen geholt. Nach und nach erwarb er 93 Prozent der Anteile; den Rest behielt die Familie. Der Berater fand heraus: Die Verluste von Madaus waren hausgemacht.
Am Firmensitz in Köln herrschte laut einem Bericht des Manager Magazins „betriebswirtschaftliches Mittelalter“: Veraltete Warenwirtschaftssysteme, zu hohe Lagerbestände, ein viel zu großes Sortiment, mangelhaftes Controlling. Für die Sanierung wurde die Hälfte der Mitarbeiter entlassen. Das Auslandsgeschäft, das rund 50 Prozent der Umsätze einbrachte, war dagegen relativ stabil.
2001 wurde das Unternehmen Dr. Hetterich übernommen, Anfang 2002 die niederländische Hal Allergie. In Deutschland beteiligte sich Madaus an Hoyer Madaus, in Südafrika an Byk Madaus. Weitere Gesellschaften waren die spanische Euromed, der Lohnhersteller Dr. Madaus in Wasserburg bei München und die Homecare-Gruppe Servox in Köln.
2004 war unter Droege der drohende Konkurs jedenfalls eindeutig abgewendet worden: Damals lag der Umsatz bereits wieder bei 357 Millionen Euro, mit einer Rendite von 17 Prozent.
2007 kaufte Rottapharm das Pharmageschäft der Madaus-Gruppe für rund 600 Millionen Euro. Das italienische Unternehmen war bereits seit Ende der 1970er Jahre mit Opfermann in Deutschland aktiv. Hal Allergy, Servox sowie ein Immobilienportfolio in Spanien blieben bei Droege und Mitgliedern der Familie Madaus.
Rottapharm mit Hauptsitz in Monza bei Mailand wurde 1961 von dem Pharmakologen Professor Luigi Rovati gegründet. Das Unternehmen hat heute nach eigenen Angaben mehr als 1800 Mitarbeiter und operiert in mehr als 90 Ländern. Deutschland ist mit einem Umsatz von 62 Millionen Euro der zweitgrößte Markt für das Unternehmen; hierzulande hat Rottapharm-Madaus 444 Angestellte, das sind 20 weniger als im Vorjahr.
Mehr als 70 Prozent des Umsatzes von 524 Millionen Euro entfallen auf OTC-Produkte, der Rest auf Rx. Der wichtigste Einsatzbereich ist die Orthopädie: Mittel wie Dona, Go-On und Calcigen D generieren in diesem Gebiet fast die Hälfte des Umsatzes. Phytopharmaka wie Echinacin, Legalon, Lektinol, Salviathymol, Agiolax und Salviagalen zeichnen für rund ein Fünftel des Umsatzes verantwortlich.
Der Rest verteilt sich auf urologische Medikamente (Uralyt-U, Spasmolyt, Urivsc), gynäkologische Präparate (Sagella, Bellissima, Evaluna) und sonstige Mittel wie die Marke My Bellence, unter der seit kurzem Nahrungsergänzungsmittel für Frauen vertrieben werden.