Schon mehrfach wurde der Generationswechsel bei Klosterfrau verschoben – jetzt kommt er mit umso größerer Wucht. Firmenchef Friedrich Neukirch scheidet zum Jahresende aus, sein Nachfolger steht noch nicht fest. Die Kontrolle der Holding mit Sitz in der Schweiz übernimmt bereits zum 1. Juli der ehemalige Merz-Chef Dr. Martin Zügel. Von Zürich aus soll künftig mehr Einfluss auf die verschiedenen Geschäftszweige genommen werden.
Neukirch ist seit mehr als 40 Jahren für Klosterfrau tätig und seit 1984 Mitglied in der Geschäftsführung. Seit 2000 steht der heute 68-Jährige an der Spitze des Unternehmens. Während sich seine Kollegen in den vergangenen Jahren sukzessive in den Ruhestand verabschiedeten, hielt Neukirch das Steuer fest in der Hand. Sein potentieller Nachfolger Stefan Meyer warf 2012 überraschend das Handtuch und ging zu Bayer.
Heute ist Neukirch, der auch Präsident der Wettbewerbszentrale ist, bei Klosterfrau für den Bereich Marketing & Vertrieb zuständig. In der Geschäftsführung sind außerdem Guido Zaß (Controlling und IT), Christian Heller (Personal & Recht) und Dr. Markus Unkauf (Wissenschaft). Wer Neukirchs Nachfolge antritt, ist noch nicht entschieden. Womöglich wird das Unternehmen aber auch in seiner Struktur komplett neu aufgestellt.
Hintergrund sind Veränderungen auf Konzernebene: Bislang war die Holding in der Schweiz eher der Ort, der die Erträge der operativen Tochtergesellschaften einsammelte und an die Stiftung weiterleitete. Doch mit Zügel holt sich Klosterfrau einen versierten Pharmamanager, der die Unternehmensgruppe in die nächste Phase führen soll. Neben dem Ausbau des Portfolios und dem internationalen Wachstum steht die Einführung effizienterer Strukturen auf seinem Aufgabenzettel.
Zügel hatte von 1982 bis 1989 in Tübingen Medizin studiert und anschließend als Wissenschaftler und Klinikarzt in Massachusetts und Hamburg gearbeitet. 1991 ging er zu Roche, im Oktober 2000 wurde er Mitglied im Vorstand von B. Braun Melsungen. Im April 2005 übernahm er die Leitung der Pharmasparte bei Merz, ab 2008 stand er an der Spitze des Frankfurter Familienunternehmens. Seit seinem Ausscheiden im Juli 2012 war er als Berater tätig – etwa für Grünenthal, die Strüngmann-Firma Glycotope oder den Finanzinvestor CVC Capital, dem bis vor einigen Jahren die dänische Drogeriekette Matas gehörte und der gerade die Parfümeriekette Douglas übernommen hat.
Bei Klosterfrau tritt er die Nachfolge von Petra Tritschler an, die seit 1985 an der Spitze der Holdinggesellschaft steht und in der Welt von Klosterfrau seit Jahrzehnten eine entscheidende Rolle spielt. Die 73-Jährige wird weiterhin den Verwaltungsrat leiten, dem außerdem der Wirtschaftsprüfer Alfons Schätti und der Ökonom Professor Dr. Kurt Schiltknecht angehören.
Tritschler lobte Neukirch für seine Verdienste: Er habe Klosterfrau als einen der führenden OTC-Anbieter in den Apotheken, den Drogeriemärkten und im Lebensmitteleinzelhandel etabliert. „Er verkörpert wie kein anderer Markenbewusstsein und Überzeugungskraft im partnerschaftlichen Handel. Ihm verdanken wir eine beeindruckende Erfolgsgeschichte und zahllose unternehmerische Impulse, die maßgeblich dazu beigetragen haben, unsere und die uns anvertrauten Marken in Deutschland substantiell zu vergrößern.“
Zügel habe bei seinen bisherigen Stationen eindrucksvoll bewiesen, dass er das Wachstum etablierter Geschäfte, den Aufbau neuer Geschäftsfelder und die Internationalisierung von Unternehmen wirkungsvoll vorantreiben könne, so Tritschler. „Seine breite Führungs- und Industrieerfahrung werden dazu beitragen, unsere Unternehmensgruppe in die nächste Phase ihrer Entwicklung zu führen.“
Zügel will Klosterfrau gemeinsam mit den internationalen Teams, die in ihren Märkten über attraktive Geschäfte, starke etablierte Marken und hohe lokale Expertise verfügten, „insgesamt noch schlagkräftiger und mit Blick auf künftiges Wachstum aufstellen“.
Mit einem Umsatz von rund 360 Millionen Euro auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) gehört Klosterfrau nach Novartis/Hexal, Bayer und Ratiopharm zu den wichtigsten OTC-Herstellern in Deutschland. Zu den bekannten Produkten aus der Apotheke gehören Neo Angin, Soledum, Nasic, Kwai, Hepar SL und Jarsin. Außerdem hat die Firma Marken wie Bronchicum, Melrosum und Monapax (Nattermann), Condomi und LifeStyles (Ansell) sowie Autan (SC Johnson) und Ricola im Gepäck. Die Vertriebskooperation mit Reckitt Benckiser (Dobendan, Nurofen) endete vor einem Jahr. Klosterfrau Melissengeist sowie Mobilind, Broncholind, Gastrolind, Allergin und Nervenruh gibt es auch im Mass Market.
Zur Gruppe gehören neben dem OTC-Hersteller mit Sitz in Köln und seinen Schwesterfirmen in Österreich und der Schweiz (Melisana) unter anderem die Kosmetikfirma Maria Galland, der Lohnproduzent Artesan (Mg5 Longoral) und der Süßstoffhersteller Hermes (Assugrin). Der Kerzenhersteller Vollmar (yul) wurde 2012 verkauft.
Bis 1972 leitete Firmeninhaber Wilhelm Doerenkamp die Geschäfte persönlich; danach übernahm bis 1997 Paul Gräff das Ruder, der 20 Jahre zuvor als Finanzchef ins Unternehmen gekommen war. Er überführte die Firmengruppe in den 1970er Jahren in eine Stiftung; der Familie kommt seitdem nur eine untergeordnete Bedeutung zu.
Die Tochter des Firmengründers, Hildegard Doerenkamp, verabschiedete sich Ende der 1980er-Jahre aus dem operativen Geschäft und zog zunächst auf einen Bauernhof in der Schweiz und dann nach Kanada. Sie verstarb 2011 im Alter von 91 Jahren. Ihre Tochter Martine Eloy ist nicht bei Klosterfrau aktiv.
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