Omega: Feuerwehrmann von Zentiva Patrick Hollstein, 08.05.2018 12:11 Uhr
Zentiva ist verkauft. Seit Monaten haben sich die Mitarbeiter in Berlin überlegt, ob sie unter dem neue Eigentümer Advent bei der Generikasparte bleiben, ob sie innerhalb von Sanofi in eine andere Abteilung wechseln oder sich einen neuen Job suchen. Der bisherige Geschäftsführer Daniel Diesel hat einen neuen Arbeitgeber gefunden: Er soll den OTC-Hersteller Omega Pharma aus der Krise führen.
Diesel war vor einem Jahr bei Zentiva ausgeschieden; für ihn hatte der bisherige Generikachef Josip Mestrovic den Posten des Geschäftsführers übernommen. Bei Omega tritt Diesel die Nachfolge Matthias Moritz an, der im vergangenen Jahr auf Aline Seifert gefolgt war. Die frühere Finanzchefin hatte den Posten ein Jahr lang interimsmäßig übernommen und ist seit Herbst beim Großhändler Alliance Healthcare Deutschland (AHD).
Zwei Jahre lang war Diesel für Zentiva verantwortlich, davor hatte der 45-Jährige jeweils sechs Jahre lang im Vertrieb der Danone-Tochter Nutricia und für Roche Diagnostics gearbeitet. Diesel hat an der Universität Konstanz ein Diplom in Verwaltungswissenschaften und einen MBA Internationales Marketing der FH Reutlingen.
OTC-Produkte spielten bei seinen bisherigen Arbeitgebern eine untergeordnete Rolle, doch vielleicht qualifiziert ihn gerade das für den Job: Bei Zentiva/Winthrop gab es nur eine Handvoll Marken wie Bronchoforton, Ibuflam, Maaloxan, Nagel Batrafen und Viscontour. Auch Omega ist nach wie vor mehr Gemischtwarenladen als Markenschiff.
In Herrenberg hatte es im vergangenen Jahr zahlreiche Wechsel gegeben. Geschäftsführer Stephan Tomat ging im Herbst 2016 von Bord, Vertriebsleiter Christian Kotschate war bereits einige Monate zuvor zu Nestlé gewechselt. Sein Nachfolger Nick Löffler verabschiedete sich im vergangenen Jahr (zu Ardo Medical), genauso wie Marketingleiter Harald Lingner (zu Merz).
Das Unternehmen geht zurück auf Deutsche Chefaro, die 1972 als Tochter des Chemiekonzerns Akzo Nobel gegründet und 2001 durch Omega übernommen worden war. 2013 folgten Umzug und Umbenennung, ein Jahr zuvor hatte der belgische Hersteller für 470 Millionen Euro verschiedene OTC-Marken von GlaxoSmithKline (GSK) gekauft, die heute für ein Drittel des Umsatzes verantwortlich sind. Darunter ist auch die Drogeriemarke Abtei. Jüngste Zukäufe waren Naturwohl (Yokebe) und Pencivir/Niquitin.
In Deutschland gehört Omega zu den führenden OTC-Herstellern; allerdings waren die Abverkäufe mit 54 Millionen Euro (Apothekenverkaufspreise, AVP) zuletzt laut Insight Health um 4 Prozent rückläufig. Auch in der Drogerie läuft es nicht rund, wo bei Abtei Umsatzeinbußen hingenommen werden mussten.
Omega in Belgien war 1987 vom Apotheker Marc Coucke gegründet worden, 2012 nahm er den Hersteller nach 13 Jahren von der Börse. Mit dabei waren die Finanzinvestoren Waterland, Hamilton, Harbourinvest und Stepstone. 2014 übernahm Perrigo den belgischen Hersteller.
Der Konzern hat ebenfalls turbulente Jahre hinter sich. Die Omega-Übernahme hatte sich als kostspielig herausgestellt. Perrigo musste mehrmals Abschreibungen vornehmen und hat nach Meinung von Kritikern mit 3,6 Milliarden Euro zu viel gezahlt. In den Folgejahren drehte sich dann das Personalkarussell. Coucke verließ den Vorstand. Im Frühjahr 2016 wechselte CEO Joseph C. Papa zu Valeant, dem Mutterkonzern von Bausch + Lomb. Zum Jahreswechsel übernahm Uwe Röhrhoff den Chefposten von John T. Hendrickson, der sich in den Ruhestand verabschiedete.
Perrigo ist vor allem in den USA präsent, der Konzern stellt OTC-Produkte, Rx-Medikamente, Tierarzneimittel und Babynahrung her. Außerdem ist er als Lohnhersteller aktiv. Angefangen hat alles in einem Gemischtwarenladen im US-Bundesstaat Michigan: Der Kaufmann Luther Perrigo kam 1887 auf die Idee, Dorfläden mit Medikamenten und Haushaltswaren zu beliefern.
Die globale Expansion begann Ende der 1990er Jahre: 1997 wurde Perrigo Hauptanteilseigner des mexikanischen OTC-Herstellers Quifa. Vier Jahre später setzte das US-Unternehmen europäischen Boden: Perrigo erwarb Wrafton Laboratories, den größten Hersteller von OTC-Eigenmarken in Großbritannien, der unter anderem Ketten wie Lloyds, Boots und Superdrug beliefert, aber auch für Hersteller wie GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson, Reckitt Benckiser, die Stada-Tochter Thornton & Ross sowie Procter & Gamble produziert.
2004 fiel der Startschuss für die Produktion verschreibungspflichtiger Generika. Dieses Geschäftsfeld baute Perrigo ein Jahr später weiter aus: Für rund 850 Millionen Dollar übernahm der US-Konzern den israelischen Hersteller Agis. 2012 stiegen die Amerikaner mit dem Kauf von Seargeant's Pet Care Products und Velcera in den Markt mit Veterinärprodukten ein. Der bislang größte Coup: 2013 kaufte Perrigo für 8,6 Milliarden Dollar das irische Biotechunternehmen Elan. Der Firmensitz wurde nach Dublin verlegt, vor allem weil Steuerersparnisse winkten. 2015 konnte Perrigo einen Übernahmeversuch von Mylan abwehren.