Der Arzneimittel-Abgabeautomat von DocMorris bleibt verboten. Vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) musste die niederländische Versandapotheke heute die nächste Schlappe einstecken. Geklagt hatten mehrere Apotheker. Die Begründung des nicht rechtskräftigen Urteils liegt noch nicht vor.
Laut einer Sprecherin des OLG Karlsruhe handelt es sich bei dem Angebot nicht um einen Versand von Arzneimitteln an den Endverbraucher durch eine Versandapotheke. Der Versandhandel setze eine vorherige Bestellung durch den Kunden voraus, die hier nicht gegeben sei. Das Gericht wird eine ausführliche Stellungnahme nachreichen.
Seit vier Jahren gibt es keine Apotheke mehr im 2000-Seelen-Ort Hüffenhardt im Neckar-Odenwald-Kreis. „Die nächste Apotheke ist in Haßmersheim“, sagt Hüffenhardts Bürgermeister Walter Neff (SPD). Der Rathauschef fand es deshalb gut, dass DocMorris in der nordbadischen Gemeinde eine „Videoberatung mit Arzneimittelabgabe“ eingerichtet hat. Am 19. April 2017 konnten Kunden von hier aus erstmals per Video Kontakt mit einem Apotheker im niederländischen Heerlen aufnehmen und Medikamente aus dem Kommissionier-Automaten erhalten.
Doch die für Arzneimittelsicherheit zuständige Aufsichtsbehörde fand die Idee nicht so gut wie Bürgermeister Neff. Nach zwei Tage war schon wieder Schluss: Das Regierungspräsidium Karlsruhe stoppte das Projekt. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG) hat dieses Verbot zwischenzeitlich bestätigt. Auf mehr als 50 Seiten Urteil beschreiben die Richter das Modell detailliert und begründen ausführlich warum die Zur-Rose-Tochter sich an die deutschen Vorschriften halten muss. Und warum sie sich missbräuchlich auf EU-Recht beruft, wenn sie mit Scheinargumenten einen Versandhandel konstruiert, der keiner ist. Aus Sicht der Richter wäre übrigens ein Rx-Versandverbot mit EU-Recht vereinbar.
Die Aufsichtsbehörden hatten den Betrieb des Automaten aber zunächst nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel untersagt. Vom 26. April 2018 an gab es aus dem Automaten noch einige Wochen OTC-Arzneimittel. Dann setzte das Landgericht Mosbach dem im Juni ein Ende: Es sah einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Verschreibungspflichtige Medikamente dürften nur von Apotheken an Verbraucher abgegeben werden. Die Abholung von Arzneimitteln von einem Lagerort, an dem der Kunde diese kurz davor angefordert habe, sei kein zulässiger Versandhandel. So hatte DocMorris versucht, das Modell zu retten.
Damit waren Klagen des LAV Baden-Württemberg und mehrerer Apotheker gegen DocMorris und die Vermietungsfirma Tanimis erfolgreich. Von den insgesamt sechs Fällen wurden vier heute in zweiter Instanz vor dem OLG Karlsruhe entschieden. Der LAV sowie ein Apotheker müssen sich noch bis Ende Juni gedulden. Das OLG hatte die Verfahren in unterschiedlicher Zusammensetzung verhandelt, in zwei Fällen ist es aus terminlichen Gründen noch nicht zur Schlussberatung gekommen. Inhaltliche Gründe für die Verschiebung gebe es aber nicht, so die Gerichtssprecherin. Es ist also im Juni mit gleichlautenden Entscheidungen in der Sache zu rechnen.
Die heute gesprochenen Urteile sind nicht rechtskräftig. Das OLG hat zwar keine Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Gegen diese Entscheidung kann DocMorris aber noch Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Das ist gemessen an der bisher gezeigten juristischen Kampfeslust der Versandapotheke durchaus wahrscheinlich.
Kritiker des Modells warnen vor einer Einschränkung der Arzneimittelsicherheit. Die fehlende Überwachung könne zu gesundheitlicher Schädigung führen, so das Argument. In diese Kerbe schlägt auch Rechtsanwalt Valentin Saalfrank von der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein. Er verweist auf jährlich rund 500.000 Notaufnahmen im Krankenhaus wegen unerwünschten Arzneimittelwirkungen durch vermeidbare Medikationsfehler.
Deshalb plädiert Saalfrank dafür, die Abgabe nur hochqualifizierten natürlichen Personen zu überlassen, die eine Betriebserlaubnis haben – anstelle von Kapitalgesellschaften, die zur Gewinnmaximierung verpflichtet seien. „Dass das, was in Hüffenhardt geschehen soll, keine Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel im Wege des Versandes darstellt, ist offensichtlich“, meint der Medizinrechtler. Vielmehr sei es das strafbare Betreiben einer Apotheke ohne Apothekenbetriebserlaubnis.
Diesmal trifft Docmorris allerdings auch in der Politik auf Widerstand: Der Referentenentwurf zumm „Apothekenstärkungsgesetz“ von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betont das Verbot von Arzneimittel-Automaten außerhalb von Apotheken. Auch der Gesundheitsminister des Landes Baden-Württemberg, Manne Lucha, begrüßte die Entscheidung: „Mit der heutigen Entscheidung des OLG Karlsruhe sehe ich die Versorgung der Menschen durch Präsenzapotheken gerade auch im ländlichen Raum grundsätzlich gestärkt."
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