Ohne Arztbesuch: Rx bis an die Haustür Alexandra Negt, 16.06.2020 11:31 Uhr
Über die Plattform „Rezept-sicher-bestellen“ können sich Patienten ihre verschreibungspflichtigen Arzneimittel bis an die Haustür liefern lassen – ohne einen Arzt zu sehen. Einzige Voraussetzung: Das jeweilige Arzneimittel wurde zu einem vorherigen Zeitpunkt vom ausgewählten Arzt bereits einmal verschrieben. Wer im aktuellen Quartal noch nicht in der Praxis war, kann seine Versichertenkarte zum Einlesen per Post an die Praxis schicken.
„Nur fürs Rezept und Medikament bei Arzt und Apotheke in der Warteschlange stehen? Bestimmt weißt Du Besseres mit Deiner Zeit anzufangen“, heißt es auf der Internetseite „Rezept-sicher-bestellen“. Beim Klick auf „jetzt bestellen“ erfolgt eine Weiterleitung auf die Seite „PatientPlus“ – ein Service von Vitabook von Unternehmer Markus Bönig. Der hatte schon 2011 mit dem Bestellportal Ordermed einen ersten Versuch unternommen, eine Plattform zu etablieren, später folgten die „elektronische Medikationskarte“, Aponow und KlickA. Der Durchbruch in der Fläche ist bislang jedoch nicht gelungen.
Mit Vitabook will Bönig einen ganzheitlichen Ansatz anbieten: Patienten sollen über die Plattform nicht nur ihren Medikationsplan verwalten können, sondern auch Arzttermine vereinbaren. Anfänglich bot Bönig nur den Service des Folgerezeptes an. Nun scheint jedes beliebige Medikament erneut über die Plattform bestellbar. Fehlt das Einlesen der Krankenkassenkarte, so wird diese einfach per Post in die Praxis geschickt.
Über das Portal können Medikamente bestellt werden, die bereits einmal verordnet wurden. Im ersten Schritt gibt man das gewünschte Medikament an, im zweiten Schritt den Arzt, der es verordnen soll. Dabei muss es sich um einen Arzt handeln, der das gewünschte Präparat bereits einmal verschrieben hat – wann ist egal. Erstverordnungen sind somit über PatientPlus nicht möglich. Ob auch stets nur die gleiche Packungsgröße wie bei der ursprünglichen Verordnung ausgewählt werden darf, ist nicht ersichtlich.
Versichertenkarte per Post
Wenn der Patient im aktuellen Quartal noch nicht in der Praxis war, kann er seine Krankenversichertenkarte per Post zum verschreibenden Arzt schicken. Nach Bearbeitung des Arzneimittelwunsches wird die Karte wahlweise von dem verschreibenden Arzt oder der beliefernden Apotheke zurückgeschickt. Erst im letzten Bestellschritt, kurz vor Abschicken der Bestellung, muss ein Haken gesetzt werden, dass man mit der kostenlosen Erstellung eines Benutzerkontos einverstanden ist.
Wer seine Krankenkassenkarte mitschickt, eröffnet also ein Vitabook-Kundenkonto. Um den vollen Service nutzen zu können, muss ein Sticker auf der Karte angebracht werden. Der Aufkleber enthält einen Code. Die Kombination aus Versicherten-Nummer und Zufalls-Code auf dem Aufkleber stellt den Zugangscode für den Notfall-Datensatz dar. Das Aufbringen des Stickers sei unproblematisch, denn „bei einer Gesundheitskarte ist bis heute nicht geklärt, wer überhaupt Eigentümer der Gesundheitskarte ist“, heißt es von Vitabook. Die Krankenkassenkarte dient bei PatientPlus als Kontokarte und Personalausweis in einem. Wer sich bei Vitabook für ein Konto entscheidet, kann mit der Gesundheitskarte ein Gesundheitskonto eröffnen. Die Versicherungsnummer wird zur Bankleitzahl, die Versichertennummer zur Kontonummer. Alle Befunde und Dokumente können online hinterlegt werden.
Europa Apotheek an erster Stelle
Im letzten Schritt kann die Apotheke ausgewählt werden. Ganz oben in der Liste steht die niederländische Versandapotheke Europa Apotheek (Shop-Apotheke) und wirbt mit einem Rabatt bei Rezepteinlösung. Weitere stationäre Apotheken können nach Postleitzahl sortiert und angezeigt werden. Die gewählte Apotheke erhält das Rezept vom Arzt und kann es dann bearbeiten und beliefern. Wann der genaue Lieferzeitpunkt ist, wird nicht angegeben. Im Zweifelsfall muss hier die Apotheke telefonisch kontaktiert werden.
In der Plattform sind laut Bönig alle deutsche Praxen und Apotheken hinterlegt. Nach einer Teilnahme gefragt werden die Hielberufler im Vorfeld nicht. Vitabook schickt im Namen des Patienten einfach ein Fax an den Arzt, in dem er aufgefordert wird, das Folgerezept auszustellen. Das sei rechtlich genauso, als ob man das Rezept telefonisch anfordere, heißt es von Vitabook. Auf die Daten hätten nur der Patient sowie die von ihm legitimierten Heilberufler Zugriff, so Bönig. Patienten können laut Bönig auch ihre Versichertenkarte mit Vitabook verknüpfen: Versicherungs- und Versichertenummer sind die Login-Daten.