Kritik an Nahrungsergänzungsmitteln

Teurer „Zaubertrank“: Öko-Test zerreißt Vitasprint

, Uhr
Berlin -

Stiftung Warentest und Öko-Test haben parallel verschiedene Nahrungsergänzungsmittel (NEM) unter die Lupe genommen. Einmal geht es um Präparate für Männer, im anderen Fall um Vitamin-B12-Präparate. In beiden Tests wurde massive Kritik geäußert. Dennoch schnitten einige Vertreter aus der Apotheke auch gut ab.

Wenn es um Nahrungsergänzungsmittel geht, scheiden sich die Geister: Während manche Menschen regelmäßig auf ihre Supplemente setzen, halten andere sie für reine Geldmache. Öko-Test hat sich B12-Präparate aus Apotheke und Drogerie genauer angeschaut: Vor allem für Menschen mit veganer oder streng vegetarischer Ernährung wird die Zufuhr für sinnvoll gehalten. „Dennoch heißen wir die B12-Nahrungsergänzungen nicht pauschal gut.“ So fehle etlichen der Hinweis auf den besonderen Ernährungsstil, der die Einnahme notwendig mache. Das sorgt für Minuspunkte: „Denn wer gesund ist und tierische Lebensmittel zu sich nimmt, braucht keine B12-Präparate.“ Weder gegen „Müdigkeit und Erschöpfung“, noch „um Energie und Leistungsfähigkeit im Alltag“ sicherzustellen.

„Teurer Urin“

Im Test wird zwischen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln unterschieden. Dabei verweist Öko-Test auf die häufig viel zu hohe Dosierung mancher Produkte: Die meisten Nahrungsergänzungsmittel im Test enthalten mehr als 25 µg Vitamin B12 pro empfohlener Tagesdosis und sind damit aus Sicht von Öko-Test – teils extrem – überdosiert. Orientiert wurde sich dabei an den Höchstmengenvorschlägen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Durch die hohen Dosierungen komme es jedoch nicht zu einer besseren Wirkung im Körper – „den Rest scheidet er aus – und produziert daraus sozusagen jede Menge teuren Urin“, so das Fazit. Viele Hersteller würden ihre Produkte sogar als „hochdosiert“ anpreisen. Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) müsse daher sogar eine „mögliche Irreführung des Verbrauchers diskutiert werden“.

Die Ergebnisse im Überblick

Insgesamt bewertet Öko-Test folgende bekannte Vertreter aus der Apotheke mit „sehr gut“ oder „gut“:

  • Vitamin B12-Loges 1000 μg (Dr. Loges) sehr gut
  • B12 Ankermann 1000 μg (Wörwag) gut
  • Vitamin B12-Ratiopharm 10 μg (Ratiopharm) gut

Vitasprint erntet massive Kritik

Mit einem „ungenügend“ ging lediglich ein Präparat aus dem Test hervor: Haleon (ehemals GSK) konnte mit den Vitasprint B12 Trinkfläschchen nicht punkten: „Glaubt man dem Anbieter von ‚Deutschlands Nr. 1 Energietonikum bei herabgesetzter Leistungsfähigkeit‘, muss es sich bei dem Inhalt der Ampullen um einen wahren Zaubertrank handeln, der – ‚am besten zweimal jährlich für 30 Tage‘ eingenommen – gegen Konzentrationsschwäche und Abgespanntheit ebenso helfe wie dabei, sich wieder in Form zu fühlen.“

Öko-Test hält die Wirksamkeit für das deklarierte Anwendungsgebiet jedoch für nicht belegt – dafür gibt es gleich vier Noten Abzug. Denn die Fläschchen sind lediglich als traditionelles Arzneimittel zugelassen. Studien für die Zulassung sind daher nicht gefordert. Doch die Kritik geht weiter: Das teuerste Produkt im Test – 2,60 Euro pro höchster empfohlener Tagesdosis – werde „fokussiert über Apotheken angeboten“. „Die Ampullen profitieren also vom Nimbus der Apotheken und werben damit, ein Arzneimittel zu sein, ohne die hohen Standards moderner Arzneimittel erfüllen zu müssen.“ Weitere Abzüge gibt es laut Öko-Test, weil sich auf Umverpackung und Beipackzettel kein Hinweis befindet, dass es bei veganem oder streng vegetarischem Ernährungsstil zu einem B12-Mangel kommen kann.

„Überflüssig und überdosiert“

Warentest nahm insgesamt 17 Nahrungsergänzungsmittel ins Visier, die sich speziell an Männer richten und teilweise auch in Apotheken angeboten werden. Bei ausnahmslos allen Produkten ist Warentest der Einschätzung, dass „der Nutzen der geprüften Mittel für die Zielgruppe aus ernährungswissenschaftlicher und ernährungsmedizinischer Sicht nicht belegt“ ist. Im besten und nur einem einzigen Fall wurde das Gesamtfazit „überflüssig“ gezogen.

Neun Produkte seien „überflüssig, überdosiert und teils unzureichend gekennzeichnet“, da bei einzelnen Vitaminen und Mineralstoffen behördlich empfohlene Höchstmengen überschritten werden und der Verweis auf andere NEM fehle. Noch schlechter schnitten die übrigen sieben Mittel ab, diese werden als „überflüssig, mit gravierenden Mängeln“ ausgewiesen. Einzelne Präparate enthalten möglicherweise sogar gesundheitsschädigende Inhaltsstoffe.

„Testsieger“ ist Doppelherz aktiv Männer-Gesundheit (Queisser), da es lediglich als „überflüssig“ bewertet wurde. Ein Vertreter der zweiten Kategorie findet sich auch in der Apotheke – Orthomol flavon m. Die Produkte Centrum für Ihn (Haleon) und Doppelherz System Für Ihn (Queisser), die auch über Apotheken bezogen werden können, schneiden mit „überflüssig, mit gravierenden Mängeln“ ab: Beide überschreiten deutlich die vom BfR empfohlenen Höchstmengen Vitamin A, das könne im Übermaß die Leber schädigen.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema
Mehr aus Ressort
1 Milliarde Euro Investition
Novo Nordisk erweitert Produktion

APOTHEKE ADHOC Debatte