Öko-Test: Liebe muss Gewinn abgeben Patrick Hollstein, 27.01.2022 07:59 Uhr
Der Zahnpastahersteller Dr. Liebe muss nun offenbar auch noch Schadenersatz an Öko-Test zahlen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass das Verbrauchermagazin die Nutzung eines alten Siegels nicht hinnehmen muss, sondern den dadurch erwirtschafteten Gewinn abschöpfen kann.
Der Streit drehte sich um die Benutzung des Testsiegels auf auf der Aminomed-Zahncreme. Bei einem Test aus dem Jahr 2005 schloss das Produkt mit der Bewertung „sehr gut“ ab. Dr. Liebe nutzte die Chance und ließ das Siegel auf die Packungen drucken. Dafür schloss der Hersteller eine Vereinbarung zur Nutzung des damals noch als Marke eingetragenen Siegels. 2014 stellte Öko-Test allerdings fest, dass Dr. Liebe seine Zahncreme nach wie vor mit dem Siegel verkaufte. Nicht nur war die Frist von fünf Jahren da schon abgelaufen, vielmehr hatte das Magazin bereits 2008 einen neuen Test mit anderen Parametern veröffentlicht – das Siegel war also nach Ansicht von Öko-Test bereits seit sechs Jahren ungültig.
Öko-Test zog wegen Verletzung seiner Markenrechte vor Gericht, das Landgericht Düsseldorf legte die Sache sogar beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Schließlich wurde der Hersteller verurteilt, die Verwendung des Siegels zu unterlassen und das Produkt vom Markt zu nehmen. Das Unternehmen legte Berufung ein, blieb aber auch vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) ohne Erfolg. Zuletzt landete der Fall beim BGH – und die Richter in Karlsruhe machten nun auch noch den Weg frei für Schadenersatz. Das OLG hatte dies noch abgewiesen, weil Öko-Test ohnehin kein Geld für die Nutzung der Marke genommen hatte.
Auch wenn also weder aufgrund einer Preisliste noch im Wege der Lizenzanalogie ein Schadenersatz berechnet werden könne, sei dieser nicht ausgeschlossen, so der BGH. Denn man könne den Schaden anhand des Gewinns berechnen, den Dr. Liebe mit dem Vertrieb der entsprechend gekennzeichneten Produkte gemacht hat. „Es wäre unbillig, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der unbefugten Benutzung des Ausschließlichkeitsrechts beruht. Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient zudem der Prävention gegen eine Verletzung der besonders schutzbedürftigen Ausschließlichkeitsrechte“, so der BGH.
Mit anderen Worten: „Um dem Ausgleichsgedanken Rechnung zu tragen, wird bei der Berechnung des Schadens nach dem Verletzergewinn fingiert, dass der Rechtsinhaber ohne die Rechtsverletzung durch die Verwertung seines Ausschließlichkeitsrechts den gleichen Gewinn wie der Verletzer erzielt hätte. Dabei ist es im Fall einer Markenverletzung unerheblich, ob der Rechtsinhaber auf dem Markt des Verletzers tätig ist und den vom Verletzer erzielten Gewinn selbst hätte erwirtschaften können.“
Laut BGH ist es für die Schadensberechnung nach dem Verletzergewinn also ohne Bedeutung, dass Öko-Test das Siegel nicht selbst in Gestalt von Produkten kommerziell verwertet. „Der wirtschaftliche Wert einer Marke, sie im geschäftlichen Verkehr gewinnbringend nutzen zu können, wohnt ihr unabhängig davon inne, ob der Markeninhaber von der Möglichkeit zur Vermarktung seines Zeichens Gebrauch gemacht hat.“ Außerdem gehe es um Abreckung: Nach dem „Sinn und Zweck der Herausgabe des Verletzergewinns“ sei es „angezeigt, den Verletzer durch die Abschöpfung des mit der Markennutzung erzielten Gewinns von einer weiteren Verletzung der Markenrechte der Klägerin als Rechtsinhaberin abzuhalten“.
Öko-Test kann daher Auskunft über den Umsatz und den Gewinn verlangen, die Liebe mit dem Vertrieb der mit dem Siegel versehenen Zahncremeprodukte erzielt hat, und auf dieser Grundlage Schadenersatzforderungen geltend machen.
Es ist ist nicht das erste Mal, dass der BGH zugunsten von Öko-Test entscheidet: Seit Eintragung der Marke im Jahr 2012 müssen demnach nicht nur Hersteller, die mit einer positiven Bewertung werben möchten, einen kostenpflichtigen Lizenzvertrag abschließen. Das gilt laut BGH auch für Händler, die Produkte unter Nutzung des Siegels anbieten wollen.
Seit 1985 gibt es das Magazin, in dem Waren- und Dienstleistungstests veröffentlicht werden. Während Warentest als Stiftung mit staatlichem Auftrag mit Steuermitteln gefördert wird, ist Öko-Test ein privater Verlag. Zwei Drittel der Anteile gehören der SPD, 10 Prozent hält Chefredakteur Jürgen Stellpflug. Darüber hinaus gibt es rund 900 Kleinaktionäre. 2019 hatte es erhebliche Turbulenzen um die Finanzen gegeben, weil im Abschluss für 2018 einem Umsatz von 1,4 Millionen Euro ein Fehlbetrag von 5,2 Millionen Euro gegenüber stand. Damals hatte es sogar Durchsuchungen gegeben.