Im Markenrechtsstreit zwischen Öko-Test und dem Zahnpastahersteller Dr. Liebe hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Vorabentscheidung getroffen. Demnach muss das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf nun entscheiden, ob Dr. Liebe Öko-Test durch die Verwendung von dessen Siegel einen Nachteil bei der Wertschätzung und Unterscheidbarkeit zugefügt hat.
Das OLG hatte beim EuGH angefragt, ob sich Öko-Test auf das deutsche und das europäische Markenrecht berufen kann, um Dr. Liebe die Verwendung seines Siegels zu untersagen. Denn das versucht Öko-Test seit mittlerweile fünf Jahren. Im Jahr 2005 hatte das Verbrauchermagazin nämlich mehrere Zahnpasten getestet und Dr. Liebes Aminomed schloss mit der Bewertung „Sehr gut“ ab, woraufhin das Unternehmen das Siegel auf die Packungen drucken ließ.
Öko-Test bietet den Herstellern an, für die Eigenwerbung die Gesamtnote auf Packung oder in Infomaterialien zu nutzen. Dafür ist eine schriftliche Vereinbarung nötig. Maximal fünf Jahre ab Erstveröffentlichung dürfen die Testergebnisse dann genutzt werden. Sobald ein neuer Test vorliegt, ist das Siegel auch vor Ablauf der Frist nicht mehr gültig. Zur Kontrolle erhalten die Firmen für fünf Jahre ein Heft-Abo. Im August 2005 schlossen die beiden Unternehmen eine solche Vereinbarung zur Nutzung des damals noch als Marke eingetragenen Siegels.
2014 entdeckte Öko-Test, dass der Hersteller das Siegel noch immer verwendete, obwohl die Frist abgelaufen war und es bereits neue Tests gegeben hatte. Daraufhin zog Öko-Test wegen einer Markenrechtsverletzung gegen Dr. Liebe vor das Landgericht Düsseldorf. Dieses verurteilte den Hersteller, die Verwendung des Siegels zu unterlassen und das Produkt vom Markt zu nehmen. Das Unternehmen legte Berufung ein und zog vor das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG). Nach dessen Ansicht kann der Verlag gegen den Zahncremehersteller weder vertragliche Ansprüche noch Ansprüche aus den deutschen Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb geltend machen, da dies erfordere, dass die beiden Unternehmen im Wettbewerb stünden. Das sei hier allerdings nicht der Fall.
Deshalb wandte sich das OLG mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH und wollte wissen, ob der Inhaber eines Testsiegels sich auf Ansprüche wegen Markenrechtsverletzungen stützen kann, wenn es keine Identität oder Ähnlichkeit zwischen der Dienstleistung und dem beworbenen Produkt gibt. Der EuGH ist nun in weiten Teilen dem Schlussantrag seines Generalanwalts vom Januar gefolgt.
Die Antwort der Richter: „Nein, es sei denn...“ Da Öko-Test das Siegel als Marke für Dienstleistungen angemeldet habe, ist es bei der Verwendung auf der Zahnpastapackung nicht geschützt. „Wäre es ein anderes Test-Unternehmen, dann sähe das anders aus“, erklärt ein Sprecher des EuGH auf Anfrage. „Aber Dr. Liebe und Öko-Test stehen in keinerlei Wettbewerbsverhältnis zueinander.“ Es folgt jedoch ein großes Aber: Denn für bekannte Marken – und der EuGH bejaht, dass Öko-Test eine ist – gilt ein weitergehender Markenschutz, auch über die eigene Branche hinaus. Damit Öko-Test Dr. Liebe die Nutzung des Siegels unter dieser Prämisse verbieten kann, muss die Marke jedoch durch die Verwendung an Wertschätzung und Unterscheidbarkeit verlieren.
Kurz gesagt: Wenn es dem Verbrauchermagazin schadet, dass Dr. Liebe sein Siegel verwendet, dann darf es dem Zahnpastahersteller die Benutzung untersagen. Doch auch hier gibt es noch ein Aber: Theoretisch kann Dr. Liebe rechtfertigende Gründe anführen, warum das Unternehmen das Siegel dennoch weiter verwenden darf. Ob Dr. Liebe das tut, muss sich nun erneut vor dem OLG Düsseldorf zeigen. Allerdings, das hatte der Generalanwalt am EuGH bereits am Rande seines Schlussantrags erwähnt, dürften dort auch die Fragen rund um vertragsrechtliche Unterlassungspflichten nochmal eine Rolle spielen.
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