Unlauterer Wettbewerb

Oberhänsli vor Gericht: Prozessauftakt im Dezember

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Berlin -

Wegen Verstößen gegen das Heilmittelgesetz und unlauteren Wettbewerbsmethoden muss sich Walter Oberhänsli, CEO des DocMorris-Mutterkonzerns Zur Rose, vor Gericht verantworten. Am 1. Dezember beginnt der Prozess vor dem Bezirksgericht Frauenfeld.

Die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen hatte im Frühjahr Anklage gegen Oberhänsli erhoben. Am 1. Dezember beginnt im großen Gerichtssaal des Bezirksgerichts Frauenfeld der Strafprozess. Für die Hauptverhandlung sind neun Verhandlungstage bis Mitte März 2021 angesetzt.

Die Anklage stützt sich auf eine Strafanzeige des Apothekerverbands Pharmasuisse und betrifft zwei verschiedene Sachverhalte: den Versand von rezeptfreien Medikamenten und Zahlungen an Ärzte zwischen 2010 und 2015.

Die Staatsanwaltschaft wirft Oberhänsli vor, als CEO für das Geschäftsmodell des Versandhandels von Arzneimitteln verantwortlich zu sein. Dabei habe er in Kauf genommen, gegen die Bestimmungen des Heilmittelgesetzes zu verstoßen. Gleichzeitig habe Zur Rose mit den aus Sicht der Anklage unzulässigen Praktiken einen erheblichen Umsatz erzielt und sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der direkten Konkurrenz durch andere Apotheken verschafft. Zudem habe Zur Rose mit der Auszahlung von Entschädigungen an Ärzte ebenfalls gegen das Heilmittelgesetz verstoßen.

2011 hatte Zur Rose den Versand für rezeptfreie Medikamente eingeführt. Zuständig für die Ausstellung der ärztlichen Verschreibungen war ein unabhängiges, auf die telemedizinische Untersuchung spezialisiertes Unternehmen. Im September 2015 entschied das Bundesgericht in Lausanne, dass dieser von Zur Rose praktizierte und vom Kantonsapotheker freigegebene OTC-Versandhandel laut Gesetz verboten sei: Für den Versand von Arzneimitteln sei immer ein Rezept erforderlich, das auf Grundlage eines persönlichen Kontaktes mit einem Arzt ausgestellt sei. Dies gelte auch für Medikamente, die in der Apotheke oder Drogerie vor Ort ohne Rezept abgegeben werden dürfen. Zur Rose stellte daraufhin den OTC-Versand ein.

Was die Zusammenarbeit mit Ärzten angeht, so geht es um Zahlungen an Mediziner in Kantonen, in denen die Selbstdispensation verboten ist. Die Ärzte erhielten 40 Franken (rund 33 Euro) für jeden Neukunden, jährlich zwölf Franken für den Dosiercheck sowie einen Franken pro Rezeptzeile für die sogenannte Interaktionskontrolle. Im Juli 2014 untersagte das Bundesgericht auch dieses Modell: Diese Zahlungen wurden als „therapiefremde geldwerte Vorteile“ bewertet, die im Heilmittelgesetz verboten sind.

Der Verwaltungsrat wies im Mai die Anschuldigungen gegen seinen CEO entschieden zurück und kündigte an, Oberhänsli in der Abwehr der gegen ihn erhobenen Vorwürfe „uneingeschränkt zu unterstützen und seine Integrität zu schützen“. „Zur Rose verstand sich stets und versteht sich auch weiterhin als Protagonistin einer zeitgemäßen, sicheren und kostendämpfenden Art der Medikamentenversorgung“, sagte Verwaltungsratspräsident Professor Dr. Stefan Feuerstein. „Diese juristische Attacke gegen unseren CEO durch Kreise, die den technologischen Wandel mit all seinen unbestrittenen Vorteilen allein zur Verteidigung ihrer wirtschaftlichen Individualinteressen aufhalten wollen – und dies über fünf Jahre nach Beendigung des beanstandeten Verhaltens – erachte ich als grotesk.“

Dies gelte umso mehr, als die kantonalen Behörden und Gerichte das Vorgehen zuvor wiederholt als zulässig eingestuft hätten. Feuerstein: „Walter Oberhänsli ist ein ausgezeichneter und höchst integrer Unternehmer; wir werden seinen guten Ruf in jeder Hinsicht schützen.“

Zur Rose sieht sich in dem Zusammenhang als Pionier bei der Einführung des E-Rezepts und findet die Zahlungen gerechtfertigt: „Die Ärzte erbringen mit der elektronischen Verschreibung einen wichtigen Beitrag, um den Versandhandel günstiger, sicherer und effizienter zu machen. Zur Rose hat diese Ärzte für ihren Aufwand angemessen entschädigt. Der verbleibende Teil der Einsparungen dieses Vertriebsmodells – über 80 Prozent – kam indessen den Krankenversicherern und damit den Prämienzahlern in Form von Vergünstigungen zugute.“

Im Gegensatz zu den stationären Apotheken verzichte Zur Rose auf Taxen für Bezugs- und Medikamentenchecks und gewähre überdies Rabatte. „Die dadurch erzielten Einsparungen für das Gesundheitssystem lagen in den letzten zehn Jahren kumuliert bei rund 100 Millionen Franken.“ Auch hier habe man aber die Entschädigungen noch am selben Tag eingestellt.

Nicht nur die Apotheker und die Richter sahen das Modell als Umgehung des Dispensierverbots, sondern auch die Politik. „Die via Aktien an der Apotheke beteiligten Ärzte haben ein wirtschaftliches Interesse an einem guten Betriebsergebnis der Apotheke. Indem sie Rezepte zuhanden 'ihrer' Apotheke ausstellen, fördern sie deren wirtschaftliche Tätigkeit und somit deren Betriebsergebnis“, erklärte 2012 die Regierung des Kantons Aargau. Es sei davon auszugehen, dass die Mediziner finanzielle Vorteile erlangten, wenn sie die Verschreibungen an „Zur Rose“, anstatt an eine andere Apotheke schickten. „Die betreffenden Ärzte konkurrenzieren damit die lokalen Apotheken über den normalen Versandhandel hinaus“, hieß es weiter. „Dadurch umgehen sie das Verbot der Selbstdispensation.“

Erst vor kurzem hatte Zur Rose im Zusammenhang mit der Corona-Krise einen neuen Vorstoß unternommen und beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) und dem Bundesrat eine befristete Ausnahmebewilligung für den Versand rezeptfreier Notfall-, Erkältungs- und Grippemittel beantragt. „Das Coronavirus schränkt das öffentliche Leben und die Bewegungsfreiheit stark ein. Der Versandhandel hat eine immer wichtigere Aufgabe zu bewältigen“, argumentiert Zur Rose. „Versandapotheken können jetzt einen wirksamen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung leisten. Sie helfen, das Coronavirus einzudämmen und sie entlasten stationäre Apotheken und deren exponiertes Personal.“

 

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