Noweda prüft Dividenden-Reform Alexander Müller, 19.11.2022 16:53 Uhr
Die Zahlen der Noweda können sich sehen lassen: Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat der Großhändler 421 Millionen Euro Rohetrag erzielt und den Umsatz um 9,4 Prozent gesteigert. Doch der steigende Altersdurchschnitt der beteiligten Apotheker:innen gibt Anlass zur Sorge. Bei der Generalversammlung in Essen stellte Noweda-Chef Dr. Michael Kuck daher einen neuen Ausschuss vor, der sich mit einer Reform der Dividende befassen soll. Das Ziel dürfte sein, künftig weniger Geld an passive Mitglieder auszuschütten.
In diesem Jahr wird die Dividende noch wie gewohnt ausgeschüttet: 10 Prozent auf die freiwilligen Anteile und 8,5 Prozent auf die Grundanteile – jeweils abzüglich der Körperschaftsteuer. Investierende Mitglieder sollen wie in den Vorjahren 50 Prozent der Brutto- Dividende auf die Grundanteile erhalten, also 4,25 Prozent. Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, einen Gesamtbetrag in Höhe von rund 21,5 Millionen Euro auszuschütten – rund 700.000 Euro mehr als im Vorjahr.
Dass von der Dividende auch Mitglieder profitieren, die aus Altersgründen keine eigene Apotheke mehr haben, stelle sich angesichts des demographischen Wandels aber „nicht mehr ganz so unproblematisch dar wie in der Vergangenheit“, so Kuck. Und dieser Wandel werde sich deutlich beschleunigen. Die Generation der „Baby-Boomer“ nähere sich dem Ende des Erwerbslebens. In fünf Jahren dürften bei der Noweda schon rund 2800 Mitglieder zwischen 60 und 70 Jahren alt sein. Künftig werde ein größerer Anteil an Mitglieder ausgezahlt werden, die nicht mehr zum Erfolg beitragen und der Anteil der berufstätigen Mitglieder, die die Erträge erwirtschaften, immer kleiner. Kuck warf die Frage auf, ob die Höhe der Dividendenzahlung sich nicht stärker an die Intensität dieser Zusammenarbeit knüpfe sollte.
Dividendenausschuss einberufen
Vorstand und Aufsichtsrat haben daher beschlossen, einen „Dividenden-Ausschuss“ einzuberufen. Dieser werde Vorschläge erarbeiten, wie zukünftig mit der Dividende umgegangen werden könnte, kündigte Kuck an. Im Ausschuss sind die Mitglieder Jens Kosmiky, Dr. Jin Mann, Gregor Nelles und Jutta Reher-Weschmann, der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Matthias Lempka und sein Vize Dr. Arndt Heilmann sowie aus dem Vorstand neben Kuck zusätzlich Udo Harneit und Cornelia Rolf. Die Vorschläge des Dividendenausschuss sollen bei der nächsten Generalversammlung vorgestellt und gegebenenfalls zur Abstimmung gebracht werden.
Das Geschäftsjahr 2021/2022 konnte die Noweda mit einem guten Ergebnis abschließen: Die Umsatzerlöse stiegen um 783 Millionen auf fast 9 Milliarden Euro. Davon wurden 5,6 Prozent von den ausländischen Tochtergesellschaften erzielt. Von den Umsätzen in Deutschland entfielen 85 Prozent auf den rezeptpflichtigen und 6,8 Prozent auf den apothekenpflichtigen Teil des Sortiments. Im Neben- und Randsortiment und durch Dienstleistungen wurden 8,2 Prozent der Umsätze erzielt.
Umsatzplus von 9,4 Prozent
Mit einem Umsatzwachstum von 9,4 Prozent liegt die Noweda nach eigenen Angaben über den Marktdurchschnitt von 7,8 Prozent. Der Rohertrag lag mit 421 Millionen Euro ebenfalls 8,1 Prozent über dem des Vorjahres. Die Rohertragsquote von 4,7 Prozent vom Umsatz war nahezu stabil.
Allerdings lag das Vorsteuerergebnis mit 62,5 Millionen Euro knapp 7 Prozent unter Vorjahr; Hintergrund spielen hier außerplanmäßige Abschreibungen von 5,2 Millionen Euro eine Rolle: Hintergrund ist die Verkürzung der Abschreibungsdauer bei Ebert + Jacobi von zehn auf fünf Jahre. Der Überschuss lag wegen niedrigerer Steuerlast mit 41 Millionen Euro auf Vorjahresniveau.
Die Noweda zählt insgesamt 9358 Mitglieder. Neu dazugekommen sind 322, allerdings haben auch 305 die Genossenschaft verlassen, 48 von ihnen wurde gekündigt, weil sie keine Umsätze mehr mit Noweda getätigt haben. Unter dem Strich bleibt ein kleiner Zuwachs von 17 Mitgliedern.
Kritik an Lauterbach
Kritik übte Kuck in seinem Bericht mehrfach an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der die Apotheken mit seinem Spargesetz in den kommenden beiden Jahren mit 240 Millionen Euro belaste. „Er sollte wissen, dass seit geraumer Zeit jedes Jahr rund 300 Apotheken für immer schließen. Er sollte wissen, dass Apotheken seit vielen Jahren keine Erhöhung ihres gesetzlichen Honorars bekommen haben. Er sollte wissen, dass Apotheken für ihre umfassenden Gesundheits-Leistungen weniger Geld erhalten, als die Krankenkassen für reine Verwaltungstätigkeit. All das sollte ein Gesundheitsminister wissen.“ Entweder habe Lauterbach vergessen, was die Apotheken in der Pandemie geleistet haben oder „all die schönen Reden“ und „all das Lobpreisen der Apotheken“ seien „nur leere Worte“ gewesen.
Kuck findet es daher richtig, dass in den ersten Bundesländern Apothekenstreiks stattgefunden haben. „Es ist gut, laut zu werden.“ Denn die stetig sinkende Apothekenzahl der Apotheken könne irgendwann zu Versorgungsengpässen führen – und dann werde der Ruf nach Apothekenketten schnell wieder laut. Kuck versäumte nicht daran zu erinnern, dass einige Wettbewerber im Ausland bereits eigene Apotheken betrieben. „Die haben Erfahrung. Für die ist es dann nur ein ganz kleiner Schritt in den deutschen Markt.“ Die Noweda werde dagegen zusammen mit Zukunftspakt-Partner Burda eine groß angelegte Kampagne starten: „Lass das Licht an, Karl.“
Hersteller kündigen Kürzungen an
Während Kuck die eigenen Konditionenkürzungen der Noweda in seinem Bericht unerwähnt ließ, verwies er auf drohende Einschnitte im Einkauf. Vereinzelt hätten Hersteller bereits angekündigt, die Belastungen aus GKV-Finanzstabilisierungsgesetz teilweise an den Großhandel weiterzugeben. Man werde „um jeden Cent kämpfen“, kündigte Kuck an – nur um im nächsten Satz anzudeuten, dass der Großhändler ansonsten seinerseits die Belastung weiterreichen werde: „Jeder Euro, der uns weggenommen wird, ist am Ende ein Euro, der den Apotheken fehlt.“
Eine neue Sorge ist das mittlerweile nicht mehr undenkbare Risiko eines flächendeckenden Stromausfalls. Die Noweda will vorbereitet sein und hat sich mit zusätzlichen Notstromaggregaten und Tank-Anlagen ausgestattet. Auch auf einen möglichen Ausfall der Gasversorgung sei man vorbereitet. Jeder Betrieb soll ab Ende November für mindestens 72 Stunden völlig autark funktions- und lieferfähig sein, so das Ziel.
E-Rezepte über IhreApotheken.de
Auch wenn die Einführung des E-Rezepts als „unendliche Geschichte des Missvergnügens“ erscheine, sollten sich die Apotheken laut Kuck am Ball bleiben und die weiteren Entwicklungen aufmerksam verfolgen. Der Noweda-Chef betonte, dass das eigene Angebot IhreApotheken.de deutlich von Plattformen unterscheide, die Tokens sammeln und speichern und am Ende beeinflussen könnten, wo diese Token landen. „IhreApotheken.de schiebt sich nicht zwischen die Apotheke und ihre Kunden“, versprach Kuck. Jede Interaktion finde ausschließlich zwischen dem Kunden und der jeweiligen Apotheke statt.
Kuck warnte davor, nur auf die Gematik-App und die elektronische Gesundheitskarte (eGK) zu setzen. Das Potenzial der digitalen Infrastruktur bliebe genutzt und die Apotheken wären im Wettbewerb mit den Versendern wieder alleine. Diese würden alles daran setzen, E-Rezepte im ganz großen Stil einzusammeln, zum Beispiel die Patient:innen bonifizieren, wenn sie in der Gematik-App die Versandapotheke als Standard einstellen.
Der Vorstandsvorsitzende verkündete zudem eine neue Kooperation von ia.de mit dem ADAC. Der Automobilclub biete seinen 21 Millionen Mitgliedern verschiedene Gesundheitsangebote wie Auslandskrankenversicherung und telemedizinische Behandlungen. Mit der Kooperation könnten diese jetzt direkt in der „Medical-App“ des ADAC auch ihre Vor-Ort-Wunschapotheke finden und ihre Arzneimittel bestellen.
15 Prozent selbsterzeugter Strom
Schon wegen der steigenden Energiekosten setzt die Noweda auf selbst erzeugten Strom. Seit dem vergangenen Jahr wurden drei weitere Photovoltaikanlagen installiert. Derzeit produziert der Großhändler rund 15 Prozent des benötigten Stroms selbst. Bis Ende des Jahres 2025 sollen es 25 Prozent sein.
Kein Geheimnis sei, dass ein ganz wesentlicher Teil der CO2-Emissionen durch den Fuhrpark verursacht werde. Derzeit gebe es serienmäßig noch keine ausreichend leistungsfähigen Fahrzeuge gibt, die gleichzeitig die GDP-Anforderungen erfüllten. Gemeinsam mit Opel wurden daher zwei Pilotprojekte aufgelegt: Ein Opel Vivaro-e Hydrogen wurde an die GDP-Anforderungen angepasst. Der Wagen kann in drei Minuten mit Wasserstoff voll betankt werden und hat eine Reichweite von rund 400 Kilometern. Darüber hinaus verfüge die Noweda jetzt auch über einen rein elektrischen Opel Vivaro. Im Alltag soll getestet werden, was sich besser eignet.