Es ist so weit: Wilfried Hollmann gibt den Vorstandsvorsitz der Noweda ab. Anfang kommenden Jahres übernimmt Michael P. Kuck die Leitung der Genossenschaft. Der neue Chef ist Jurist und bislang für die Bereiche Industrie und Recht zuständig – und er ist der Sohn eines ehemaligen Noweda-Vorstands. Für das Schlüsselressort Marketing & Vertrieb ist nach derzeitigem Stand dagegen kein dezidierter Posten in der obersten Führungsebene vorgesehen.
Hollmann kam 1976 direkt nach dem BWL-Studium in Münster zur Noweda. Er übernahm zunächst die Leitung der Stabsstelle Revision, zwei Jahre später wurde er zusätzlich zum stellvertretenden Leiter der Niederlassung am Stammsitz Essen ernannt. Mitte der 1980er Jahre übernahm er die Leitung der Häuser in Münster und Herford, nach der Wende brachte er die Genossenschaft in Leipzig/Taucha an den Start.
1993 wurde er als Vertriebschef in den Vorstand berufen; als der langjährige Vorstandschef Dr. Dietrich Meyer 2005 ausscheiden musste, rückte Hollmann an die Spitze. Unter seiner Führung konnte die Noweda ihren Umsatz auf zuletzt 5,3 Milliarden Euro fast verdreifachen. Er schloss die letzten weißen Flecken auf der Landkarte: 2007 begann mit der Eröffnung der Niederlassung in Gießen/Langgöns der bis heute anhaltende Expansionskurs der Noweda. 2008 übernahm er den angeschlagenen Privatgroßhändler W. Kapferer und deckte damit auf einen Schlag auch den Süden ab, traditionell Stammgebiet der Sanacorp. Selbst nach Luxemburg und in die Schweiz hat die Noweda bereits ihre Fühler ausgestreckt.
Die Genossen folgen ihrem in seiner Bodenständigkeit charismatischen Chef in blindem Vertrauen. Fragen werden auf den Hauptversammlungen selten gestellt, offene Kritik gibt es faktisch nicht. Selbst Intransparenzen bei der Rechnungslegung, Touren zu Rossmann oder Easy und sogar grenzwertige Aktionen wie das Ausspähen der Konkurrenz werden ihm verziehen. Um seinen Abschied möglichst lange hinauszuzögern, wurde 2009 sogar die Altersgrenze in der Satzung angehoben. Entnervt warf damals Kronprinz Lars Horstmann das Handtuch und ging gemeinsam mit Stephan Just zu easy.
Von diesem Aderlass hat sich die Noweda bis heute nicht erholt. 2011 wurde Wilfried Buss von der Gehe erst nach Essen und dann nach Taucha geholt; er wurde Anfang des Jahres vor die Tür gesetzt. So blieben in der Geschäftsleitung für den Bereich Vertrieb nur Udo Harneit und Oliver Wackernagel, Hans-Jürgen Heinemann hatte den Posten bereits 2014 abgegeben.
Stattdessen wurde im Oktober 2014 Kuck zum stellvertretenden Mitglied des Vorstands ernannt. Auch Karl Josef Paulweber erhielt diese Ehre, als Leiter des Ressorts Organisation/Technik/IT/Qualitätssicherung war er für den Bau der neuen Niederlassungen zuständig. Im März 2016 wurden beide zu ordentlichen Mitgliedern befördert. Laut Hollmann haben sie die positiven Entwicklungen der Noweda mit ihrem Einsatz als engagierte Führungspersönlichkeiten maßgeblich mitgeprägt.
Dass Kuck jetzt Hollmann beerben soll, kommt dennoch für viele Beobachter sehr überraschend. Der 52-Jährige hatte als Anwalt im Bereich Wirtschaftsberatung gearbeitet, bevor er 2001 bei Infraserv Höchst anfing, der Betreibergesellschaft des Industrieparks Höchst in Frankfurt. 2007 kam er zur Noweda, wo er den Aufbau des Ressorts Recht übernahm. 2009 bekam er die Leitung des Ressort Industrie dazu; seitdem ist er zuständig für den gesamten Einkauf.
Die Verantwortung für dieses Ressort hatte er direkt von seinem Vater geerbt: Wolfgang P. Kuck hatte 1986 bei der Genossenschaft zunächst die Vertriebsleitung übernommen; als der Vorstandsposten 1993 an Hollmann ging, wurde Kuck mit dem Aufbau eines modernen Beschaffungsmanagements beauftragt. Von 1998 bis 2007 war der Kuck sr. im Vorstand vertreten; mit 65 schied er altersbedingt aus.
Nun wird sein Sohn also fünfter Konzernchef in der Geschichte der Noweda überhaupt. Bereits zum 1. Januar soll er das Amt antreten; warum Hollmann sein Amt nicht bis Juni 2017 ausfüllt, ist nicht bekannt. Mit Kuck im Vorstand sind dann neben Paulweber außerdem Joachim Wörtz als Finanzchef und Rudolf Strunck als Vertreter der Apotheker.
Hollmann lobte seinen Nachfolger als „umsichtigen Strategen“, der sowohl nachhaltiges Wirtschaften als auch vorausschauendes Handeln beherrsche. Als eine „überaus kompetente und engagierte Persönlichkeit“ und durch seine bisherige Tätigkeit bei der Noweda „optimal auf sein Amt vorbereitet“, kommentierte Aufsichtsratschef Dr. Matthias Lempka. Der Apotheker aus Dortmund ist selbst noch neu im Amt: Er hatte im vergangenen Jahr die Nachfolge von Dr. Klaus G. Brauer angetreten. Der Inhaber der Stadtwald-Apotheke in Essen war seit 1989 Mitglied des Aufsichtsrates und seit 1998 dessen Vorsitzender – und musste sein Mandat ebenfalls altersbedingt abgeben.
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