Noweda: Dystopie trifft Zukunftspakt APOTHEKE ADHOC, 17.11.2021 16:37 Uhr
Deutschland im Jahr 2037: Das Apothekennetz ist auf 13.000 Standorte ausgedünnt, da trifft die nächste Pandemie die Bevölkerung. Jetzt merkt auch die Politik, was sie in den vergangenen 15 Jahren falsch gemacht hat. Mit dieser Dystopie illustrierte Noweda-Chef Michael Kuck bei der virtuellen Generalversammlung, wohin die Reise gehen könnte – und was die Apotheken selbst dagegen tun können.
Kucks Geschichte geht so: Nicht böser Willen, sondern politische Nachlässigkeit haben dafür gesorgt, dass die Versorgung immer schlechter geworden ist. Während der Versandhandel floriert, schließen Jahr für Jahr 300 Apotheken. Als die nächste Pandemie über Deutschland hereinbricht, gibt es noch rund 13.000 Apotheken – und die ferne Erinnerung daran, wie die Apothekenteams bei der Pandemie der Jahre 2020/21 angepackt hatten.
„Apotheken können Krise. Das haben sie in den letzten zwei Jahren eindrucksvoll bewiesen“, so Kuck. „Die Politik muss jetzt dafür sorgen, dass das auch so bleibt. Auch der letzte glühende Verehrer des internationalen Versandhandels sollte nun endlich verstanden haben, dass es ohne die Vor-Ort-Apotheken nicht geht. Unsere neue Regierung muss es als ihren fundamentalen Auftrag begreifen, die soziale Infrastruktur unserer beispielhaften Apothekenlandschaft mit allen Kräften zu schützen und zu fördern.“
Dies gelte umso mehr mit Blick auf die geplante Einführung des E-Rezepts: Dies werde zwar keine Lawine, die die Apotheken überrollt. „Es wird eine Übergangsphase geben, in der sich Patienten und Gesundheitsdienstleister an die neuen Möglichkeiten herantasten werden.“ Kuck sprach von Evolution statt Revolution. „Bei allen Schwierigkeiten muss jedem klar sein: Das E-Rezept geht nicht mehr weg. Es wird alle Widerstände überwinden. Es wird irgendwann die vorherrschende und dann die einzige Art der Verordnung sein.“ Es helfe daher nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. „Die Digitalisierung des Gesundheitssystems wird
nach Antritt der neuen Regierung weiter an Fahrt aufnehmen. So viel ist sicher.“
E-Rezept-Kampagnen
Für DocMorris, ShopApotheke & Co. sei es das E-Rezept letzte Chance – denn seit Jahren werde den Investoren versprochen, es seien nur noch wenige Schritte bis zur Profitabilität. „Aber seit genauso langer Zeit werden Jahr für Jahr weiter Millionen verbrannt.“ Die Versender seien unter Druck, so Kuck. „Deshalb werden sie Deutschland mit Werbekampagnen in einer neuen Größenordnung überziehen, um den Vor-Ort-Apotheken möglichst viele Rezepte abzunehmen. Kuck wurde deutlich: Der anvisierte Marktanteil von 10 Prozent im Rx-Bereich bedeute rechnerisch das Aus für rund 2000 Apotheken. Und betroffen sei letztlich auch die Noweda, die anders als ihre Wettbewerber keine ausländischen Versender beliefere.
Millionenbeträge werden laut Kuck in die Werbung investiert, um der Bevölkerung zu erklären, „wie schick und zeitgemäß, einfach und günstig es ist, sein E-Rezept gleich zur Versandapotheke zu schicken“. Doch auch die Noweda will dagegen halten und eine massive Kampagne für IhreApotheken.de fahren. Dank der Umwandlung in eine KGaA und der Beteiligung von Partnern werde der Zukunftspakt bald über umfassende finanzielle Mittel verfügen, ohne den Einfluss der Apotheken zu riskieren. „Wir werden damit alle Möglichkeiten haben, um denen, die an die Rezepte der Vor-Ort-Apotheken wollen, auf Augenhöhe zu begegnen. Wir werden über die notwendigen Finanzmittel verfügen, um die Plattform deutschlandweit intensiv über alle Medien zu bewerben. Und natürlich werden wir dabei auch von der Kooperation mit unserem Partner Burda profitieren, der mit seinen Print- und Online-Angeboten wie Netdoktor.de jeden Monat viele Millionen Menschen erreicht.
Man sei also gut aufgestellt. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir sind vielleicht nicht ganz so laut wie andere. Aber wir halten, was wir versprechen. Und wir gehen Schritt für Schritt voran.“ Bei der Noweda könnten auch in Zukunft die Apothekerinnen und Apotheker entscheiden, welche Richtung eingeschlagen wird. Dabei haben man im Zukunftspakt Apotheke starke Partner, denen das Wohlergehen der Vor-Ort-Apotheke wichtig sei. Mit IhreApotheken.de habe man außerdem einen deutlichen Erfahrungsvorsprung, der künftig entscheidend sein könnte. „Falls Sie sich wider Erwarten noch nicht für einen Beitritt zum Zukunftspakt entschieden haben – jetzt ist ein guter Zeitpunkt dafür.“
Die inhabergeführte Apotheke habe in der Bevölkerung eine breite Unterstützung. „Es gilt, diese Unterstützung zu bündeln, es gilt, sie sichtbar zu machen. Selbstbewusst und stolz auf die Rolle, die Apotheken in unserem Gesundheitssystem einnehmen.“
Wasserstoff- statt E-Auto
Für die Noweda selbst sieht Kuck ebenfalls Herausforderungen: So stiegen neben den Personal- auch die Strom- und Benzinkosten. Man werde dies aber als Chance nutzen, um den ökologischen Fußabdruck auch im Bereich der Auslieferungen zu verringern. Leider seien keine ausreichend leistungsstarken Elektrofahrzeuge am Markt erhältlich, die eine Auslieferung unter GDP-Bedingungen ermöglichten. Kuck bezeichnete es in diesem Zusammenhang als Skandal, dass dies beim Versandhandel nicht so genau genommen werde.
Doch selbst wenn es GDP-konforme Elektrofahrzeuge gäbe, könne man diese nicht nutzen. Denn die rund 200 Lieferfahrzeuge pro Niederlassung müssten zeitgleich aufgeladen werden, darauf sei das vorhandene Netz bislang nicht ausgelegt. Stattdessen will dei Genossenschaft ab dem kommenden Jahr gemeinsam mit einem namhaften Hersteller die Auslieferung mit Wasserstoff-Fahrzeugen testen.
Keine pauschale Tourenkürzung
Eine pauschale Verringerung der Tourenfrequenz zur Verringerung des CO2-Ausstoßes lehnt Kuck ab. „Wir sind der Meinung, dass es eine Errungenschaft unseres Gesundheitssystems ist, dass jeder Mensch in Deutschland jedes zugelassene und verfügbare Arzneimittel entweder sofort oder innerhalb weniger Stunden erhält. Wer meint, die Lieferfähigkeit der Apotheken müsse aus Umweltschutzgründen eingeschränkt werden, der soll der Bevölkerung diese Prioritätensetzung erklären.“
Vielleicht könne auf die eine oder andere Tour verzichtet werden. Eine flächendeckende und pauschale Reduktion der Tourenfrequenz sei jedoch ganz sicher nicht die Lösung. „Hiervon würde letztlich nur der Versandhandel profitieren, der dann noch mehr Päckchen durch die Gegend fahren lässt. Ob das ein Fortschritt für den Umweltschutz wäre, darf man getrost in Frage stellen.“